Polizeiruf 110 – Käfer und Prinzessin

Maria Simon, Haberlandt, Lohmeyer, Thalheim. Liebeserklärung an Land & Film

Foto: RBB / Oliver Feist
Foto Rainer Tittelbach

Der „Polizeiruf 110“ aus Brandenburg bleibt sich treu. Landlust und der stille Frust über die „Verhältnisse“ stehen in „Käfer und Prinzessin“ im Zentrum der Geschichte. Es ist ein Film über (verlorene) Träume und Verrat an der gemeinsamen Sache. Es ist ein Beziehungsfilm vor und ein Liebesfilm hinter der Kamera. Denn die wunderbaren Schauspieler und Macher, allen voran Kino-Regisseur Thalheim („Netto“), lieben ihr Metier. Es ist kein Film für Spannungs-Fetischisten oder Til-Schweiger-Fans, sondern ein unaufgeregter Krimi, der das Ermitteln quasi als Spaziergang zeigt durch eine Landschaft, die lebt, und ein Licht, das strahlt.

Olga Lenski verschlägt es mal wieder in die brandenburgische Pampa. Ein Mitglied einer Biohof-Genossenschaft liegt tot in der Jauchegrube eines benachbarten Bauernhofs. Die Potsdamer Kommissarin ist ein wenig befangen – schließlich ist es nicht leicht, im privaten Umfeld einer ehemals besten Freundin zu ermitteln. Die Lebensgefährtin des Ermordeten ist Ruth Leiberg, vom Sandkasten bis zum Abitur waren sie und Lenski unzertrennlich. Die eine fand einen Ausbildungsplatz bei der Polizei, die andere ging nach Indien. Und jetzt kommt die Kommissarin mit der Hiobsbotschaft, dass einer der Biohof-Betreiber der Mörder ihres Freundes sein soll. Beziehungsdrama oder kommunalpolitische Kungelpolitik mit Todesfolge? Für beide Mordsvarianten gibt es Motive. Eine Frau zwischen zwei Männern, Veruntreuung von Genossenschaftseigentum, verseuchtes Ackerland – Konfliktpotenzial gibt es reichlich in der Landkommune. Auch Lenskis gute alte Freundin macht sich zunehmend verdächtig.

Polizeiruf 110 – Käfer und PrinzessinFoto: RBB / Oliver Feist
Die wunderbaren Schauspieler und Thalheims Inszenierung tragen den Whodunit zwischenzeitlich weg vom üblichen Krimi-Einerlei hin zu einer großen filmpoetischen Kraft, bevor „Käfer & Prinzessin“ auf der Zielgeraden mit tollen Twists überrascht.

Der „Polizeiruf 110“ aus Brandenburg bleibt sich treu. Landlust und der stille Frust über die „Verhältnisse“ stehen in „Käfer und Prinzessin“ im Zentrum der Geschichte, ohne dass lautstark Parolen geschwungen würden oder sich die Larmoyanz breitmacht. „So ’ne Öko-Kommune“, sagen die Hof-Nachbarn und man befürchtet als Zuschauer Schlimmes. Doch Autor Clemens Murath verzichtet auf oberflächliche Öko-Gemeinschaft- und Hippie-Klischees und Regisseur Robert Thalheim setzt auf Schauspieler, denen es Freude macht, lieber mit Landschaft, Räumen oder einem Gegenüber zu kommunizieren als mit der Gemeinschaft oder gar in Richtung Zuschauer. Jeder spielt ein Stück weit sein eigenes Spiel – das trifft auf fast alle Figuren zu. In den Kommunarden Harry, Paul, Gunnar und Ruth findet die mit einer gewissen Undurchschaubarkeit behaftete Einzelgängerin Lenski ihre Meister, so wie die völlig reduziert aufspielende, sich wie ein Kätzchen heranschleichende Maria Simon in Peter Lohmeyer, Fabian Busch, Godehard Giese und Fritzi Haberlandt ihre Meister findet.

