Polizeiruf 110 – Kleine Frau

Imogen Kogge, Andreas Kleinert, Stefan Rogall und das Beste aus Brandenburg

Foto: RBB / Sandor Domonkos
Foto Rainer Tittelbach

Johanna Herz beim Klassentreffen. Danach der Schock: Eine der Freundinnen hat offenbar ihren Sohn umgebracht. Die Kommissarin kann es nicht glauben. Andreas Kleinert hat die Figur für Imogen Kogge endlich erschlossen. Konzentriertes, stimmungsvolles Krimidrama mit einem Grauschleier auf den Seelen & einem ästhetischen Realismus der Extraklasse.

Bisher stand Imogen Kogge beim „Polizeiruf 110“ im Schatten ihrer Vorgängerinnen Katrin Saß und Jutta Hoffmann. Allzu nüchtern ging Johanna Herz in ihren ersten Fällen zu Werke. Und Kogge schien den „Makel“, kein „Ossi“ zu sein, damit wettmachen zu wollen, dass sie sich chamäleonhaft einpasste in die brandenburgische Tristesse und zumeist ein noch längeres Gesicht machte als weiland Katrin Saß nach der Wende. Das Herz-Blut fehlte. Und gegen die Vorgängerin, das Engelswesen Wanda Rosenbaum alias Jutta Hoffmann, das den Krimis eine ätherische Note gab, wirkte die Neue in Potsdam arg bodenständig und blass.

In „Kleine Frau“ werden die Grauzonen der Psyche ausgelotet und finden die Befindlichkeiten der Region ihre Projektionsfläche. Doch in dem Film von Andreas Kleinert stimmt das Farbenspiel. Es sieht so aus, als erlebe man hier die Neugeburt einer Kommissarin. Kogges Johanna Herz wirkt ungewohnt feminin, emotional und hoch engagiert. Endlich ist die renommierte Theaterfrau auf der Höhe ihrer TV-Rolle. „Wer einmal Imogen Kogge auf der Bühne oder in einem guten Film begegnet ist oder sie privat getroffen hat, wird sich ihr schwer entziehen können“, sagt Kleinert. Der Grimme-Preisträger hat die Figur für die Berlinerin endlich erschlossen. Seine Vorgänger konnten Kogge/ Herz nur wenig abgewinnen. Kleinert: „Mir scheint, dass Regisseure die Schauspieler oft nicht wirklich erkennen.“

Polizeiruf 110 – Kleine FrauFoto: RBB / Sandor Domonkos
Die Indizien gegen die alten Freundinnen häufen sich. Die einen haben Blut auf der Kleidung, die anderen schweigen. Verdächtig sind sie allen. Steffi Kühnert und Imogen Kogge

Es lag aber auch an den Geschichten und der Art, wie sie erzählt waren. Mit dem, was der „Polizeiruf“ aus Brandenburg Anfang der 90er Jahre, als es noch den ORB gab und es Grimme-Preise regnete, darstellte, hatten die Herz-Fälle nichts mehr gemein. Erst der fünfte, ein ungewöhnlich angelegter Vergewaltigungskrimi mit Anna Maria Mühe als Opfer, das zurückschlägt, schloss an die Qualität der alten Tage an. „Kleine Frau“ ist eine weitere Steigerung. Der Film, dessen Titel sich auf einen Song der DDR-Kultband Silly bezieht („So ’ne kleine Frau, und so ’ne große Lust. Und hat schon Kinder dreie und immer noch kein Frust“) ist ein Themenfilm, der die filmische Umsetzung genau so ernst nimmt wie das Thema. Kleinert: „Der Film zeigt verschiedene Varianten von Eltern-Kind-Beziehungen.“

Im Mittelpunkt stehen vier Frauen, die Kommissarin und drei alte Schulfreundinnen. Man hat sich aus den Augen verloren. Doch bei einem Klassentreffen wird vieles nachgeholt. Umso größer der Schock danach: Eine der Freundinnen hat offenbar ihren Sohn umgebracht. Johanna Herz kann es nicht glauben. War es wirklich „dieser abschätzige Blick vom eigenen Kind“, der ihre Freundin das alles hat nicht mehr ertragen lassen? War es die Gier des eigenen Sohnes nach ihrem mühsam Ersparten? Wie dem auch sei – das Thema ist akut, und es beißt sich bitter in das Bewusstsein des Zuschauers. Andreas Kleinert sieht es so: „In einer Zeit, in der moralische und humanistische Grundwerte ein Schattendasein führen, ist es für Eltern äußerst schwer, ihren Kindern etwas zu vermitteln.“ (Text-Stand: 6.1.2006)

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Reihe

rbb

Mit Imogen Kogge, Johanna Gastdorf, Steffi Kühnert, Karl Kranzkowski, Horst Krause, Pauline Knof, Marlon Kittel, Peter Prager, Luise Helm

Kamera: Thomas Plenert

Schnitt: Gisela Zick

Musik: Andreas Hoge

Produktionsfirma: Antaeus Film

Drehbuch: Stefan Rogall

Regie: Andreas Kleinert

EA: 06.01.2006 20:15 Uhr | ARD

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