Wo dreiste Glücksritter weltfremden Dörflern begegnen und wo sich die Füchse gute Nacht sagen – da irgendwo muss Brandenburg liegen, wenn man Bernd Böhlich glauben soll. „Potsdam ist unattraktiv und mit der kargen Landschaft lässt sich auch nicht protzen“, meint der Regisseur. Großstadtkrimis im Glitzer-Design sind hier nicht zu machen. „Wir vertrauen deshalb auf gute, starke Geschichten, und wir vertrauen auf Top-Schauspieler.“ Beim „Polizeiruf 110“ macht der ORB seit Jahren eine Tugend. Dieses Mal erleben die Bewohner eines Dorfes bei Potsdam „Das Wunder von Wustermark“.
Es ist die Fortsetzung der „Polizeiruf“-Kriminalkomödie „Totes Gleis“. Wieder sind Ben Becker, Otto Sander und Horst Krause mit dabei, wieder haben Leo P. Ard und Michael Illner das Drehbuch geschrieben und wieder führte Bernd Böhlich Regie. Wie schon im Grimme-gekrönten Vorläufer ist die Dorfkneipe der Nabel der Wustermarker Welt. Dort baldowern die Kumpels Lansky, Dettmann und Sommer ein „Riesending“ aus. Der Immobilienspekulant Krolokowski hatte den Dorfbewohnern Aktien für einen Großflughafen aufgeschwatzt. Das Projekt jedoch kam nie zustande. Nun sind die ganzen Ersparnisse weg. Auch Kommissarin Tanja Voigt gehört zu den Geschädigten. Die Dörfler beschlißen, sich das Geld zurückzuholen. Um herauszufinden, wo Krolokowski es versteckt hat, müssen sie ihren Erzfeind zunächst aus dem Gefängnis befreien. Danach gilt es, sich zu bewähren in einer (Aus-)Bruch-Nummer Marke „Rififi“, in der nicht nur ein Riesenkaninchen, sondern auch Busenstar Dolly Buster zu einem wirkungsvollen Einsatz kommen.
„Der ‚Polizeiruf’ hat in einigen Sendern zuletzt eine komödiantische Richtung bekommen und entwickelt sich so zu einem eigenständigen Genre“, betont ORB-Redakteurin Cooky Ziesche. Diesen dramaturgischen Trend findet Bernd Böhlich sinnvoll. „Irgendwie sollte sich die Reihe von ‚Tatort’ unterscheiden. Außerdem sind die konventionellen Krimistrickmuster bis zum Erbrechen ausgereizt.“ Es müsse nicht unbedingt Komödie sein, große Liebesgeschichten oder Thriller seien ebenso denkbar – wichtig sei nur, „dass in jedem Krimi der Reihe konsequent ein Genre erzählt wird und man wegkommt von dieser immergleichen Fernsehsoße“, so Böhlich.
„Das Wunder von Wustermark“ íst ein Schauspieler-Stück. „Wenn ich Otto Sander vor der Kamera habe, dann will ich dem zugucken, da brauche ich keine Designer-Fotografie“, sagt der zweifache Grimme-Preisträger. Im „hässlichsten Dorf Brandenburgs“, laut einer Berliner Radioumfrage, wäre eine solche Ästhetik auch ziemlich fehl am Platze. Böhlich: Da, wo wir gedreht haben, auf einem alten Gutshof, hat sich in den vier Jahren kein Stein gedreht. Nicht nur von daher atmet der Film brandenburgische Wirklichkeit. Unsere Figuren haben eine andere Biographie, eine andere Befindlichkeit als Krimihelden aus den neuen Bundesländern. Beide Filme tun nicht so, als wären deren Helden erst 1990 zur Welt gekommen.“ (Text-Stand: 4.1.1998)