Ein junger Rocker und eine stadtbekannte Hebamme, die zur falschen Zeit am falschen Ort war, sind brutal ermordet worden. Ein Fall, bei dem Katrin König vorprescht. Rocker – das ist LKA-Sache. Umso erfreuter ist die ehrgeizige Beamtin, als ein hochrangiges Mitglied jener „Satanic Rider“ auspacken will über die kriminellen Machenschaften seiner Gang. Sofort steht ein „Safe House“ zur Verfügung. Es herrscht höchste Geheimstufe. Über Schutzgeld-Erpressung, Raub, Waffenhandel und erzwungene Prostitution weiß jener „Road-Captain“ einiges zu berichten, doch zum Mordfall liefert er nichts Brauchbares. Bukow ist angefressen über den Alleingang der Kollegin, der die Ermittlungen seiner Mordkommission nicht weiter bringt. Er selbst beißt sich am Schweigen der Rocker die Zähne aus. Mehr Glück hat er bei der Freundin des Ermordeten. Dann wehrt sich der „President“ auf seine Art: MG in die Hand und rauf auf die Harley – in der Hoffnung, dass Polizist Pöschel sein Leben etwas wert ist.
Foto: NDR / Christine Schroeder
Regisseur Eoin Moore, der auch das Drehbuch schrieb, war es wichtig, dass das Rostocker Ermittler-Pärchen seine ursprüngliche Rauheit, das Gebrochene und das Unvorhersehbare, nicht verliert. Auch wenn die Krimisujets Zeugenschutz und Rockermilieu erahnen lassen, wohin die Reise spannungstechnisch gehen wird, so legt auch der sechste „Polizeiruf 110“ aus Rostock noch jede Menge Spontaneität, Wildheit und Rotzigkeit an den Tag. Story, Charaktere und viele Situationen, Szenen sind stark. Die Verhöre des Kronzeugen beispielsweise durch die ihrer Sache etwas zu sichere LKA-Frau, die immer wieder mit Gegenfragen durch jenen Rocker vom alten Schlag auf ihre eigene Biographie zurückgeworfen wird. Sie war ein Findel- und Heimkind erfährt der Zuschauer nebenbei. Katrin König, bislang eine Heldin ohne Eigenschaften, bekommt Konturen, ihre Biografie nimmt unerwartete Wendungen. Ob wohl ihr Konfirmanden-Outfit mit der nicht allzu geschmackssicher aufgetragenen Schminke auch in diesem „alles neu“-Zusammenhang gesehen werden muss?! Auch wenn König und Bukow diesen Fall weitgehend getrennt ermitteln, was nicht unrealistisch ist, und sie sich gelegentlich nicht gut genug abstimmen, so entschlüsseln sie doch am Ende beide den Mordfall: König mit Logik und Verstand, Bukow mit einer Art „Psychointuition“, wie es sein Darsteller Charly Hübner nennt. Und bei allem Gemotze: in der Schlussszene ist dann wieder viel Sympathie zwischen den beiden spürbar.
Die Stärke von „Stillschweigen“ ist, dass die Welt der Rocker das Physische des Rostocker „Polizeirufs“ aufnimmt und zugleich auch das analytische Moment, das von König verkörpert wird, in die Story integriert wird. So entsteht ein von der Handlung verordneter homogener Mix aus angestautem Testosteron und psychologischer Kammerspiel-Dichte, aus Aktion und Dialog. Neben dem Promi-Trio Sarnau, Hübner und Sarbacher gibt es mal wieder im „Polizeiruf“ aus Rostock neue Gesichter zu entdecken: Alessija Lause, Lilith Stangenberg und Paul Maaß. Eine sichere Bank im Rollenfach der harten Jungs zwischen Türsteher-Mentalität und Irrsinn: Dirk Borchardt. Sie alle sind die ideale Besetzung für ein Konfliktlösungspotenzial, das Moore für den NDR-„Polizeiruf 110“ wie folgt beschreibt: „Wenn da Leute festgenommen werden sollen, diskutieren sie in der Regel nicht, sondern sie flüchten, sie schießen zurück, sie hauen zu, wenn jemand sie in eine Zelle sperren will.“ (Text-Stand: 27.8.2012)