Polizeiruf 110 – Mörderkind

Jutta Hoffmann, Stadlober, Matthes, Kolditz, Geschonneck. Poetischer Provinzkrimi

Foto: RBB / Conny Klein
Foto Rainer Tittelbach

Ihre Hosen sind weit, ihr Blick ist kritisch, ihre Haltung offen. Mit dem „Polizeiruf 110 – Mörderkind“ feierte der DDR-Star Jutta Hoffmann als Potsdamer Kommissarin Wanda Rosenbaum 1999 einen Einstand nach Maß. Für das vermeintlich kleine Krimidrama wurde groß aufgefahren: Stefan Kolditz, Matti Geschonneck, Ulrich Matthes und Jungtalent Robert Stadlober – dazu der Schauplatz Gröben, eine gottverlassene Gegend, die den Erzählrhythmus des Films weitgehend bestimmt. Und dann dieser ätherische Charakter Rosenbaum, sichtlich angewidert vom männlichen Beamtenapparat (doch leider nur drei Mal im Einsatz).

Selbstbewuss führt sie sich ein, die neue Kommissarin des ORB-„Polizeiruf 110“ Wanda Rosenbaum, gespielt von Jutta Hoffmann. Dem Technokraten-Zackzack ihres neuen Vorgesetzten begegnet sie mit Sarkasmus. „In meiner letzten Dienststelle haben wir Schmiergelder kassiert, Joints geraucht, Verhaftete misshandelt. Ich werde mich also umstellen müssen.“ Bei ihrem ersten Fall muss sie umso mehr Verständnis und Sensibilität aufbringen. Denn sie hat es, wie der Titel von Stefan Kolditz‘ und Matti Geschonnecks Provinz-Krimi aus Brandenburg nahelegt, mit einem vermeintlichen „Mörderkind“ zu tun.

Er liebt Tiere, aber auch seinen Computer. Der 13jährige Mark ist ein Sonderling, er klaut, ist widerspenstig und alle im Dorf würden ihm den Mord an der 15jährigen Jennifer zutrauen. Als er den Mord gesteht, will der Staatsanwalt die Sache lieber unter den Teppich kehren. „Wir sollten davon ausgehen, dass der Junge lügt und sich nur wichtig machen will.“ Im Kampf um Investoren und Touristen ist für Brandenburg solch ein Fall Gift. Als zu Blutspuren auf Marks Hemd Spermaspuren hinzukommen, die nicht von dem Jungen stammen, kommt erneut Bewegung in den Fall. 43 Männer des Dorfs müssen sich einer Blut- und Spermaprobe unterziehen. Ein Täter ist bald gefunden, doch Mark verhält sich weiterhin auffällig.

Groß aufgefahren für einen kleinen Film haben Cooky Ziesche (ORB) und Regisseur Geschonneck: neben der Hoffmann („die Rosenbaum kann aus ihrer Lebenserfahrung heraus mit Menschen umgehen“) als Nachfolgerin von Katrin Sass spielen Horst Krause („Der   Schnapper“), Dominique Horwitz („Trickser“) und Ulrich Matthes („Winterschläfer“) – auch die anderen können sich sehen lassen. Ansonsten: Schauplatz Gröben, eine gottverdammte Gegend, schon einmal entstand hier ein „Polizeiruf 110“, Bernd Böhlichs „Kurzer Traum“.

Polizeiruf 110 – MörderkindFoto: RBB / Conny Klein
Wachtmeister Horst Krause hat eine neue Vorgesetzte: vielversprechender Einstand für Jutta Hoffmanns Kommissarin Wanda Rosenbaum im Potsdamer „Polizeiruf 110“

Die Gegend, die Landschaft, bestimmt den Erzählrhythmus von „Mörderkind“. Anfangs fällt der Blick auf blühende Sommerwiesen, doch mit dem Mord kommt der Regen. Ganz so gemütlich geht es dann in dem Dorf, in dem kaum einer Arbeit hat, nicht mehr zu. Die Bevölkerung ist abweisend, auch hier hat die neue Kommissarin einen schweren Stand. Kein Wunder in einem Dorf, in dem der Sohn des Bürgermeisters vom Pfarrer ist. Allein beim etwas tappigen Gendarmen Krause findet Wanda Rosenbaum liebenswerte Unterstützung.

Die Geschichte wird getragen von der Einheit von Ort, Zeit und Handlung, wie oft bei den ORB-Krimis. Ziesche: „Ansonsten bevorzugen wir anekdotisch erzählte, psychologisch genaue Geschichten.“ Für solche poetischen Dramen ist Geschonneck genau der Richtige. „Mörderkind“ inszenierte er mit mehr Hang zum Menschlichen als gewohnt. Es wird schnell klar, dass hier neben dem Krimi eine Milieu- und soziale Krankheitsgeschichte erzählt wird: Die Biographie eines Jungen, der früh zum Außenseiter in seinem Dorf gestempelt wurde, eindrucksvoll mit Ecken und Kanten gespielt von Robert Stadlober, wurde so zum Zentrum des Films, ohne aus dem „Polizeiruf“ ein Betroffenheitsdrama zu machen. (Text-Stand: 1999)

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Reihe

rbb

Mit Jutta Hoffmann, Horst Krause, Robert Stadlober, Ulrich Matthes, Dominique Horwitz, Christina Drechsler, Martin Armknecht, Katrin Angerer

Kamera: Sebastian Richter

Schnitt: Karola Mittelstädt

Produktionsfirma: Thomas Wilkening Filmgesellschaft

Drehbuch: Stefan Kolditz, Thomas Wilkening

Regie: Matti Geschonneck

EA: 14.03.1999 20:15 Uhr | ARD

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