Weil vor allem PR-Agenturen mit dem Etikett „Kult“ allzu großzügig umgehen, ist der Begriff als Prädikat kaum noch ernst zu nehmen. Dieser Film aber hat es verdient, denn das Drehbuchduo Thomas Wesskamp und Dirk Salomon hat den Sonntagskrimi im „Ersten“ vor gut 20 Jahren um eine neue Farbe bereichert. Natürlich haben die beiden das Genre Provinz-Krimikomödie nicht erfunden, aber es sollte noch eine ganze Weile dauern, bis ARD & ZDF den auch in diesem Film zitierten „Arsch der Welt“ in großem Stil als Schauplatz entdeckten.
„1A Landeier“ war damals der Auftakt zu acht „Polizeiruf“-Krimis (übrigens die einzigen WDR-Beiträge zu der Reihe), die stets vom Trio Wesskamp, Salomon sowie Ulrich Stark (Regie) stammten und schließlich 2004 mit „Mein letzter Wille“ endeten. Schon die Einführung der beiden Hauptfiguren machte deutlich, dass Oliver Stritzel und Martin Lindow einen neuen Ermittlertypus verkörperten: Kalle und Sigi wollen in einer Kölner Kneipe Frauen aufreißen und geben sich großspurig als BKA-Beamten aus, geraten aber zufällig an Gabi Bauer (Sawatzki) von der Kölner Mordkommission. Die Sache endet später etwas peinlich, als es in Volpe im Bergischen Land, dem Revier der beiden Landeier, einen Mord gibt, und niemand anders als die von Kalle „Mord-Bauer“ genannte Kollegin den Fall übernimmt.
Zunächst wandelt sich die Kriminalkomödie jedoch zum Inge-Meysel-Drama. Die Schauspielerin, damals Mitte achtzig und nicht mehr die Mutter, sondern die Großmutter der Nation, spielt Oma Kampnagel, eine alte Frau, die um ihren Verstand fürchtet: Sie bekommt mysteriöse Anrufe, wird in einem anonymen Brief als „Nazi-Hure“ beschimpft und findet in ihrem Kühlschrank Milch, die sie nicht gekauft hat. Als schließlich auch noch ihr geliebter Rauhaardackel Garibaldi vergiftet wird, geht sie zur Polizei, wo sie prompt nicht ernst genommen und in die „Klapse“ eingewiesen wird. Dabei ist die alte Dame Opfer eines Komplotts, bei dem es um eine Grundstücksspekulation in großem Stil geht, aber das stellt sich erst heraus, als es zu zwei menschlichen Todesfällen kommt.
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Die eigentliche Handlung ist im Grunde nicht weiter der Rede wert; diverse frühere Freitagsfilme der ARD haben ganz ähnliche Geschichten erzählt, wenn auch ohne Mordfall. Seinen Grimme-Preis hat der Krimi dem ungewöhnlichen Tonfall zu verdanken. Auch den hatten Wesskamp und Salomon nicht erfunden, aber für die Reihe „Polizeiruf 110“ waren die Scherze, die etwa mit den sterblichen Überresten des Dackels getrieben wurden, durchaus ungewöhnlich: Weil die Urne umgekippt ist, füllt Kalle sie kurzerhand mit dem Inhalt eines Aschenbechers auf. Der „Dorfsheriff“ ist mit seinem Ohrring und dem stets fast bis zum Bauchnabel geöffneten Uniformhemd, das den Blick auf Goldkette und Brusthaar freigibt, ohnehin eine Marke für sich. Im Revier übt der Frauenheld auch schon mal das Ziehen der Dienstwaffe wie ein Revolvermann. Dass ihn sein Freund und Kollege Sigi, dessen Vater vermutlich ein Comicfreund war (Sigi steht für Sigurd), im Verlauf der Ermittlungen tatsächlich vorübergehend für einen zweifachen Mörder hält, passt daher ins Bild; zwischenzeitlich führt die Spur allerdings in die Kölner Schwulenszene. Sehr schön ist auch die Rolle für Andrea Sawatzki als „Mord-Bauer“, die bei passender Gelegenheit einen Schlafzimmerblick aufsetzt, welcher den guten Sigi prompt von den Beinen holt.
Tatsächlich sind es in erster Linie die Figuren und ihre Dialoge, die „1A Landfeier“ auch heute noch sehenswert machen; die Inszenierung ist dagegen eher unauffällig. Der Grimme-Preis ging damals daher zu Recht an das Autorenduo sowie die beiden Hauptdarsteller. Sigi und Kalle durften noch sieben weitere Fälle lösen, fast immer gemeinsam mit der Kollegin aus Köln, und auch Oma Kampnagel gehörte noch einige Male zum Ensemble; der Abschluss der Reihe war Inge Meysels letzter Film. Preiswürdig wäre übrigens auch die Musik von Birger Heymann gewesen; schon allein wegen des wunderbar melancholischen Saxophons.