R.I.S. – Die Sprache der Toten

Julian Weigend, Jana Klinge & der sehenswerte geklonte Klon einer Serien-Kopie

Foto: Sat 1
Foto Tilmann P. Gangloff

Die Serie, die aussieht wie ein Zwilling der RTL-Serie „Post Mortem“, basiert auf einer gleichnamigen italienischen Erfolgsserie, die ihrerseits stark an „CSI“ angelehnt ist. Die Optik aber sieht aus, als hätte man ein Computerprogramm mit den Stilmitteln von „24“ gefüttert. Jump-Cuts, Zeitraffer, Zeitlupe, Flashbacks, Freeze-Frames, Split-Screen: alles da. Spannend, gut besetzt und dramaturgisch dicht erzählt, sind die ersten Folgen auch noch!

Als Sat.1 diese Krimiserie 2007 erstmals ausgestrahlt hat, wurde sie tollkühn direkt gegen den „Tatort“ platziert. Dahinter steckte die Hoffnung, die deutsche Produktion könne sich auf einem Sendeplatz behaupten, auf dem die Sat-1-Zuschauer US-Krimiware gewöhnt waren („Navy CIS“, „Criminal Minds“). Voraussetzung dafür wäre allerdings eine fast schon dialektische Haltung des Publikums gewesen, das in jener Zeit gegenüber deutschen Serien ausgesprochen skeptisch war: Es hätte akzeptieren müssen, dass ein deutscher Handlungsort (Berlin!) & deutsche Schauspieler gewissermaßen in amerikanischer Verpackung auftreten.

Davon abgesehen stellte sich die Frage, ob die Zuschauer mit der Kopie zufrieden sein würden, schließlich gab es mehrmals pro Woche diverse Originale aus der „CSI“-Familie. Zu guter Letzt war „R.I.S.“ auch noch die Kopie einer Kopie: Die Serie basiert auf einer gleichnamigen italienischen Erfolgsserie, die ihrerseits stark an „CSI“ angelehnt ist. Kein Wunder, dass der geklonte Klon wie ein Zwilling der ähnlichen RTL-Serie „Post Mortem“ wirkte, denn auch diese Produktion orientierte sich am damals wie heute wohl erfolgreichsten Serienpaket der Welt. „Post Mortem“ hat allerdings einen Vorteil gegenüber „R.I.S.“: Hannes Jaenicke ist ein Charakterkopf, der eine Serie prägen kann. „R.I.S.“ hat Julian Weigend zu bieten, der zumindest in Sachen Popularität nicht in der gleichen Liga spielt. Die Optik aber sieht aus, als hätte man ein Computerprogramm mit den Stilmitteln von „24“ gefüttert. Zuschauer mit einer Vorliebe für modernistische Bildsprache werden ihre Freude haben. Jump-Cuts, Zeitraffer, Zeitlupe, Flashbacks, Freeze-Frames, Split-Screen: alles da. Immerhin ergänzen sich Stil und High-Tech-Inhalt. Dafür ist die Musik ungewöhnlich zurückhaltend.

R.I.S. – Die Sprache der TotenFoto: Sat 1
Lang, lang ist es her, da wollte Sat 1 eine eigene Duftmarke im Krimi-Serien-Bereich setzen. „R.I.S. – Die Sprache der Toten“ war ein solcher Versuch mit namhaften Regisseuren und einer interessanten Stammbesetzung: Tillbert Strahl-Schäfer, Jana Klinge, Julian Weigend, Proschat Madani, Hansa Czypionka

Wie in den US-Serien steht die Kleinarbeit der Kriminaltechniker einer „Rechtsmedizinischen investigativen Sonderkommission“ im Mittelpunkt. Die Biologen und Chemiker rekonstruieren mit Hilfe winzigster Partikel den Tathergang und überführen auf diese Weise schließlich die Täter. Das ist im Detail immer wieder faszinierend, wenn etwa im Labor diverse Gläser zerdeppert werden, weil einem R.I.S.-Mitarbeiter die Verteilung von Glassplittern am Tatort seltsam erschien; oder wenn Schneider, die graue Eminenz der Truppe (Hansa Czypionka), mit Hilfe mikroskopisch kleiner Lacksplitter herausfindet, dass ein Nachtclubbesitzer den Notausgang zugeparkt hat, was eine Rollstuhlfahrerin bei einem Brand das Leben kostete.

Während die Ermittler in den „CSI“-Vorbildern kein Privatleben haben, tragen ihre deutschen Kollegen allesamt schwer an unterschiedlichsten Schicksalsschlägen: R.I.S.-Leiter Jacobi hat seine Frau bei einem Bombenanschlag und seither jede Lebensfreude verloren; die neue Kollegin, ein vermeintlicher Sonnenschein, ist vor einigen Jahren vergewaltigt worden; und Schneider war mal Staatsskeptiker, hat aber die Seiten gewechselt, als seine Tochter Opfer eines Autounfalls mit Fahrerflucht wurde. Seither sitzt sie im Rollstuhl, was erklärt, warum er gegenüber dem Nachtclubbesitzer schon mal ausrastet. All das wird zunächst nur angedeutet und erst über mehrere Folgen hinweg offenbart. Die Serie lebt also nicht zuletzt davon, dass man mehr erfahren will. Die Auftaktepisode endet zudem offen: Die Handlung beginnt mit der Explosion eines mobilen Telefons, dann folgt eine Rückblende, in der die beiden ersten Fälle erzählt werden. In Zwischenschnitten ist immer wieder ein Mann zu sehen, der ein Telefon präpariert. Am Ende deponiert er eine Bombe in einer Kirche; Fortsetzung folgt.

Sat.1 hat die Drehbücher eigens ins Englische übersetzen lassen, damit sie der amerikanische Drehbuchautor Noah Baylin überarbeiten kann. Das mag etwas übertrieben erscheinen, doch die ersten Folgen (Regie: Miguel Alexandre) sind sehr dicht erzählt. Auf dem Regiestuhl sitzen und hinter der Kamera stehen ausschließlich erfahrene Profis, die in der Regel sonst nur hochkarätige 90-Minüter drehen. „R.I.S.“ ist also nicht weniger sehenswert als „Post Mortem“ und zudem längst nicht so unterkühlt wie die Produktionen aus der „CSI“-Familie.

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Serie & Mehrteiler

Mit Julian Weigend, Jana Klinge, Tillbert Strahl-Schäfer, Proschat Madani, Hansa Czypionka, Nicole Marischka, Catherine Bode

Kamera: Andreas Doub (Folgen 1-3, 10-12), Roman Nowacien (4-9)

Soundtrack: Depeche Mode („It’s No Good“, Titelsong)

Produktionsfirma: Producers at Work

Drehbuch: Frank Koopmann

Regie: Miguel Alexandre, Florian Froschmayer, Winfried Bonengel, Florian Schwarz

EA: 25.03.2007 20:15 Uhr | Sat 1

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