Die Rosemores feiern den 55. Geburtstag von Vater Edward. Was die Familie nicht weiß: Der erfolgreiche Schiffsmakler hat einen Gehirntumor – und hat nicht mehr lange zu leben. Deshalb will er alles für die Zeit nach seinem Tod perfekt vorbereiten. Seinen Sohn drängt er, endlich Verantwortung für die Firma zu übernehmen. Und seiner Frau präsentiert er ihre Jugendliebe als seinen neuen Skipper für ein letztes Geschenk, das er sich macht: einen stilvollen „Old-School“-Rahsegler. Damit möchte er unbedingt den legendären „Blue Cup“ holen. George Armstrong, ein leidenschaftlicher Segler, könnte es schaffen, ist sich der Todkranke sicher, und George und seine Frau Kate werden (wieder) ein glückliches Paar werden. Auch das ist so klar wie der Himmel über Cornwall. Allein seine minderjährige Tochter Eve könnte Edwards Pläne durchkreuzen: sie hat ein Auge auf George geworfen.
„Der gestohlene Sommer“ ist die 100. TV-Romanze nach den Romanen, Kurzgeschichten oder Exposés von Rosamunde Pilcher für eines der langlebigsten ZDF-Labels. Ob das ein Grund zum Feiern ist?! Der Mainzer Sender hat im Zuge der erfolgreichen Rührstück-Glückseligkeiten aus Nordengland, die 1993 mit „Stürmische Begegnung“ und mit Sophie von Kessel und Rolf Hoppe ansehnlich ihren Anfang nahmen, die Sonntag-Prime-Time zur romantischen Zone erklärt. Mit Marken wie „Inga Lindström“, „Katie Fforde“ oder „Emilie Richards“ hat man nachgelegt und versucht mal mehr, mal weniger gelungen, das Melodram mit komödiantischen Momenten, Zeitgeistigem und einer frischeren Note des Spiels und der Inszenierung zu beleben. Bei Pilcher bleibt dagegen alles im Rahmen very britischer Distanziertheit. Da dominieren hoch herrschaftliches Ambiente, eher konservative Wertvorstellungen und landschaftliches Idyll über Story, Charaktere und Dramaturgie.
Auch „Der gestohlene Sommer“ dürfte jedem Zuschauer mit ästhetisch und dramaturgisch geschultem Blick gestohlen bleiben. Die Figuren verkommen zu Erfüllungsgehilfen der Handlung; sie werden hin und her geschoben in einem stereotypen Geflecht aus Zufallen, Konflikten und „seltsamen“, schwer nachvollziehbaren Verhaltensweisen. Würden die Menschen nur ein Mal in den Pilcher-Geschichten miteinander reden, dann bliebe den Zuschauern Vieles erspart. Würde sich der todkranke Edward Rosemore seiner Familie erklären, würden sich die meisten Probleme in Wohlgefallen auflösen. Pilchers Dramaturgie würde wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen. Die Lehre, dass Reden hilft, kann man als Zuschauer zumindest über diesen Umweg aus den Cornwallschen Schmonzetten ziehen.
Wahrscheinlich könnte das ZDF die Fans der Reihe auch mit einer Landschaftstapete beglücken. Die Inszenierung jedenfalls orientiert sich nicht an der filmischen Seelen-Ikonographie wie im traditionsreichen Kino-Melodram, sondern setzt auf den schnellen Augenreiz der Postkartenästhetik. In „Der gestohlene Sommer“ glänzen Landschaft, Sonne und Meer allerdings mitunter schon recht verführerisch. Wenn dann noch ein Rolls Royce vor dem Cottage mit atemberaubender Aussicht vorfährt, wenn ein Segeltörn mit der Sehnsucht nach Freiheit und Seeluft spielt und schließlich noch ein geschickter dramaturgischer Kniff am Ende dem Tod ein versöhnliches Antlitz verleiht – dann merkt man, dass solch ein Seelen-Balsam ab und an gar nicht so verkehrt sein muss. (Text-Stand: 14.9.2011)