Auffällige Altersunterschiede mögen bei Paaren immer noch die Ausnahme sein, sorgen aber allenfalls auf dem Dorf noch für Gerede; und in Cornwall. Der Landstrich wirkt mit seinen stets im Katalogstil eingerichteten Landsitzen und den etwas steifen Einheimischen ja ohnehin wie aus der Zeit gefallen; jedenfalls in den Pilcher-Filmen des ZDF. Nur so ist zu erklären, dass die männliche Hauptfigur dieser Episode mit dem zunächst etwas rätselhaften Titel „Raus in den Sturm“ ohne Not eine Trennung anzettelt: Dan Tate, Privatier um die sechzig, hat nach dem Verkauf seines Unternehmens viel Zeit für Weinsammlung und Alpaka-Zucht. Anstatt das Leben an der Seite seiner Lebensgefährten Kate zu genießen, zerbricht er sich jedoch den Kopf über die Jahre, die zwischen ihnen liegen. Angeblich sind das drei Jahrzehnte, doch das ist offenkundiger Unfug; Anja Antonowicz (Jahrgang 1981) ist gerade mal rund zwanzig Jahre jünger als Heio von Stetten (1960). Dieser vermeintliche Rechenfehler ist keineswegs Zufall, denn es gibt noch ein zweites Paar, das laut Film ähnlich weit auseinander liegt: Dans bester Freund Hugh (Thomas Limpinsel, 1965) hat gleichfalls eine jüngere Frau, Jill (Liza Tschirner, 1987); und deren Schwangerschaft gibt Dan zu denken.
Es ist keine Seltenheit, dass ARD & ZDF es gerade auf den Sendeplätzen, die sich vorwiegend an Zuschauerinnen richten, beim Alter der Hauptfiguren oft nicht so genau nehmen. Die männlichen Schauspieler dürfen in der Regel so alt sein, wie sie tatsächlich sind, aber bei den Frauen sind Abweichungen um zehn oder mehr Jahre keine Seltenheit; normalerweise werden allerdings ältere Rollen mit jüngeren Darstellerinnen besetzt. In diesem Fall ist die Abweichung von der Regel etwas irritierend, weil ein Großteil des Publikum angesichts von Kate unwillkürlich denken wird: „So jung ist die doch gar nicht mehr.“ Im Sinne des Drehbuchs ist das kontraproduktiv, weil dieser Eindruck Dans Bedenken konterkariert: Er sieht sich selbst als inkontinenten und impotenten Tattergreis, während sich seine Freundin allein im Club amüsiert. Deshalb trägt Kate betont jugendliche Kleidung, während der außerdem zu einer gewissen Vergesslichkeit neigende Dan etwas ältlich daherkommt. Kein Wunder, dass sich Kates 15jähriger Sohn (Maurizio Magno) aufgrund einer missverstandenen Spendenbroschüre für eine Alzheimer-Stiftung Sorgen um den Ziehvater macht.
Der ernstzunehmende Hintergrund des Themas ist natürlich nicht von der Hand zu weisen. Dan formuliert es selbst: Sollte Kate gemeinsamen Nachwuchs wollen, wäre er achtzig, wenn das Kind aufs College geht. Deshalb erfolgt also nach zehn Jahren die Trennung ohne Not, die vom Autorenduo Andreas Bradler und Karsten Rüter prompt zugespitzt wird: Kate, die zu Dans Verdruss schon vorher in Jills Pub gejobbt hatte, übernimmt das Lokal, als sich die Freundin wegen ihrer Schwangerschaft zurückzieht. Beistand bekommt sie vom frechen Surfer Caine, mit dem sie eine Affäre beginnt. Hier wird der Altersunterschied seltsamerweise nicht erwähnt, obwohl der Beach-Boy deutlich jünger wirkt (Remo Schulze ist Jahrgang 1988). Natürlich ist der flatterhafte Caine kein Mann fürs Leben. Das zeigt sich, als Kate im Radio die Ankündigung einer Walherde hört und ihn überredet, mit ihr hinauszufahren. Der Motor setzt aus, das Boot treibt fernab von der Küste vor sich hin, und Caine verhält sich alles andere als Gentleman-like, als er eine halbvolle Wasserflasche findet. Die Botschaft ist zwar etwas plump, aber Kate hat ganz andere Sorgen, denn es zieht ein Sturm auf, der angesichts der vergleichsweise bescheidenen Mittel des Sendeplatzes optisch sogar recht imposant wirkt.
Der Rest ist ZDF-„Herzkino“ aus dem Baukasten. Regisseur Helmut Metzger hat für den Sendeplatz vor allem Filme aus der Reihe „Katie Fforde“ inszeniert, einige davon durchaus anspruchsvoll. „Pilcher“ kann er natürlich auch; „Alte Herzen rosten nicht“ (2013) zum Beispiel war eine überraschend vergnügliche Seniorenromanze mit Ilja Richter und Ursela Monn. „Raus in den Sturm“ liegt jedoch allenfalls im Durchschnitt der Reihe, zumal Metzger die angeblichen Erwartungen der Zielgruppe wie mit Hilfe einer Checkliste bedient. Es wäre keine Überraschung, wenn sich die Verantwortlichen der Reihe insgeheim selbst über die Versatzstücke lustig machten; Kate zum Beispiel fährt selbstredend ein (allerdings geschlossenes) Mini-Cabrio. Komponist Andreas Weidinger sorgt für die übliche Schmalzmusik, darf aber bei den Sturmszenen zeigen, dass er auch anders kann. Immerhin sind die Kameraflüge über Cornwall nicht ganz so inflationär wie sonst. Dafür ist auch gar keine Zeit, denn es gibt noch weitere Figuren, die der Handlung zu einer gewissen Komplexität verhelfen: Pete, seinerseits in seine junge Lehrerin verliebt, sieht gar nicht ein, warum er den großzügigen Landsitz verlassen soll, und findet es erst recht doof, als seine Mutter die Beziehung zu Caine beginnt. Dan wiederum lernt eine Galeristin (Sabine Bach) kennen, die nicht nur altersmäßig viel besser zu ihm zu passen scheint.
Mag die Inszenierung des Films auch konventionell sein, bei der Arbeit mit den Schauspielern macht sich Metzgers Erfahrung bezahlt; es gibt nicht einen Ausfall, was gerade bei „Rosamunde Pilcher“ keineswegs selbstverständlich ist. Für Anja Antonowicz ist „Raus in den Sturm“ eine Art filmisches Bewerbungsschreiben. Die gebürtige Polin, 2006 dank der „Bella Block“-Episode „Die Frau des Teppichlegers“ für den Deutschen Fernsehpreis nominiert, wird zumeist in wichtigen Nebenrollen besetzt, zuletzt unter anderem als sympathisches Ensemble-Mitglied der ARD-Reihe „Praxis mit Meerblick“; außerdem war sie in „Bad Banks“ oder „Matthiesens Töchter“ zu sehen. Hier wirkt sie erstmals und dann gleich als Hauptdarstellerin in einer „Herzkino“-Produktion mit; das sollte ihrer Karriere einen neuen Schub geben.