Meist achten Sender und Produktionsfirma darauf, dass die Pilcher-Filme Alt und Jung gleichermaßen bedienen; am besten mit einer doppelten Romanze. Zumindest in dieser Hinsicht unterscheidet sich „Falsches Leben, wahre Liebe“ deutlich von den sonstigen Liebesgeschichten: Es gibt zwar zwei Paare, aber beide sind jung. Und noch eins zeichnet das romantische Drama aus: Oft haben die männlichen jungen Darsteller deutlich weniger Ausstrahlung als ihre Kolleginnen und sind entsprechend austauschbar. Marvin Linke und vor allem Paul Triller besitzen zwar längst nicht so viel Fernsehfilmerfahrung wie Leonie Brill und Caroline Hartig, sind aber weit mehr als bloß eine ansprechende Ergänzung für die Kolleginnen. Die Originalität der Handlung mag dagegen zunächst überschaubar wirken, doch das ändert sich: Exakt zur Hälfte sorgen die Autoren Martin Wilke und Jochen S. Franken mit einem Paukenschlag dafür, dass sich der Film in eine völlig neue Richtung entwickelt.
Bis dahin erzählt das dank gut zwei Dutzend gemeinsamer Vorlagen für Reihen wie „Das Traumschiff“, „Kreuzfahrt ins Glück“ und eben „Rosamunde Pilcher“ im „Herzkino“ bestens geschulte Duo eine durchaus sympathische, aber auch schlichte Geschichte: Navy-Leutnant Bill Pexton (Linke) fällt durch die Kampfschwimmerprüfung, weil er seinen gestürzten Freund Mo (Triller) nicht zurücklassen wollte. Bill stammt aus altem Cornwall-Landadel. Die illustre Familiengeschichte begann einst mit einem Piraten, aber irgendwann stellten die Pextons auch den Kriegsminister. Eine Offizierslaufbahn ist Teil der Tradition, selbst wenn Bill lieber Arzt geworden wäre. Als er Mo übers Wochenende mit heimbringt, wird der junge Mann von Theresa und Freddie Pexton (Stephanie Japp, Daniel Morgenroth) herzlich aufgenommen, als hätte er schon immer zur Familie gehört. Die Freundschaft übersteht auch eine kleine Krise, als sich Mo in Bills Verlobte, Abigail (Hartig), verliebt. Bill wiederum fühlt sich plötzlich zu Abbys Schwester Doreen (Brill) hingezogen, die er eigentlich Mo schmackhaft machen wollte. Als wäre das alles nicht schon emotional verwirrend genug, stellt sich raus, dass die beiden jungen Männer zwar an verschiedenen Tagen, aber nur wenige Minuten nacheinander zur Welt gekommen sind. Für Bills Eltern ist es wie ein Wunder, dass das Schicksal Schicksal gespielt hat, ihrem Sohn zieht es jedoch den Boden unter den Füßen weg, und die etwas oberflächliche Abby ist ihm in diesem Moment keine große Hilfe; im Gegensatz zu Doreen.
Stefan Bartmann ist seit gut dreißig Jahren Regisseur und seit gut zwanzig Jahren „Herzkino“-Spezialist; er hat fast alle Sonntagsdrehbücher von Wilke & Franken umgesetzt. Hat man sich rund fünfzig Mal an die entsprechenden Sendeplatzkonventionen gehalten, kann man vermutlich gar nicht mehr anders, und so sieht „Falsches Leben, wahre Liebe“ auch aus; gut möglich, dass Produktion und Redaktion der entsprechenden Stereotype mit Jubelmusik bei jedem Kameraflug über die Küste im Gegensatz zur Pilcher-Fangemeinde langsam selbst überdrüssig sind. Trotzdem ist der Film dank der verwandtschaftlichen Verwicklungen und der doppelten Romanze keine Zeitverschwendung. Das junge Quartett ist ohnehin sehenswert. Caroline Hartig, zuletzt als zweifache Hauptdarstellerin des ProSieben-Mysterythrillers „Schattenmoor“ (2019) echter Einschaltgrund, scheint zwar in einigen Dialogszenen etwas mit ihrer Rolle zu fremdeln, aber das stört nicht weiter; und dass Leonie Brill („Watzmann ermittelt“) bei der Bekanntgabe der Verlobung allzu deutlich zeigen muss, wie gemischt Doreens Gefühle sind, ist eher der Regie anzulasten als der Schauspielerin. Davon abgesehen ist das Ensemble so gut zusammengestellt, dass es in allen Konstellationen gut funktioniert: Die beiden Freunde sind ebenso unterschiedlich wie die zwei Schwestern, ergänzen sich aber gerade deshalb perfekt; und die Über-Kreuz-Romanzen funktionieren ebenfalls.
Wie so viele andere Pilcher-Filme entwickelt auch „Falsches Leben, wahre Liebe“ einen besonderen Charme durch kleine Ideen, mit denen die Autoren die Handlung vorantreiben; eine wichtige Rolle spielt zum Beispiel ein Navy-Abzeichen, das Mo als Erinnerungsstück an seinen Vater wie einen Schatz hütet. Amüsant ist auch ein Missverständnis: Er hält Bills Vater zunächst für den Gärtner. Dafür erobert er Freddies Zuneigung, als er im Handumdrehen dessen alten Austin-Healey repariert. Dass die beiden nicht umgehend mit dem Cabrio an die Küste fahren, beschert Bartmann allerdings Abzüge in der B-Note. Auch in anderer Hinsicht verstößt der Film gegen einen Nimbus des Sendeplatzes. Die jungen Hauptdarstellerinnen sind zwar stets attraktiv, aber zu den hehren Werten, die die Reihe vermitteln möchte, gehört selbstredend die Maxime, dass wahre Schönheit von innen komme. Doreen musste allerdings erst 20 Kilo abnehmen, bevor Bill auf sie aufmerksam wurde. (Text-Stand: 6.2.2020)