Polizeiruf 110 – Käfer und PrinzessinFoto: RBB / Oliver Feist
Bewegliche Figuren, flexible Kamera, realismusorientierter Schnitt und ein magischer Soundtrack sind das filmästhetische Herzstück von Thalheims Film. Die beiden Kopfmenschen in diesem „Polizeiruf“ geraten spielerisch aneinander. Peter Lohmeyer und Maria Simon

Leise und wunderbar entschleunigte Zwei-Personen-Szenen, mal ganz intim, mal distanziert beim Gehen, sind das Herzstück des Films. Aber nicht nur aus dem Understatement der Schauspieler ergeben sich Zwischentöne und Poesie, sondern auch darin, wie das Land, wie die Menschen in der Landschaft eingefangen werden. Kameramann Henner Besuch springt für Fernsehverhältnisse auffallend häufig in die Totale, entsprechend sorgt auch die anmutige Montage von Andreas Radtke für eine beobachtende Erzählhaltung. Der Mensch, wie er sich bewegt, was ihn antreibt, wie er (auf)geht in der Landschaft. Daraus ergeben sich Geschichten, Menschengeschichten. Miniaturen. Der Blick dagegen ist Lenskis Waffe, sie beobachtet, konzentriert, einfühlsam, unbestechlich. Auch Lohmeyers Harry beherrscht diesen Blick (in der typischen männlichen Pokerface-Variante), der nichts von sich preisgibt.

„Käfer und Prinzessin“ ist kein Krimi für Spannungsfetischisten oder Til-Schweiger-Fans. Es ist ein völlig unaufgeregter „Polizeiruf 110“, der Ermittlungen beiläufig im Vorbeigehen zeigt. Es ist ein Beziehungsfilm vor und ein Liebesfilm hinter der Kamera. Denn die Schauspieler und Macher, allen voran Regisseur Thalheim („Netto“), lieben sichtbar(!) ihr Metier. Es ist auch ein Film über Träume, die die einen noch träumen wollen und die anderen längst aufgegeben haben. Auch ein Film über Verrat der gemeinsamen Sache. Vieles bleibt nur angedeutet im Film (wie Vieles in dieser Kritik dem Krimigenre zuliebe auch nur angedeutet bleibt). Der Zuschauer kann Vieles selbst zu Ende denken. „Ruth hat schon immer ihre Träume gelebt“, verrät Lenski ihrem getreuen Polizeihauptmeister Krause. „Sie nicht?“, fragt er zurück. Keine Antwort. Die Kommissarin wendet sich ab. „Mit Ihnen zu arbeiten ist doch schon auch ’n Traum“, kommt es wenig später (und wenig überzeugend) zurück. Die rationale Lenski setzte offenbar mit ihrem Beruf auf Sicherheit; ein Traum kann für sie dieser Job in der Provinz kaum sein. Bei diesem Fall dürfte sie es spüren. Ist das, was ihre ehemalige Busenfreundin lebt, nicht vielleicht doch das bessere Leben für eine Frau mit Kind? Olga Lenski würde es nie aussprechen. Und ob sie es denkt, wer weiß. (Text-Stand: 17.3.2014)

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Mit Maria Simon, Fritzi Haberlandt, Peter Lohmeyer, Horst Krause, Fabian Busch, Godehard Giese, Helene Grass, Rüdiger Klink, Sabine Vitua, Fritz Roth, Niels Bruno Schmidt und Andreas Pietschmann

Kamera: Henner Besuch

Szenenbild: Irina Kromayer

Musik: Uwe Bossenz, Anton Feist

Schnitt: Andreas Radtke

Produktionsfirma: Real Film

Drehbuch: Clemens Murath

Regie: Robert Thalheim

Quote: 8,54 Mio. Zuschauer (23,5% MA)

EA: 06.04.2014 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

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