Melanie Müller lebt ein Leben auf der Überholspur. Immer in Eile geht sie geradezu auf in ihrem hektischen Alltag. Die Nachwuchsdesignerin will vorankommen in ihrem Job. Seit fünf Jahren kein Urlaub. Langzeitfreund Mark ist unzufrieden. Jetzt endlich will sich auch Mel drei Wochen Bali gönnen. Doch dann bekommt sie DIE Chance: sie soll ihre erste eigene Kollektion entwerfen. Da kann sie, da will sie nicht nein sagen. Als sie am Abend im Massagestudio der thailändischen Aushilfsmasseurin ihr Leid klagt, hat diese etwas für die High-Speed-Lady: eine Spezial-Schildkröten-Creme. „Die Schildkröte sieht mehr vom Weg als der Hase“, orakelt sie der entspannten Melanie ins Ohr. Am nächsten Morgen der Schock: im Spiegel sieht die attraktive Frau um die 30 plötzlich eine Frau, die ihre Großmutter sein könnte. Sie quartiert sich bei ihrer Mutter ein, lügt ihrem Freund etwas von einer USA-Reise vor, ihrem Chef erzählt sie, sie habe Windpocken – und ihre Kollektion kreiert sie in Heimarbeit. Als die gealterte Melanie zufällig ihrem Mark begegnet, der sie natürlich nicht erkennt und ihr sein Herz ausschüttet, macht es langsam klick bei der Arbeitswütigen…
Weshalb es nach Infantilisierungskomödien wie „Plötzlich wieder 16“ oder „Für immer 30“ nicht einmal mit einem Bodyswitch ins Rentenalter versuchen?! Man könnte dem Jugendwahn komödiantisch etwas entgegensetzen und dem Alter sein Recht auf Lebensfreude zurückgeben, darüber hinaus das Erfahrungswissen auf den Sockel stellen und das blinde Tempo, das manche Berufsbranchen vorgeben, augenzwinkernd kritisch hinterfragen. Oder einfach mit den Klischees des Alters lustvoll spielen, wie es beispielsweise die Erfolgskomödie „Die Spätzünder“ gemacht hat. Für eine Sat-1-Komödie ein geeigneter Stoff. Doch was der Autor Daniel Scotti-Rosin aus dieser Idee herausholt, ist in jeglicher Hinsicht enttäuschend. So nervig der obligatorische Sat-1-Komödien-Einstieg auch ist, der einem mal wieder Vorgeschichte und Charaktere pseudogewitzt banal erklärt, so spart er doch zumindest Zeit, um schnell hineinzukommen in die Handlung. Nur, welche Handlung? Die Geschichte basiert einzig und allein auf der arbeitsmoralischen Läuterung der arbeitssüchtigen Hauptfigur.
Foto: Sat 1 / Dominik Hatt
Aus den Themenkomplexen Alter, Generationenfrage, Lebenstempo, Firmen(personal)politik und Menschenwürde auch noch mit 70 wird so gar nichts für die Story herausgeholt. „In Asien werden alte Leute verehrt“, weiß die Masseurin. Das war’s an Hintergrund zum Thema. Wer die hübsche Yvonne Catterfeld gegen ein schrumpeliges Masken-Etwas ersetzt, muss eine nachhaltige Geschichte erzählen – oder witzig sein oder Emotionen befördern. Weshalb sollte sich der Zuschauer so einen Anblick sonst antun? Catterfeld um 40 Jahre gealtert – ein solcher Gimmick lässt vorab das PR-Maschinchen schnurren – es fragt sich nur: wie viele diesen Film zu Ende gucken. Vor allem auch dramaturgisch stimmt in „Plötzlich 70!“ nichts. In der einen Szene erklärt die Heldin ihrem Freund, dass sie eine Kollektion entwerfen müsse und deshalb Bali gestrichen ist. Kurz darauf erzählt sie ihm, dass sie eine Woche in den USA sei und dort unter anderem Firmen besichtigen würde… Auch Komödien müssen Hand und Fuß haben. Diese hat nur eine Idee und eine ganz passable Maske. Für einen 10-minütigen Kurzfilm hätte das vielleicht gerade noch ausgereicht. (Text-Stand: 18.1.2012)