Die beiden Brüder stammen aus einer wohlhabenden Familie. Linus, der ältere, lebt nur für die Arbeit, David lebt nur für das Leben; er ist das, was man damals einen Schürzenjäger nannte. Die Tochter des Chauffeurs war als Teenager in ihn verliebt, aber er hat sie nicht mal wahrgenommen. Jahre später ist aus dem Backfisch eine begehrenswerte junge Frau geworden, und plötzlich buhlen beide Brüder um ihre Gunst: Das ist die Geschichte des Hollywood-Klassikers „Sabrina“ (1954) mit Humphrey Bogart, William Holden und Audrey Hepburn. Das Drehbuch zu „Der Stoff, aus dem die Träume sind“ basiert zwar wie alle Rosamunde-Pilcher-Verfilmungen der letzten Jahren auf einer Kurzgeschichte, aber die Handlung orientiert sich unübersehbar an der romantischen Komödie von Billy Wilder beziehungsweise dem ihr zugrunde liegenden Theaterstück von Samual A. Taylor.
Lilly (Sarah Hannemann) ist Designerin mit eigener Schneiderei und einer Vorliebe für ausgefallene Entwürfe. Als ihr das Material ausgeht, wendet sie sich an den örtlichen Stoffgroßhändler Wilsons & Sons. Nach dem Tod des Firmengründers leiten die Söhne Aidan (Jan Hartmann) und Oliver (Joshua Grothe) das Unternehmen gemeinsam. Beide verlieben sich in die selbstbewusste junge Frau mit der auffallenden roten Lockenpracht. Während Oliver, für den Lilly schon zu Schulzeiten geschwärmt hat, recht offensiv um ihre Gunst wirbt, verbirgt Aidan seine Gefühle. Die Brüder sind einander spinnefeind, seit Oliver dem älteren einst quasi am Altar die Braut ausgespannt hat. Nun zieht er alle Register, um Lilly zu erobern; die junge Frau schwebt im siebten Himmel. Weil ein windiger Zwischenhändler Oliver einen minderwertigen Restposten angedreht hat und Lilly auf die Schnelle keinen Ersatz beschaffen kann, geht plötzlich alles schief: Sie kann die Frist eines Großauftrags nicht einhalten, weshalb der Traum vom Durchbruch auf der Londoner Modebühne platzt, dann kündigt ihr unverzichtbarer Assistent Luke (David Nolden), die Liebe kommt ebenfalls unter die Räder; und schließlich stellt sie schockiert fest, dass ihr Vater schon länger ein Verhältnis mit der Schwester seiner vor wenigen Jahren verstorbenen Frau hat.
Soundtrack: Boy („Waitress“), Flo Rida feat. Sia („Wild Ones”), Arlo Parks („Wild Dog”), Van Morrison („Someone Like you”)
Foto: ZDF / Jon Ailes
Die Brüder sind unverhohlen den Figuren aus „Sabrina“ nachempfunden: Der ältere Aidan wirkt konservativ, kultiviert und eher steif, Oliver ist ein Draufgänger und Frauenschwarm. Außerdem ist das Grundmuster – eine Frau zwischen zwei Männern – reichlich abgenutzt. Trotzdem ist „Der Stoff aus dem die Träume sind“ nicht nur für Freundinnen des Sendeplatzes sehenswert. Die Dialoge sind oft recht flott, Sarah Hannemann hat bereits in der ARD-Freitagskomödie „Viele Kühe und ein schwarzes Schaf“ (2020) eine große Präsenz ausgestrahlt, und das zentrale Trio ist gut zusammengestellt, zumal im Unterschied zu vielen anderen „Pilcher“-Filmen nicht auf Anhieb feststeht, wer das Rennen um Lillys Gunst machen wird. Die erfahrene Regisseurin Karola Meeder, deren „Herzkino“-Beiträge regelmäßig zu den besseren gehören – „Anne und der König von Dresden” (2017) war eine der schönsten Sonntagsromanzen der letzten Jahre – hat bei ihrer Umsetzung auf eine allzu aufdringliche Inszenierung der üblichen Zutaten verzichtet. Es gibt zwar die unvermeidliche Küstenfahrt, aber die umweltbewusste Lilly fährt nicht den obligaten Mini Cooper, sondern Fahrrad. Auf dieser Basis ist auch die erste Begegnung mit Aidan eingefädelt: Er kann sich nicht vom Jaguar des Vaters trennen. Für Lilly ist der Oldtimer jedoch ein „Verbrechen an der Umwelt“, weshalb sie den Auspuff mit einem Apfel verstopft (direkt vor einer Überwachungskamera).
Der ökologische Ansatz der Geschichte birgt ohnehin einen gewissen Reiz (Idee und erste Fassung: Susanne Hertel, Bearbeitung: Uschi Müller, Martin Wilke). Lilly arbeitet grundsätzlich nur mit Stoff aus Recyclingmaterial. Wenn sie beispielsweise den CO2-Ausstoß der Bekleidungsindustrie beklagt, klingt das zwar etwas dozierend, entspricht andererseits aber dem Habitus aktiver Umweltschützer; die Schneiderin lässt keinen Zweifel daran, dass sie in dieser Hinsicht konsequent kompromisslos ist. Die gelegentlichen Textilexkurse etwa über die Produktion von Leder aus Äpfeln sind ebenfalls interessant. Besonderen Spaß an ihrer Arbeit dürfte Kostümbildnerin Mechthild Baumsteiger gehabt haben, denn Lillys Arbeiten sind wirklich originell; selbstredend trägt auch sie selbst keine Kleidung von der Stange. Deutlich überm „Herzkino“-Schnitt liegt diesmal zudem die gute Musik von Andreas Weidinger.