Rosamunde Pilcher – Im siebten Himmel

Antonia Bill, Engelsman, Woolfe, Wilke/Franken, Serafini. „Die Wege des Herrn...“

Foto: ZDF / Jon Ailes
Foto Tilmann P. Gangloff

Eins der häufigsten Erzählmuster im „Herzkino” des ZDF handelt von einer Frau, die von zwei Männern umschwärmt wird. In der Pilcher-Verfilmung „Im siebten Himmel“ (FFP) ist es jedoch ein Architekt, der sich zwischen zwei Frauen entscheiden muss. Die Hauptrolle ist trotzdem weiblich: Eine junge Vikarin verliebt sich ausgerechnet in einen Mann, den sie eigentlich trauen soll. Regie führte der Sonntagsfilm-Routinier Marco Serafini. Dessen Arbeiten mögen keine Filmkunst sein, aber seine Ensemble-Führung ist in der Regel ziemlich gut. Das gilt auch für die weitgehend kaum bekannten Mitwirkenden dieser Liebesgeschichte; gerade Antonia Bill und Jeroen Engelsman sind sehenswert. Reizvoll sind auch die guten Dialoge: Da die Hauptfigur eine Geistliche ist, sind sie mit allerlei Bibelzitaten gewürzt.

Es gab mal eine Zeit, da tummelten sich in den TV-Serien mehr Pastoren als Ärzte, aber mittlerweile sind Kirchenleute aus der Mode gekommen. Wenn überhaupt, dann ist der Pfarrer als Hauptfigur prompt eine Fälschung (wie in der RTL-Serie „Sankt Maik“). Immerhin gibt es immer wieder mal Filme, die sich die Diskrepanz zwischen moralischem Anspruch und rauer Realität zunutze machen, um beispielsweise eine packende Krimi-Geschichte zu erzählen (wie in dem Thriller „Tödliche Gier“ mit Harald Krassnitzer, ZDF 2021). Auch in Liebesdingen müssen sich Mitglieder des Klerus’ natürlich an ganz anderen Maßstäben messen lassen als Normalsterbliche; und darum geht es in der Pilcher-Verfilmung „Im siebten Himmel“. Der Film fällt schon wegen der Hauptfigur aus dem Rahmen: Pfarrerinnen sind im Fernsehen noch seltener geworden als ihre männlichen Kollegen. Rebecca Taylor, Anfang dreißig, ist ohnehin eine spezielle Vertreterin ihrer Zunft, und das nicht nur wegen ihres jungen Alters: Das „Herzkino“-geschulte Autorenpaar Martin Wilke und Jochen S. Franken führt die Vikarin mit einem Verstoß gegen die Vorgaben der Church of England ein, als sich in ihrer Kirche zwei Frauen das Ja-Wort geben dürfen. Zur Strafe wird sie nach Cornwall versetzt, wo sie prompt den nächsten Fehler begeht: Sie verliert ihr Herz. Das wäre an sich kein Problem, aber eigentlich soll sie den Architekten Adam Morris nicht lieben, sondern trauen.

Im Unterschied zum gewohnten Muster der Sonntagsfilme im „Zweiten“ muss sich diesmal also nicht eine Frau zwischen zwei Männern entscheiden. Allerdings kann es keinen Zweifel daran geben, wie die Geschichte enden wird, denn Adams Verlobte Emma ist ihrerseits ebenfalls anderweitig verliebt. Es geht also weniger ums Ziel, sondern vor allem um den Weg dorthin, und da hat sich das Drehbuchduo allerlei einfallen lassen, um die Handlung ein paar Haken schlagen zu lassen. Dafür steht vor allem die vierte Hauptfigur: Die freche Ausreißerin Kylie ist so etwas wie das Pendant zu Puck aus Shakespeares „Sommernachtstraum“. Erst fädelt sie ein romantisches Komplott ein, dann verliert Rebecca ihretwegen beinahe den Job, und schließlich kommt es zu einem fast dramatischen Finale an der Steilküste.

