Rosamunde Pilcher – Fast noch verheiratet

Paula Schramm, Raphaël Vogt, Jochen Schropp. "Herzkino"-Ausreißer nach oben

Foto: ZDF / Jon Ailes
Foto Tilmann P. Gangloff

Die romantische Komödie „Fast noch verheiratet“ ist eine Kombination der Erzählmuster „Eine Frau zwischen zwei Männern“, „Staatsanwälte küsst man nicht“ und „Scheinehe mit Hindernissen“: Anwältin Sienna würde gern den Antrag ihres Kollegen Oscar annehmen, aber dafür muss sie sich erst mal scheiden lassen. Ihr Gatte verknüpft seine Unterschrift jedoch mit der Bedingung, die schon vor Jahren beendete Ehe vorübergehend noch mal aufleben zu lassen, damit er das Sorgerecht für seine Tochter behalten kann. Die Zutaten zu dieser Romanze sind bekannt, aber originell und äußerst kurzweilig miteinander vermischt, und das Hauptdarstellertrio Paula Schramm, Jochen Schropp und Raphaël Vogt ist sehenswert.

Liebend gern würde Sienna (Paula Schramm), eine junge Anwältin für Familienrecht, den Heiratsantrag ihres attraktiven Kollegen annehmen, aber zur großen Verblüffung von Oscar (Jochen Schropp) lehnt sie ab: Sie ist bereits – oder besser gesagt: noch – verheiratet, weil sich ihr Mann Tyler (Raphaël Vogt) seit Jahren weigert, die Scheidungspapiere zu unterzeichnen, obwohl das Paar schon lange getrennt lebt. Ohne Oscar einzuweihen, reist Sienna ins heimische Cornwall, um die Ehe auch formal endgültig zu beenden. Das allein wäre schon eine gute Basis für eine unterhaltsame Komödie, aber nun setzt Autorin Uschi Müller noch eine zweite Ebene drauf, die sich am Muster „Scheinehe mit Hindernissen“ orientiert und sich darüber hinaus des beliebten Schemas „Eine Frau zwischen zwei Männern“ bedient: Tyler hatte Sienna damals mit ihrer besten Freundin Naomi betrogen. Weil Sienna anschließend einen radikalen Strich unter ihr bisheriges Leben gezogen hat, weiß sie nicht, dass der Seitensprung noch weitere Folgen hatte und Tyler mittlerweile alleinerziehender Vater ist; Naomi ist an Krebs gestorben. Aber nun hat sich deren Mutter Deborah (Wookie Mayer) aus Amerika angekündigt: Sie hält Tyler für einen Hallodri und will ihre Enkelin Ivy zu sich nehmen. Tyler schlägt Sienna einen Deal vor: Sie gaukelt gemeinsam mit ihm und Ivy ein harmonisches Familienglück vor, er unterschreibt die Papiere. Deborah lässt sich überzeugen, nimmt sich aber dennoch einen Anwalt, um einige Regeln festzulegen. Natürlich handelt es sich um niemand anderen als Oscar, was prompt zu einer Variation von „Staatsanwälte küsst man nicht“ führt, weil sich alle Beteiligten schließlich vor Gericht wiederfinden.

Rosamunde Pilcher – Fast noch verheiratetFoto: ZDF / Jon Ailes
Damit der Ex-Ehemann (Raphaël Vogt) von Sienna (Paula Schramm) die Tochter (Angelina Stecher-Williams), die er mit Siennas ehemaligen besten, mittlerweile verstorbenen Freundin bekommen hat, behalten darf, spielen die drei der biestigen Schwiegermutter das Märchen von einer glücklichen Ehe vor… Klingt furchtbar gedrechselt, verzichtet aber weitgehend auf künstliche Herz- & Schmerzmomente. So entsteht ein flüssig erzähltes romantisches Komödienmaschinchen, bei dem das Spielerische und die relative „Natürlichkeit“ der Hauptdarsteller das Pilchereske in den Schatten stellen.

