Im Gegensatz zum zeitgleichen ARD-Krimi-Termin, der eine immer wieder beeindruckende Bandbreite zulässt, ist das „Herzkino“ im ZDF Zielgruppenfernsehen mit klar definierten Erwartungen. Gerade von der Marke Rosamunde Pilcher erhofft sich die überwiegend weibliche Zuschauerschaft Erzählungen, die sich an bestimmten Parametern orientieren. Das gilt vor allem für die Umsetzung; deshalb darf ein Werk wie „Ein einziger Kuss“ auch gern knapp 180 Minuten dauern, wenn sich das Auge zwischendurch an Hochglanzgärten und mit der Nagelschere gestutzten Parklandschaften erfreuen kann. Kein Wunder, dass die Protagonistin ihre Zwiegespräche mit Vorliebe im Grünen führt. Erhofft man sich von einem buchstäblich abendfüllenden Drama dagegen Spannungsbögen, eine interessante Bildgestaltung, Schauspieler mit Ausstrahlung sowie Konflikte, die mehr als nur dem üblichen Raster entsprechen, bleiben nicht viele Argumente, die für diesen Film sprechen.
Während die Pilcher-Adaptionen ausschließlich fürs deutsche Fernsehen entstehen, zielt „Ein einziger Kuss“ auf den Weltmarkt. Der Film wurde auf englisch gedreht, Katja Weizenböck ist die einzige deutsche Hauptdarstellerin. Sie spielt die in Deutschland aufgewachsene Tochter einer Britin und eines Deutschen, was vermutlich ihren Akzent erklären soll, aber davon bekommt man in der deutschen Fassung natürlich nichts mit. Nicht zu überhören ist dagegen der Umstand, dass Weizenböck wenig bis keine Erfahrung mit Synchronisierungen hat, aber daran gewöhnt man sich, zumal die anderen Schauspieler recht gut gesprochen werden. Gerade bei den Jugendlichen, sonst regelmäßig eine Schwachstelle, fällt das positiv auf.
Die Geschichte ist nicht uninteressant: Als die bekannte Bestsellerautorin Valentine Whiteley (Weizenböck) von einer Lesung zurückkommt, empfängt ihr Mann Nicholas (Rupert Graves) sie mit der Nachricht, dass er die Scheidung wolle; und nun beginnt ein Rosenkrieg, in dessen Verlauf sämtliche Beteiligte erheblichen Schaden nehmen. Das Drehbuch (Matthew Thomas) bietet zwar dank der komplexen Konfliktlage, in die auch die drei Kinder des Ehepaars miteinbezogen werden, eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten und Identifikationsangeboten, aber die Figuren bleiben durchweg oberflächlich. Das gilt vor allem für Nicholas. Rupert Graves, dem deutschen TV-Publikum als Inspektor Lestrade aus den „Sherlock“-Filmen bekannt, ist ein richtig guter Schauspieler, bekommt aber kaum Gelegenheit, dem gierigen Gatten Tiefe zu verleihen, weil der Mann sämtliche nur denkbaren Negativ-Klischees erfüllt: Er spielt die Kinder gegen Valentine aus und will das alleinige Sorgerecht, weil er auf diese Weise mehr Geld bekommt; außerdem hat er seit geraumer Zeit eine hübsche junge Geliebte (Nina Schmieder). Dass Valentines Ruf ramponiert wird, ist ihm dagegen gar nicht recht: Sie schreibt Erziehungsratgeber, und als sich herausstellt, dass sich ihr Mann jahrelang um die Kinder gekümmert hat, werden ihre Bücher über Nacht zu Ladenhütern.
Das Drehbuch findet überraschend viele Facetten für den Trennungskonflikt, aber weil diese Ebene trotzdem zu wenig Stoff für drei Fernsehstunden bieten würde, muss sich Valentine der Avancen eines waschechten Lords (John Hannah) erwehren und darf sich zögerlich in einen Journalisten (Jean-Yves Berteloot) verlieben. In der zweiten Hälfte rückt auch ihre Tochter Sophie (Zoë Tapper) in den Vordergrund: Sie ist erfolgreiche Anwältin und erwartet ein Kind, dass ihr aber überhaupt nicht in den Karriereplan passt. Als sie ausgerechnet am Tag ihrer Hochzeit eine Fehlgeburt hat, führt dies zu einer grundlegenden Entfremdung zwischen ihr und ihrem Mann… Allen Konflikten zum Trotz ist „Ein einziger Kuss“ nie wirklich dramatisch, weil die Schicksale der Figuren letztlich nicht berühren. Der Film ist schön anzuschauen und findet einen angenehmen Wechsel zwischen prachtvollen Landsitzen und dem glitzernden London. Kostüm & Ausstattung sind sorgsam aufeinander abgestimmt, auch wenn Valentines Kleidungsstil etwas bieder und ihr Domizil wie ein lebloses „Schöner-Wohnen“-Musterhaus wirkt. Aber nicht zuletzt Sarah Hardings entspannter Inszenierungsstil hat zur Folge, dass der Film aufregungsfrei vor sich hin plätschert.