Rosamunde Pilcher – Im siebten HimmelFoto: ZDF / Jon Ailes
Die freche Ausreißerin Kylie (Berit Vander) ist so etwas wie das Pendant zu Puck aus Shakespeares „Sommernachtstraum“. Erst fädelt sie ein romantisches Komplott ein, dann verliert Rebecca (Antonia Bill) ihretwegen beinahe den Job, und schließlich …

Natürlich haben es sich Wilke und Franken nicht nehmen lassen, die ohnehin guten Dialoge mit allerlei passenden Bibelzitaten zu würzen; auf diese Weise wird „Die Wege des Herrn sind unergründlich“ zu einer Art Parole zwischen Rebecca und Adam. Selbstredend spielen auch die Zehn Gebote eine wichtige Rolle, zumal sich Rebecca die eine oder andere Notlüge erlaubt; vom Verstoß gegen das zehnte Gebot („Du sollst nicht begehren…“) ganz zu schweigen. Zusätzliche Würze bekommen die Gespräche, weil Adam und Kylie weder religiös noch gläubig sind. Mehr als nur dramaturgische Dekoration sind auch die biografischen Hintergründe: Rebecca war im ersten Berufsleben Brokerin, Adam stammt wie Kylie aus armen Verhältnissen. Nicht recht integriert wirkt allein der Nebenstrang mit Emmas Mutter, die mit dem Freitod ihres Mannes hadert.

Regie führte „Herzkino“-Routinier Marco Serafini. Dessen Arbeiten mögen keine Filmkunst sein, aber seine Ensemble-Führung ist in der Regel sehenswert. Das gilt auch für die weitgehend kaum bekannten Mitwirkenden von „Im siebten Himmel“. Für Jeroen Engelsman ist die Rolle des Bräutigams, der nicht heiraten will, inhaltlich ein echter Fortschritt gegenüber seinen bisherigen Sonntagsfilmen im ZDF, denn dort spielte er (wie in Serafinis Lindström-Romanze „Rosenblüten im Sand“, 2021) den jeweils zweiten Mann, der am Ende leer ausgeht. Nicht minder sehenswert ist Antonia Bill als Vikarin; die Schauspielerin und Sängerin war zuletzt als Vergewaltigungsopfer in der ungewöhnlich ernsten Episode „Gestohlene Träume“ (2021) aus der ARD-Freitagsreihe „Toni, männlich, Hebamme“ zu sehen. Eine echte Entdeckung ist die junge Berit Vander als Göre, die sich nichts gefallen lässt. Wie sich aus der Mündelbeziehung zur Pfarrerin eine echte Freundschaft entwickelt, ist ebenfalls sehr schön gespielt. Dritte Hauptdarstellerin ist Charlotte Woolfe, eine perfekte Besetzung als etwas steife Engländerin aus der Provinz. Selbst ihr Akzent passt: Die Österreicherin ist zur Hälfte Britin. Auch die Nebenfiguren sind markant besetzt, wobei Nina Kronjäger (als Emmas Mutter) anzuhören ist, dass sie die Eigennamen bloß nicht deutsch aussprechen wollte. Eine interessante Rolle spielt auch der in England lebende deutsche Schauspieler Joerg Stadler als Rebeccas väterlich strenger Vorgesetzter, der unerwartet liberale Seiten offenbaren darf.

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Reihe

ZDF

Mit Antonia Bill, Jeroen Engelsman, Charlotte Woolfe, Berit Vander, Nina Kronjäger, Luke Allen-Gale, Joerg Stadler

Kamera: Sebastian Wiegärtner

Szenenbild: Robert Foster

Kostüm: Katharina Schnelting

Schnitt: Ilana Goldschmidt

Musik: Patrick M. Schmitz

Soundtrack: Claire Rosinkranz („Backyard Boy“), Alicia Keys („If I Ain’t Got You”)

Redaktion: Andrea Klingenschmitt

Produktionsfirma: FFP New Media

Produktion: Vanessa Lackschéwitz, Michael Smeaton

Drehbuch: Martin Wilke, Jochen S. Franken – Vorlage: Rosamunde Pilcher („Another view“, Kurzgeschichte)

Regie: Marco Serafini

Quote: 4,68 Mio. Zuschauer (14% MA)

EA: 05.12.2021 20:15 Uhr

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