Paul Kemp ist Mediator, er ist Vermittler, Schlichter und auch ein bisschen Psychologe. In seine Praxis kommen Menschen, die Hilfe suchen bei Nachbarschaftskonflikten, Ehekrisen, Erbstreitigkeiten, bei Fällen von Mobbing oder Problemen mit Institutionen. Kemp ist mit seiner Arbeit verheiratet. Was seine Frau schon seit geraumer Zeit dazu veranlasst, mit dem schöngeistigen Nachbarn ein ernsthaftes Verhältnis zu haben. Alles scheint Paul Kemp wegzubrechen. Sein Praxispartner ertränkt nicht nur seinen Liebeskummer im Schnaps, sondern auch die Kundendateien in der Donau. Was Kemp noch nicht weiß: jener Mark hat die Firma überschuldet und wird sich bald aus dem Staub machen. Der erfolgreiche Wiener Mediator wird umdenken müssen. Seine Praxis jedenfalls ist jetzt eine Nummer zu groß. Und sein Verhältnis zur Noch-Ehefrau? Wird er eine Scheidung hinnehmen? Erst einmal sucht er Trost bei einer Anderen. Die wird schwanger – und das Beziehungstohuwabohu ist perfekt!
Gleich in der ersten Szene befindet sich der Serienheld der ORF/SWR-Koproduktion „Paul Kemp – Alles kein Problem“ in einer pikanten Situation: Er darf zusehen, wie er im Wachzustand von seiner Frau und seiner Mitarbeiterin operiert wird. „Dem ist ja ordentlich was über die Leber gelaufen.“ Das Mitleid der beiden Frauen hält sich in Grenzen. Ein Ehemann, von dem man nicht weiß, was in ihm vorgeht. Jetzt haben „seine Frauen“ den Beweis: „So ein Saustall!“ Wenig später, im realen Leben, weiß Kemps rechte Hand: „Leber steht für bevorstehende Sorgen.“ Und dem Mann im sonnig beigen Cord-Anzug, der die Probleme anderer Leute mit viel Empathie und Einfallsreichtum, mit Menschenkenntnis und Augenzwinkern löst, seine eigenen aber nur selten in den Griff bekommt, dem laufen wenig später denn auch gleich mehrere Läuse über die Leber. Dass in der Auftaktfolge „Lauter Lügen“ das Traum-Intro eine Verbindung zum ersten Fall des Mediators besitzt, in dem eine Patientin bei einer Operation im wahrsten Sinne des Wortes die Galle überkocht, zeigt bereits, wie klug gebaut die neue Serie mit Grimme-Preisträger Harald Krassnitzer insgesamt ist. Auch der zweite Fall schließt klug an den ersten an und korrespondiert gleichzeitig mit dem amourösen Privatleben des Helden. Der Narkosearzt hat bei der OP einen Fehler gemacht, durch den die Patientin die unverschämten Reden des operierenden Arztes mithören konnte („Das ist vielleicht ein Wackelpudding. Wie soll ich denn da drin’ die Galle finden“). Der Narkosearzt lebt seit Jahren mit zwei Frauen, zwei Kindern und zwei Haushalten – deshalb ist er oft müde und macht Fehler. Ein origineller Fall, der sich am Ende etwas anders darstellt.
Paul Kemp ist nicht nur Mediator (was natürlich nicht von meditieren kommt, was einige der Nebenfiguren immer wieder glauben), er ist vor allem die Hauptfigur einer Unterhaltungsserie. Und das ist gut so. „Paul Kemp – Alles kein Problem“ hat die Riege der besten österreichischen Filmschaffenden zusammengebracht. Da ist der clevere Vielschreiber Uli Brée („Die Spätzünder“) und da sind die Top-Regisseure des Alpenlands, Harald Sicheritz („Clara Immerwahr“) und die Grimme-Preisträger Wolfgang Murnberger („Der Knochenmann“) und Sabine Derflinger („Tatort – Angezählt“). Die wissen, wie intelligente Unterhaltung geht – auch jenseits von Krimi und schwarzem Humor. Und sie wissen auch, was sie bei noch so viel Sommerflair (noch dazu sendet die ARD in den warmen Monaten) und leichtgewichtigem Schmäh Wien schuldig sind: auch ein bisschen Weltschmerz. Und was Freud angeht – das Genre hat es zwar nicht so mit dem Todestrieb, dafür kommt die Traumdeutung köstlich zum Einsatz. Fazit: so geht lockere „Familienserie“ ohne Leichen!