Wo einst der Märchenkönig Ludwig II. über Nacht im Wasser verschwand, schwimmt nun die Leiche eines Top-Managers. Genau dieser Gegensatz im weißblauen Stoiber-Land ist die markante Triebfeder des neuen BR-”Polizeirufs”. Autor Wolfgang Limmer hat sich, wie er sagt, bewusst auf “die Traumhochzeit von Weißbier und White Collar, von High-Tech und Heiterkeit, von Laptop und Lederhose” eingelassen. Und Grimme-Preisträger Ulrich Stark hat bei “Kopfgeldjäger” versucht, die Rhetorik der Mausklick-Generation mit dem guten alten Chiemgau-Mythos sinnlich zu koppeln. Unterstützt wird er dabei von namhaften Akteuren wie Gaby Dohm, Edgar Selge, Christian Berkel und Peter Sattmann.
Während eines Persönlichkeitsseminars für Führungskräfte kommt ein Teilnehmer zu Tode. Kommissar Tauber und die Polizeipsychologin Jansen stehen vor keiner leichten Aufgabe. Der glatte Chef-Coach Ortheil scheint alles unter Kontrolle zu haben. Das Verhör verkauft er der Gruppe als Simulationsspiel: ein Teilnehmer fehlt, wer hat ihn umgebracht? Aufschlüsse über die Praktiken im Seminar geben geheime Videoaufzeichnungen. Sind das nur harmlose Spielchen oder findet in der Idylle eine systematische Verletzung der Persönlichkeit statt? Und welche Rolle spielt in der Fast-Männerrunde der “Pussy-Faktor” in Gestalt der Polin Krista?
Die Seele ist käuflich. Faustische Zeiten beschwört die Story um jene “emotional Magersüchtigen”, denen Job alles bedeutet und die sich per Crashkurs die Optimierung von Leistung und Effizienz erhoffen. “Wenn zum Leiden das Bewusstsein des Leidens gehört, leiden sie nicht”, glaubt Autor Limmer. Der langjährige Journalist hat viel recherchiert, besonders beeindruckt hat ihn der Seelenbrecher-Satz: “Das Leben ist bedeutungslos und es hat keine Bedeutung, dass es bedeutungslos ist.” Auch alle anderen Sätze, die Psycho-Scharlatan Ortheil im Film suggestiv herunterbetet, stammen aus realen Trainings-Programmen. Das hört sich dann so an: “Dort draussen herrscht Krieg. Das Schlachtfeld nennt man Markt, die Waffen Produkte. Und Ihr seid hier, weil Ihr zur Elite-Truppe gehören wollt!? Dieser Krieg kennt keine Genfer Konvention. Wenn Ihr mit einem Produkt auf den Markt geht, werdet Ihr keine Gefangenen machen. Dann heisst es, Du oder Ich!”
Wo die Seele zur Nutzfläche verkommt, wo sie von Zwängen eingesperrt wird müssen anders gepolte Menschen wie das Ermittler-Duo reagieren: auffallend, dass der zynische Tauber, in dessen Psyche sich wohl selbst ungeahnte Abgründe auftun, geradezu ausflippt ob dieser generalstabsmäßigen Gehirnwäsche. Überhaupt, er ist das Zentrum im fünften und bisher besten bayerischen “Polizeiruf 110”. Edgar Selge spielt den “einarmigen Banditen”, wie Tauber sich selbst nennt, direkt, pietätlos, arrogant bis leicht neurotisch. “Er wirkt in seiner Unterkühltheit phasenweise fast poetisch”, so Redakteurin Cornelia Ackers. In Realität jedenfalls möchte man ihm nicht begegnen. (Text-Stand: 21.11.1999)