Prinzessin Maleen und Landgraf Konrad kennen sich seit Kindertagen, sie lieben sich und haben einander versprochen. Doch Fürst Theodor hält diesen verarmten Adelsspross als Ehemann für seine einzige Tochter für nicht standesgemäß. Weil sich Maleen ihm widersetzt, lässt sie ihr Vater, der nicht umsonst „Theodor der Unbeugsame“ genannt wird, sieben Jahre in den Burgturm sperren. Danach ist nichts mehr, wie es war. Ihr Vater ist tot, das Anwesen zerstört, das Land verwüstet. Und auch Maleen hat sich verändert. Sie ist nicht mehr die unbeschwerte Prinzessin, die mit den Pflanzen spricht. Als ihr Optimismus sie vollends zu verlassen scheint, macht ihr ein seltsamer Greis Mut: „Geh zu, Maleen, und finde das Glück in deinem Herzen.“ Und tatsächlich, bald scheint ihr das Glück wieder hold zu sein. Hungrig und ermattet gerät sie auf das verschuldete Gut von Konrad, der seine Geliebte tot glaubt und deshalb die Hochwohlgeborene und mit Reichtum gesegnete Walpurga ehelichen wird. Aber nicht nur ihr Gesicht ist entstellt, auch in ihrer Seele ist keine Schönheit – und so verfolgt sie einen mörderischen Plan, für den sie die unwissende Maleen zum Mitmachen zwingt.
Märchen gehören traditionsgemäß zur Gebrauchsliteratur. „Prinzessin Maleen“ nach dem weniger bekannten Grimmschen Märchen „Jungfrau Maleen“ zeigt einem das überdeutlich. Die Jungfrau im Turm oder die falsche Braut wirken wie Versatzstücke aus anderen, bekannteren Märchen. Oder die adlige Tochter, die sich dem Willen des mächtigen Vaters widersetzt und so die Handlung in Gang setzt, findet sich beispielsweise auch in „Die Salzprinzessin“, einem weiteren 2015 in der Reihe „Sechs auf einen Streich“ verfilmten Grimmschen Märchen. Anders aber als in dieser Geschichte entsteht in „Prinzessin Maleen“ kein nachhaltiger Konflikt zwischen den Generationen. Der Sechzigminüter ist im Hauptteil eher strukturiert wie eine mythologische Heldinnenreise; besitzt ohnehin wenig von jener inneren Spannung, die aus den Figuren kommt. Auch die Narration besitzt nichts von der Erzähl- oder Psycho-Logik, wie wir sie heute kennen. Das ist nicht weiter schlimm, nur Gewöhnungssache. Die dürftige Moral von der Geschicht’ dagegen stößt einem schon beträchtlich auf: Liebe siegt, das Gute sowieso und unterkriegen lassen sollte man sich auch nicht. Da könnte man sich auch mal was Klügeres einfallen lassen. Wie gesagt: Märchen waren und sind „Gebrauchsgegenstände“. Deshalb ist es prinzipiell nicht verkehrt, den eineinhalb Jahrhunderte alten Geschichten ein neues Gewand zu geben, sie zu verdichten, zu pointieren, zu ironisieren oder die oft konservativen Rollenbilder kreativ zu hinterfragen. Mehr Mut zu einer moderaten Neuinterpretation jedenfalls hätte „Prinzessin Maleen“ gut getan.
Dramaturgisch hätte man auch mehr „modernisieren“ müssen. Das ist doch ein arg dünner Handlungsfaden – zu Beginn ein Knoten, der Bruch mit dem Vater und die Strafe, und dann am Ende wieder ein Knoten, eine böse Intrige, die dem Geliebten, das Leben kosten soll. Interaktion im heutigen Sinne gibt es in diesem Märchen nicht. Es gibt die Guten und die abgrundtief Bösen („Nichts Gutes spricht aus Ihrem Blick“), die nach den sieben Jahren ausgetauscht werden: Aus Baron Raimund, den Götz Otto so plakativ & laut spielt, wie er seit 20 Jahren jeden seiner Bösewichter spielt, wird Walpurga, verkörpert von Mariella Ahrens, auch keine Actrice, die für übermäßige Raffinesse bekannt wäre. So schlecht überzeichnet diese Figuren sind, so langweilig in ihrer naiven Herzensgüte ist das sich versprochene Paar. Peter Foyse („Rote Rosen“) fehlt es an Ausstrahlung und bei Cleo von Adelsheim fragt man sich nach 58 Minuten immer noch, was man von ihr halten solle. Ihr hübsches Aussehen jedenfalls ist das Einzige in diesem Märchen, das Bestand hat. Und auch der Name passt.
Die Inszenierung schwankt in ihrer Qualität. Zu Beginn sorgen die zahlreichen verkleideten Statisten für oberbayerischen Ritter- und Laientheaterflair – und die Musik spuckt viel zu große Töne: Romantik wird behauptet, doch zu spüren ist nichts als Kitsch. Wenigstens chargiert Halmer einigermaßen mit Stil und Verstand. Nach dem schwachen 1. Akt schließt zumindest ein filmästhetisch ansehnlicher Hauptteil an. Das Natürliche, die Prinzessin, verloren in der verwüsteten Landschaft – und endlich merkt man, dass mit Matthias Steurer ein Profi den Film inszeniert hat. Jetzt bekommen die Bilder gelegentlich etwas Ursprüngliches und sie korrespondieren mit einer hübschen – ebenfalls gewöhnungsbedürftigen – Idee, die Heldin mitunter in Reimen sprechen zu lassen: „So komm doch schlafen, laue Nacht, vom Liebsten will ich träumen sacht.“ (Auch das Ursprungsmärchen hatte eine sprachliche Besonderheit: Die Dialoge waren teilweise im Dialekt geschrieben). Auf der Zielgeraden dann kommt Spannung ins Spiel, kombiniert mit etwas retardierendem Augenzwinkern. Wäre die Chemie zwischen dem Paar besser, man könnte richtig Spaß haben. (Text-Stand: 2.12.2015)