Auch wenn die einzelnen Handlungsstränge eher abgeguckt als selbst erfunden wirken: Das Ergebnis ist eine gerade von den drei Hauptdarstellern sehr ansprechend gespielte Komödie, die wieder einmal zeigt, wie unberechenbar die Sonntagsfilme im ZDF sind. Die Inszenierung durch „Herzkino“-Routinier Marco Serafini fügt sich inklusive der typischen Pilcher-Merkmale ins übliche Muster und ist mit Ausnahme einer netten Schnittsequenz zu Beginn, als Sienna Oscars Chauffeur verschiedene Ballkleider vorführt, komplett unauffällig. Dass die gewohnten Sonnenscheinbilder fehlen, lag wohl eher am Wetter. Trotzdem braust auch Sienna im offenen Cabrio die Küste entlang. Zum „Pilcher-Look“ gehört zudem die sorgfältig und geschmackvoll ausgewählte Kleidung der Hauptfigur, sodass Paula Schramm in jeder Hinsicht richtig gut aussieht; Sympathieträgerin ist sie dank ihres Charmes ohnehin fast automatisch.

So konventionell Serafinis Inszenierung auch sein mag: Seine drei Hauptdarsteller hat er prima geführt. Sie sind neben der Geschichte, die der scheinbaren Erwartbarkeit zum Trotz einige Haken schlägt, der Hauptgrund, warum „Fast noch verheiratet“ so gut funktioniert, zumal bei der Besetzung der beiden Männerrollen ein typischer Fehler vieler Pilcher-Filme vermieden worden ist: Während sonst meist früh erkennbar ist, dass der Nebenbuhler ohnehin schlechte Karten hat, weil er von einem Langweiler verkörpert wird, begegnen sich Vogt und Schropp auf Augenhöhe; deshalb bleibt tatsächlich bis zum Schluss offen, für wen sich Sienna entscheiden wird. Gerade Schropp zeigt zudem, dass sein Talent unter der Moderation diverser mehr oder weniger gehaltvoller Shows für Vox, ProSieben & Sat 1 nicht gelitten hat.

Rosamunde Pilcher – Fast noch verheiratetFoto: ZDF / Jon Ailes
Erste oder zweite Wahl? Jochen Schropp macht so oder so eine gute (very britische) Figur. Ein Mann, der liebt & weint. So viel „Ehrlichkeit“ gibt es selten in den Pilcher-Filmen. Und Paula Schramm ist ohnehin ein Glücksfall für „Fast noch verheiratet“.

Außerdem hat Autorin Müller die Figuren mit viel Hintergrund ausgestattet; auch das ist ein Unterschied zu vielen anderen Sonntagsfilmen, deren Charaktere oft oberflächlich bleiben. Sehr hübsch ist zum Beispiel die Idee, dass Sienna und Tyler in ihrer Jugend mit Kornkreisen weit über Cornwall hinaus für viel Aufsehen gesorgt haben. Einen wesentlichen Anteil an der Entwicklung der Handlung haben auch Siennas Eltern Ginger (Angela Roy) und Larry (Robert Giggenbach): Das Späthippiepärchen war einst mit der längst ins Establishment konvertierten Deborah befreundet und soll nun eine bürgerliche Fassade vorgaukeln, an der Ginger zum Erstaunen ihres „Mannes“ – selbstredend sind die beiden nicht verheiratet – großen Gefallen findet. Dass Larry immer wieder unvermittelt in Gelächter ausbricht, weil die beiden Seminare für Lachyoga veranstalten, irritiert ein wenig, fällt aber dank der Kurzweiligkeit des Films letztlich ebenso wenig ins Gewicht wie die gelegentlichen Probleme der kleinen Angelina Stecher-Williams mit ihren Dialogen oder Wookie Mayers etwas eindimensionale Verkörperung von Deborah als böse Stiefmutter. Dass deren Name mal englisch, mal deutsch ausgesprochen wird, gehört zu den kleinen Fehlern, die sich mit größerer Sorgfalt hätten vermeiden lassen, aber die vielen heiteren Begebenheiten machen das spielend wieder wett.

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Reihe

ZDF

Mit Paula Schramm, Raphaël Vogt, Jochen Schropp, Angela Roy, Robert Giggenbach, Angelina Stecher-Williams, Wookie Mayer, Krystian Martinek

Kamera: Sebastian Wiegärtner

Szenenbild: Keith Dunne

Kostüm: Silke C. Schmidt

Schnitt: Ilana Goldschmidt

Musik: Patrick M. Schmitz

Produktionsfirma: FFP New Media

Drehbuch: Uschi Müller – nach der Pilcher-Kurzgeschichte „The Last Goodbye“

Regie: Marco Serafini

Quote: 5,30 Mio. Zuschauer (14,6% MA)

EA: 26.02.2017 20:15 Uhr | ZDF

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