„Liebe Landsleute, wir sind heute zu Ihnen gekommen, um Ihnen mitzuteilen, dass heute Ihre Ausreise …“ Der Rest des Satzes („in die Bundesrepublik Deutschland möglich sein wird“), den der damalige Außenminister Hans-Dietrich Genscher vom Balkon der Prager Botschaft den rund 4000 DDR-Flüchtlingen zurief, ging im Jubelgeschrei der Menge unter. Tränen der Freude nach Wochen der Anspannung. Ausharren auf engstem Raum, unzureichende Versorgung, nicht wissen, was die Zukunft bringt. Dieser Satz ließ all das Gewesene vergessen. Den überglücklichen Ex-DDR-Bürgern ermöglichte er den ersehnten Neuanfang im Westen. Politisch gesehen beschleunigten die Ereignisse von Prag den Abgesang der DDR und machten den Weg frei für die deutsche Wiedervereinigung – nur ein Jahr später.
Bei der Heldin des RTL-Politdramas „Prager Botschaft“ mischen sich die Tränen der Freude mit Tränen des Schmerzes. Ihre Liebsten sind nicht bei ihr, können aller Wahrscheinlichkeit nach nicht mit ausreisen. Dabei hatte ihr Mann Stefan die Idee, „rüberzumachen“. Ihre Hochzeitsreise nach Prag war die beste Tarnung. Alles hatte Stefan bis ins Detail geplant. Bettina sollte in der Botschaft ausharren, derweil er ihren Sohn nachholen würde. Was allerdings nicht zu planen war: der beste Freund der beiden, der sie schon länger bespitzelte, verpfeift ihn an die Stasi. Ein Sicherheitsrisiko für die gemeinsame Zukunft der Familie ganz anderer Art ist Georg Stein. Er ist der Kulturattaché in der Prager Botschaft und war vor Jahren der Geliebte Bettinas. Er wollte sie in den Westen holen, doch sie entschied sich damals im letzten Augenblick für Stefan und die DDR.
Wer gedacht hätte, die deutsch-deutsche Geschichte ist allein etwas für ARD und ZDF, sieht sich angenehm getäuscht. Zwar geht heute kaum ein historisches Drama ohne Liebesdreieck, aber Autorin Rodica Döhnert schlachtet die Leidenschaften nicht emotionalisierend, sondern allenfalls dramaturgisch aus: Statt eines verspäteten „Zweikampfs“ der männlichen Konkurrenten mutiert der Ex-Freund zu einem in jeder Hinsicht diplomatischen Helfershelfer. „Es geht nicht vordergründig um eine Liebesgeschichte, sondern um Charaktere, die stellvertretend für die Menschen jener revolutionären Tage stehen“, betont denn auch die Drehbuchautorin Rodica Döhnert.
Dass die Charaktere mehr sind als nur Steigbügelhalter für ein Melodram vor historischem Hintergrund, das liegt auch an den Schauspielern. Keine Stars, sondern neben Hans-Werner Meyer in vorderster Reihe am Prager Zaun Schauspieler, die zu den Ausnahmetalenten der jüngeren Generation zählen: Christoph Bach, Valerie Koch, Hinnerk Schönemann und vor allem die Hauptdarstellerin, die doppelte Grimme-Preisträgerin Anneke Kim Sarnau. Sie bezeichnet die Rolle als ein Glücksfall. In ihrer Figur, auf ihrem Gesicht spiegeln sich die menschlichen Dramen, die Stimmungsschwankungen und Gefühlslagen jener Tage. In einer Szene kann ihre Bettina der DDR-Obrigkeit mal so richtig die Meinung sagen. Sarnau selbst kann sich ähnlich ereifern: „In der DDR wurden Reformwünsche einfach für verfassungswidrig erklärt. Das ist eine bodenlose Frechheit!“ (Text-Stand: 23.9.2007)