Die deutsche Nachdenklichkeit ist ihm ein Graus. Rührseligkeit ist ihm zuwider, im Leben wie im Film. Bernd Böhlich, einer, der in Babelsberg das Handwerk lernte, gehört mit seinen 38 Jahren bereits zu den Großen im vereinten Fernsehspiel-Deutschland. Zwei Grimme-Preise bekommt man nicht ohne Grund. Großes kleines Fernsehen ist auch Böhlichs „Polizeiruf 110“ nach einem umstrittenen Gegenwartsstück der DDR: „Jutta oder die Kinder von Damutz“.
Die brandenburgische Provinz. Eine Mutter, Mitte 30, will raus aus ihrem Kaff. Sie verliebt sich in einen flatterhaften Straßenbauer, der für sie den Traum der großen Freiheit verkörpert. Sie wittert ihre vielleicht letzte Chance. Doch auf einmal liegt der Sohn tot im Wasser. War es Mord? Jutta, der Vater des toten Kindes, dessen Frau, ein taubstummer Schäfer und Juttas Mutter stehen unter Verdacht. Um die Frage nach dem plausiblen Motiv zu beantworten, muss Kommissarin Voigt tief in die sozialpsychologische Infra-Struktur der muffigen Gemeinde eindringen…„Eine kräftige Geschichte“, so Böhlich, „durch ihre Nebenfiguren bekommt sie auch etwas Überhöhtes.“ Dem üblichen Krimi-Realismus setzt er einen poetischen Realismus entgegen. „Mir ist mittlerweile alles zu ähnlich, keine Handschrift, keine unterschiedlichen Lesarten.“ Das Genre Krimi erstarre in TV-Konvention. Da ist der „Polizeiruf 110“, der mehr die Entstehung als die Aufklärung einer Straftat verfolge, eher eine Ausnahme.
Foto: RBB
„Korrupte Manager, vernachlässigte Ehefrauen in irgendwelchen 200qm-Wohnungen – was hat das noch mit dem Alltag in unserem Land zu tun?“, fragt sich Bernd Böhlich zu Recht. Doch auch dem Autorenfilm oder den klassischen Defa-Dramen weint er keine Träne nach. „Dieses Herumgejammere. Eine lange Einstellung, zwei Gesichter, Landschaft. Drunter ein einsames Klavier – das ist Filmhochschule, aber keine Kunst. Viel schwieriger ist es, jemanden auf intelligente Weise zum Lachen zu bringen“, betont Böhlich. Nach viel K(r)ampf bei ARD und ZDF versucht er’s erstmal mit Sat 1: mit der Story um die krebskranke Olivia.
Ein Blick auf seine Filmographie verrät: Gegen Gefühle hat Bernd Böhlich nichts, doch Kitsch ist ihm fremd. Seine Figuren besitzen eine kämpferische Ader. „Figuren, selbst wenn sie scheitern, müssen aus der Geschichte kraftvoll entlassen werden.“ Sein Bildstil ist modern, sein Licht wirkungsvoll. Bei „Jutta“ ist die Kamera vor allem nah dran an den exzellenten Schauspielern. Für Böhlich war der Film ein doppelt spannender Ausflug in die DDR-Vergangenheit. Mit Hauptdarstellerin Dagmar Manzel und Kameramann Martin Schlesinger hatte er einst all seine Studentenfilme gedreht. (Text-Stand: 2.12.1995)