Patong Girl

Max Mauff, Aisawanya Areyawattana, Susanna Salonen. Der Reiz des Exotischen

Foto: ZDF / Yoliswa von Dallwitz
Foto Sophie Charlotte Rieger

Susanna Salonen entführt ihr Publikum zusammen mit den deutschen Protagonisten ihres Films „Patong Girl“ in die Fremde. Eine Familie wird in ihrem Weihnachtsurlaub durch das Aufeinandertreffen mit dem „dritten Geschlecht“ nachhaltig herausgefordert. Die kleine Kino-Koproduktion bemüht sich um eine authentische, nicht künstlich aufgehübschte Darstellung von Thailand. Die Perspektive bleibt westlich geprägt und Salonen richtet sich mit den Fragen, die sie aufwirft, an ein weitgehend „unwissendes“ Publikum. Der Film ist einfühlsam & eingängig erzählt, gut besetzt und erweitert das TV-Themenspektrum.

Filmemacherin Susanna Salonen entführt den Zuschauer zusammen mit den deutschen Protagonisten ihrer Kino-Koproduktion in die Fremde. Familie Schröder wird in ihrem Weihnachtsurlaub nicht nur durch ungewohnte Sitten und Gepflogenheiten herausgefordert, sondern auch durch das Aufeinandertreffen mit dem „dritten Geschlecht“, das in Thailand im Vergleich zu Deutschland weitaus größere Akzeptanz erfährt. Bereits der Besuch einer Cabaret-Show führt zu Irritation: Die Tänzerinnen sehen doch alle so vollkommen weiblich aus. Wie kann es sein, dass es sich eigentlich um Männer handelt? Doch dieses kleine Intermezzo ist nur das Vorgeplänkel für eine weitaus größere Herausforderung, denn die Urlaubsliebe Fai (Aisawanya Amp) von Sohn Felix (Max Mauff) ist eine Transfrau.

Patong GirlFoto: ZDF / Yoliswa von Dallwitz
Fröhliche Weihnachten in Thailand für die Schröders – tatsächlich? Vater (Uwe Preuss), Mutter (Victoria Trauttmansdorff) und die Söhne (Max Mauff, Marcel Glauche)

„Patong Girl“ ist in diesem Jahr nach „Mein Sohn Helen“ von Gregor Schitzler bereits die zweite Produktion der öffentlich-rechtlichen Sender, der sich mit dem Thema Transsexualität auseinandersetzt. Obwohl der Film mit dem Voice Over Fais einleitet, erzählt die Regisseurin und Drehbuchautorin ihre Geschichte vornehmlich aus der Perspektive der Familie Schröder, im Besonderen aus der von Mutter Annegret (Victoria Trauttmansdorff) und Felix. Dadurch wird Transsexualität quasi mit dem Fremden gleichgesetzt und bleibt „das Andere“.

„Patong Girl“ bemüht sich um eine möglichst authentische, nicht künstlich aufgehübschte Darstellung von Thailand. Bei dem Film handelt es sich um eine Kino-Koproduktion, die für das Kleine Fernsehspiel des ZDF entstanden ist; die Ausrichtung auf die große Leinwand ist der Inszenierung deutlich anzumerken. Dennoch betrachtet der Zuschauer den Spielort und das Geschehen in der Fremde ganz durch die Augen der Protagonisten, wodurch die thailändische Kultur notgedrungen ein Stück weit mit dem Reiz des Exotischen belegt wird.

Trotz des „fremden“ Settings gelingt es Salonen durch die abwechslungsreichen Bilder und Spielorte den Zuschauer in die Geschichte zu ziehen. Insbesondere die Interaktionen – innerhalb der Familie, aber auch zwischen Fai und Felix – besitzen etwas Selbstverständliches und schaffen rasch eine Nähe zu den Protagonisten; wenngleich Mutter Annegret eine sperrige Figur bleibt. Ihre europäische Arroganz und Kontrollsucht wecken kaum Sympathie und dienen in vielen Fällen zu offensichtlich dazu, Rassismen und Sexismen zu entlarven. Die Mutter belehrt also nicht nur ihre Familie, sondern auch das Publikum. So ist diese wenig identifikationsträchtige Figur als kritisches Korrektiv „unbrauchbar“. Ein solches aber hätte man sich gewünscht, in Anbetracht des Sexismus’, den der Film abbildet. Im Urlaubsort wimmelt es von leicht bekleideten Thailänderinnen, die sich entweder offen prostituieren oder auf der Suche nach einem gut situierten Mann aus dem Westen sind, der ihnen ein besseres Leben ermöglicht. Hierbei bleibt Salonen oft in Klischees und Stereotypen stecken, kann weder den Hintergrund der Prostituierten noch den der Sextouristen beleuchten.

Patong GirlFoto: ZDF / Yoliswa von Dallwitz
Für Felix (Max Mauff) und Fai (Aisawanya Areyawattana) hält der Mekong noch ein Wunder bereit. Und für Mauff & Areyawattana sowie Susanne Salonen (Buch und Regie) und Andrea Ufer & Gunter Hanfgarn gab es ein Jahr später den begehrten Grimme-Preis.

Die Beziehung zwischen Fai und Felix wiederum wirft wichtige Fragen nach der Bedeutung von Geschlecht auf, denn welchen Unterschied macht es eigentlich wirklich, ob Fai als Junge oder Mädchen geboren wurde?! Bleibt sie nicht derselbe Mensch, in den sich Felix verliebt hat? Auch die Beliebigkeit der Konstruktion eben jener Kategorien, „männlich“ und „weiblich“, tritt zu Tage, wenn Fai von ihrem Ex auf Grund ihrer „Weiblichkeit“ verlassen und von Felix auf Grund ihrer „Männlichkeit“ ebenso abgelehnt wird. Mit dem jungen Protagonisten zusammen lernt der Zuschauer, Fai als Frau zu sehen und ihre Weiblichkeit ohne Einschränkung anzuerkennen. Ein leichter Humor, der insbesondere über amüsante Randfiguren transportiert wird, erleichtert dabei den Zugang zum Thema.

„Patong Girl“ ist eindeutig & geschickt auf ein Publikum ausgerichtet, für das Transsexualität bislang „fremd“ ist. Für Zuschauer jedoch, für die „das dritte Geschlecht“ etwas ist, das zum Alltag dazu gehört, oder die sich fundiert mit dem Thema Sexismus auseinandersetzen, mag diese Kino-Koproduktion an vielen Stellen etwas zu unausgegoren wirken. Die sympathischen Figuren jedoch und die gute Dramaturgie dieser Geschichte, die das Themenspektrum des Fernsehens bereichert, dürften letztlich auch diese Zielgruppe abholen. (Text-Stand: 2015)

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Kinofilm

ZDF

Mit Max Mauff, Aisawanya Areyawattana, Victoria Trauttmansdorff, Uwe Preuss, Marcel Glauche, Thanyarat Praditthaen

Kamera: Yoliswa Gärtig

Schnitt: Bettina Böhler

Produktionsfirma: Hanfgarn & Ufer Film- & TV-Produktion

Drehbuch: Susanna Salonen

Regie: Susanna Salonen

EA: 29.12.2015 00:05 Uhr | ZDF

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