Für den neuen Kommissar in München ein schlechter Tag. Morgens ein Verhör mit einem Kinderschänder. Eine kurze Unachtsamkeit, der Mann erschießt sich. Wenig später sitzt ein verängstigtes Mädchen im Polizeipräsidium, das von einer Bombe spricht, die es im Rucksack eines jungen Mannes in der U-Bahn gesehen haben will. Hanns von Meuffels ist sich sicher, dass etwas dran ist an der Geschichte. Also Bombenalarm. Der Apparat wird hochgefahren. Verfassungsschutz und LKA sind im Anmarsch. Und dann geht sie hoch, die Bombe, im Fußgängertunnel nahe der Bayern-Arena – und der Kommissar und Anna, seine Kollegin in spe, mittendrin. Von Meuffels, selbst verletzt, kümmert sich um einen jungen Mann, der unter einem Betonpfeiler begraben liegt, er spricht mit ihm und leistet ihm seelischen Beistand. Die Ärzte geben ihm nur noch wenige Stunden. Währenddessen bringt sich draußen die Politik in Stellung und es entbrennt die Suche nach einer möglichen zweiten Bombe. Ist die seelsorgerische Arbeit des Kommissars nach dem Selbstmord im Verhörraum ein Akt der Nächstenliebe & Wiedergutmachung? Oder steckt von Meuffels mitten in den Ermittlungen?
„Denn sie wissen nicht, was sie tun“ ist ein „Polizeiruf“, ein Krimi und er ist zugleich ein Versuch über den Glauben, er erzählt von falschen politischen Aktionen und einem richtigen Weg der Menschlichkeit und einer Schuld, die sich kaum wieder gut machen lässt. Außerdem zeigt Hans Steinbichlers Kammerspiel, wie es im Angesicht des Todes zu einer Um(be)wertung der „Dinge“ kommen kann. Das klingt vage, muss es, um nicht zu viel vom „Fall“ zu verraten. Hanns von Meuffels ist Kommissar, er will Menschenleben retten, aber er sieht genau hin und er hört zu, er sieht die Taten, aber er sieht auch hinter sie und er sieht die Seele eines Menschen. Die meisten anderen in diesem Film sind ganz ihrem System, einer Institution, verpflichtet, allen voran die Politiker und der Staatsschutz. Diese Systeme im System bekleckern sich in dem Film nach dem Drehbuch von Christian Jeltsch wahrlich nicht mit Ruhm, umso besser wissen sie ihre Unfähigkeit am Ende zu vertuschen. Es sind viele kleine politische Implikationen beiläufig eingebaut. Einige kurze Bilder zeigen, was so ein Großeinsatz an „kleinen“ Opfern fordert. Da liegen die Nerven auch bei den Einsatzkräften blank. Da werden Jugendliche mit verdächtigen Rücksäcken schon mal eben weggeknüppelt.
Der Kommissar ist da nur ein Rädchen im großen Getriebe, der keine Chance hat, die Wahrheit des Falles am Ende ans Licht zu bringen. Hanns von Meuffels steckt auch in einem System: er ist Polizist, aber nicht nur, er ist auch ein Mensch mit einer individuellen Haltung, in diesem Fall übernimmt er die Funktion als Beichtvater und Seelsorger, obwohl er ein Ungläubiger ist. Er glaubt an die Humanität und nicht an Bomben. Und wo man hinschaut: christliche Ikonografie. Gleich zu Beginn nimmt von Meuffels im Polizeipräsidium ein Kruzifix von der Wand. Eine Antizipation. Es ist kein Glauben mehr in dieser Welt, heißt es später aus dem Mund des Verschütteten. Der Kommissar kann das nur bestätigen. Aber er hat einen Ersatz gefunden zum verlorenen Glauben. Die tödlichen Betonpfeiler bilden ein überdimensionales Kreuz. Auch das Kreuzigungssymbol geht in ein eindrucksvolles Bild ein.
Auf dem Film liegt eine bleierne Schwere. Über 30 Tote. Apokalyptische Bilder, tragödienhaft zum Zwei-Personen-Drama verdichtet. Die Schreie der Sterbenden. Die bizarren Klingeltöne und Nachrichten der anspringenden Handys der Toten und Verletzten. Ein Kommissar, der eine Stunde lang mit blutigem Kopf und zitternden Händen ermittelt. Selbstmord, Schuld und Sühne. Ein klassisches Drama, schade, dass eine solche Geschichte heute nur noch als „Polizeiruf“ oder „Tatort“ möglich ist. Nach packendem Polizeifilm zum Auftakt und diesem politischem Erlöserdrama wünscht man sich für die nahe Zukunft eine schwarze Kriminal-Komödie in München. Mit Brandt, Sturm und Zimmerschied müsste da was zu machen sein!? Aus Hanns von Meuffels jedenfalls sollte man keinen Tauber (diese Figur war wegweisend und einzigartig) machen. Dafür ist das verschmitzte Lächeln von Matthias Brandt zu sexy.