Pfarrer Braun – Grimms Mördchen

Ottfried Fischer, Bettina Kupfer, Aglaia Szyszkowitz & ein Krimi-Gruß aus den 60ern

Foto: Degeto
Foto Rainer Tittelbach

Aus „Pfarrer Braun“ wird nie „Mission Impossible“ – da kann sich noch so viel Personal in der Szenerie tummeln. Der Krimifall ist nur sekundär. Da man das deutlich zu spüren bekommt, interessieren auch die Geschichten der Verdächtigen nur bedingt. In „Grimms Mördchen“ ist die Riege der Gast-Darsteller exquisit – und so schaut man etwas erwartungsvoller auf die 90 Minuten dieses formal vorsintflutlichen Kriminalstücks.

Pfarrer Braun verschlägt es dieses Mal nach Kassel in die ehrwürdige Löwenburg. Seinen Vorgänger hat ein Herzschlag dahingerafft – so steht es im Totenschein. Monsignore Mühlich aber mutmaßt Mord und schickt deshalb seinen besten „Spurhund“ in das hessische Städtchen, das sich um das kulturelle Erbe der Gebrüder Grimm verdient gemacht hat. So spielte einst Mühlich im Schultheater in „Schneewittchen“ den sechsten Zwerg. Dass nun ein Zwerg nach dem anderen der Exitus ereilt, versetzt ihn in helle Aufruhr. Ein Racheakte aus alten Zeiten – und das Schneewittchen von damals bescheinigt eine natürliche Todesursache. Da ist doch was faul! Kommissar Geiger will’s nicht glauben. Also schaut sich Hochwürden das mörderische Treiben in Ruhe an und schreitet zwischen zwei Vaterunsern zur Tat.

Ein DJ, der bei einer Geburtstagsfeier zum Sechzigsten auflegt, geht zurück in die Jahre, als der Jubilar ein Teenager war. Die Degeto verfährt bei „Pfarrer Braun“ ähnlich. Die Filme sollen den Zuschauer emotional zurückversetzen in eine glücklichere Zeit: in die Zeit der eigenen Jugend. Und so weckt auch „Grimms Mördchen“ Erinnerungen an Rühmanns „Pater Brown“, an Margarethe Rutherfords Miss Marple und an ein Fernsehen, das dramaturgisch näher am klassischen Kriminalstück lag als am Fernsehfilm heutiger Prägung. Ein Fernsehen, das dem Zuschauer (ARD-Durchschnittsalter: 61 Jahre) naiv aus der Frühgeschichte des Mediums herüberweht. Um diesem Zuschauer die Teilhabe an der „Neuzeit“ zu ermöglichen, textet Ex-„Leo’s“-Schreiber Stephan Reichenberger etliche Zeitgeist-Albernheiten, von „Wir machen den Weg frei“ bis hin zu den Seitenhieben gegen die Banken, in die bedächtigen Szenen. Die 68er-Jahre werden in der Erinnerung beschworen, die Joints, die politisierten Inhalte und „Grimms Märchen vom lüsternen Pärchen“. Und der „Winnetou“-Mann Martin Böttcher verpackt das Ganze in den Säuselsoundtrack von Papas Kino.

Aus „Pfarrer Braun“ wird nie „Mission Impossible“ – da kann sich noch so viel Personal in der Szenerie tummeln. Der Krimifall ist sekundär. Da man das deutlich zu spüren bekommt, interessieren auch die Geschichten der Verdächtigen nur bedingt. In „Grimms Mördchen“ ist die Riege der Gast-Darsteller exquisit – und so schaut man etwas erwartungsvoller auf die 90 Minuten. Ein Episödchen reiht sich ans andere, zwischendurch passiert immer mal ein Mord, der Pfarrer kriminalisiert und Peter Heinrich Brix belmondoisiert. Gepflegte Unterhaltung für die einen, gepflegte Langeweile für die anderen. So ist das und so wird es wohl bleiben…

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Reihe

ARD Degeto

Mit Ottfried Fischer, Hansi Jochmann, Peter-Heinrich Brix, Bettina Kupfer, Aglaia Szyszkowitz, Gilbert von Sohlern, Antonio Wannek, Christoph M. Ohrt, Ludger Pistor

Kamera: Randolf Scherraus

Szenenbild: Michael Möldner

Musik: Martin Böttcher

Produktionsfirma: Polyphon

Drehbuch: Cornelia Willinger, Stephan Reichenberger

Regie: Wolfgang F. Henschel

EA: 21.10.2010 20:15 Uhr | ARD

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