Ein Luxushotel in Travemünde, ein Politiker liegt tot in der Badewanne. Ein typisches Selbstmordszenario – ein bisschen zu typisch für die Kommissarin Tina Campenhausen. Als wenig später ihre Schwester Jenny vor der Tür steht, zu der sie seit ihrer Kindheit keinen Kontakt mehr hatte, reagiert sie seltsam. All die Jahre hat sie nicht einmal dem eigenen Ehemann von ihrer Schwester erzählt. So furchtbar, wie sie als Kind gewesen sein soll, scheint sie heute gar nicht mehr zu sein. Vor allem Tinas Tochter Marie schließt die phantasievolle Tante in ihr Herz. Auch Kripo-Kollege Christoph ist von ihr angetan. Tina schweigt sich weiterhin aus. Vielleicht auch – weil sie Jenny schützen will, von der sie ahnt, dass sie etwas mit dem Tod des Politikers zu tun haben könnte. Denn mit diesem Brederstein, wie er sich heute nennt, hatten beide in ihrer Kindheit schlimme Erfahrungen machen müssen.
Inhaltsbeschreibungen von Thrillern sind ein Eiertanz – so wie das Genre selber. Insbesondere im Fernsehen, wo das Realitätsdiktat unsichtbar über allen Geschichten schwebt. Also muss man sich durchmogeln, um „die heikle Gratwanderung zwischen psychologischer Glaubwürdigkeit und möglichst effektvoller, durchgängiger Spannung“, wie es Redakteur Pit Rampelt nennt, zu bestehen. Die „Künstlichkeit“ der Thriller-Konstruktion, das bewusste Zurückhalten von Informationen, um die Handlung in Gang zu halten, ja um sie überhaupt zu legitimieren, ist eine Bürde. „Racheengel – Ein eiskalter Plan“ überspielt das logische Dilemma, indem die „Verzögerung“ der Vergangenheits(auf)klärung durch die Verschlossenheit der Hauptfigur motiviert wird, die in einem Schuldkomplex ihre Ursache besitzt. Das ist und bleibt ein Trick, mit dem sich das Genre behelfen muss. Will sagen: Um Thriller wie „Racheengel“ goutieren zu können, muss man sich (wie bei allen klassisch erzählten Genres) ziemlich dumm stellen. Außerdem verrät der Filmtitel dem, der mit dem Genre einigermaßen vertraut ist, mehr, als nötig gewesen wäre. Weniger knallig, wäre die Genre-Verabredung lockerer und würde dem Zuschauer größere Möglichkeiten geben, die Zeichen selbst zu „lesen“.
Foto: ZDF / Stephan Persch
Und es gibt einiges zu „lesen“: So gelingt es Gesine Cukrowski, helle und dunkle Töne gleichermaßen zu treffen und die Sprödigkeit, die diese an den Tag legt, wird von Katharina Wackernagel mit einer Weichheit konterkariert, die in der Lage ist, für gelegentliche Irritationen in Sachen Sympathieverteilung zu sorgen. Koeberlin überzeugt einmal mehr als der Kumpel schlechthin. Und der Februar 2010 sorgte dafür, dass der „Eiskalte Plan“ auch in die richtige Ästhetik gepackt wurde. „Die monochrome Kälte außen und die Schein trügende Wärme innen, wurden zum leitenden Gedanken der Farbdramaturgie“, so Produzent Wolfgang Cimera. Eigentlich sollte der Film im frühen Herbst gedreht werden. So hätte man die psychologischen Ungereimtheiten der Story nicht so gut hinter den Bildern von klirrender Kälte verstecken können. Vor allem der Winter hat diesen ZDF-Thriller also gerettet.