Ein Blutsauger geht um im Spreewald. Jedenfalls wird die Geschäftsfrau Luise König Opfer eines bizarren Übergriffs. Ein Mann mit Vampirmaske fesselt und knebelt die Besitzerin des traditionsreichen Familienunternehmens „Gurkenkönig“. Danach schüttet er Benzin aus und tänzelt – mit einem Feuerzeug spielend – um sein Opfer herum. Dorfpolizist Krause kommt zu Hilfe, zieht die Waffe – dann plötzlich ist der Spuk vorbei. Der „Vampir“ kann entkommen. Luise König gibt sich wenig kooperativ. Sie spielt den Vorgang als Einbruch herunter – und möchte am nächsten Tag ungestört, mit Familie und Freunden ihren 50. Geburtstag feiern. Kommissarin Tamara Rusch und Wachtmeister Krause laden sich gegen den Willen der Gastgeberin zum Fest ein. „Ach, wie schön hier draußen, fast zu schön für einen Mordversuch“, schwärmt die toughe Kommissarin. Sie nimmt an, dass die merkwürdige Firmenchefin in Lebensgefahr schwebt. Und tatsächlich. Bereits in der Nacht fällt ein Schuss – und tags darauf bricht das „Gurkenkönig“-Imperium jäh in sich zusammen.
Weshalb muss sich eine Kommissarin im Fernsehen immer so verhalten, wie man glaubt, dass sich eine Polizistin in Wirklichkeit verhält? Mit dieser Maßgabe und Sophie Rois als Traumbesetzung hat sich offenbar Wolfgang Stauch („Unter Verdacht“) ans Drehbuch von „Die Gurkenkönigin“ gemacht. Ein bisschen dreist und unverschämt („ich bin die Polizei“), ein bisschen Columbo, mit großer Schnauze und mit falschem Schuhwerk – so kreuzt Tamara Rusch als Schwangerschaftsvertretung für Olga Lenski im Spreewald auf. Aushorchen scheint ihre Spezialität zu sein. Nur am potenziellen Opfer beißt sich die Kommissarin die Zähne aus. Wie ein Raubvogel hat Rusch die Augen überall – und wenn es sein muss, geht sie bei einem Verdächtigen schon mal beim Tanze erotisch auf Tuchfühlung. Da will auch Krause zeigen, was er kann – und unternimmt eine Erkundungsfahrt ins Vlies.
„War doch nicht schlecht“, meint Krause am Ende. „Es hätte auch besser gehen können“, entgegnet die coole Kommissarin. Die „Lösung“ des Falles vielleicht. „Die Gurkenkönigin“ von Ed Herzog aber holte als „Übergangslösung“ (die Potsdamer Kommissardarstellerin Maria Simon befindet sich wie ihre Figur in der Babypause) das Optimale heraus. Ein gut inszeniertes Krimi-Drama mit spielerischer Note und einem Familienfest als Handlungsrahmen, eine Kommissarin als ein gepflegter V-Effekt auf zwei daherstöckelnden Beinen, eine stimmungsvolle Landschaft, die den rätselhaften Fall wunderbar spiegelt und die die passende Entsprechung für die ungewohnte Krimi-Dramaturgie ist – das sind mehr als nur glückliche Fügungen. Das ist ein mit viel Phantasie und leichter Hand entwickelter TV-Krimi, ein Whodunit-Schmankerl der besonderen Art. Vordergründig geht es um Liebe und Leidenschaft, um Glückssuche und um ein Geschäft mit dem „grünen Gold des Ostens“, ein Geschäft, das die Hauptfigur sichtlich auffrisst (in jeder Hinsicht die perfekte Besetzung: Susanne Lothar).
Fazit: Ein Tusch für Rusch. Eine Kommissarin wie sie – verkörpert von Sophie Rois, die kurz vor der Jahrtausendwende mit Harald Krassnitzer im „Tatort“ schon einmal erfrischend auf Verbrecherjagd war – hat uns wirklich noch gefehlt! Schade, dass ihr Einsatz nur ein Intermezzo bleibt. Der Vorteil: „Die Gurkenkönigin“ bleibt als Reihenkrimi ein Unikat und wird einem sehr viel länger in Erinnerung bleiben als viele „Tatorte“. (Text-Stand: 9.3.2012)