Richie ist topfit. Er scheint alles im Griff zu haben: den Job als Gerüstbauer, seine Beziehung mit der Abiturientin Hannah, seine leisen Anflüge von Eifersucht. Doch bald ist es nur noch der Körper, der ihm gehorcht. Seine Leidenschaft gehört dem Parkourlaufen. Er durchquert mit seinen Kumpels die Mannheimer Stadtlandschaft – jedes Hindernis wird durch Klettern und Springen überwunden. Trainiert wird in leer stehenden Fabriken oder in Rohbauten. Je gestählter der Körper, umso fragiler der Geist. Sein Leben entgleitet ihm zunehmend. Die finanziellen Probleme seiner Firma sind der Anfang, dann stürzt ein Kollege durch Richies Schuld vom Gerüst – doch der Sargnagel seiner Existenz ist seine krankhafte Eifersucht.
Foto: SWR / Dirk Häger
„Parkour“ zeigt in den ersten Bildern einen Helden, der eine Leidenschaft besitzt, ein barrierefreies Leben anstrebt und die große Freiheit sucht. Jener Richie sprintet über Dächer, nimmt Zäune, überspringt Mauern und wer ihn verfolgt, hat keine Chance („Mich verarscht keiner!“). Doch dann beginnt eines Tages, die enorme Energie selbstzerstörerisch zu wirken. Im gesunden Körper wohnt kein gesunder Geist mehr. Getrieben von einem psychotischen Kontrollzwang stellt sich der gegenteilige Effekt ein: der völlige Kontrollverlust.
Marc Rensing ist ein großartiger Debütfilm gelungen: fulminant die Bilder, rasant die Montage in den Parkourläufen, überzeugend aber auch das Psychogramm eines vermeintlichen Himmelstürmers, in dessen Verhalten sich eine schizophrene Kluft auftut. Sinnlichkeit und Metaphorik findet man selten so ideal vereint. Christoph Letkowski spielt jenen Richie kraftvoll und sensibel zugleich: durchtrainiert der Körper, mangelhaft das Selbstvertrauen. Nora von Waldstätten erweist sich einmal mehr als das sprichwörtliche Bild von einer Frau.
Rensing, der für den SWR zuletzt das Serien-Experiment „Alpha 0.7 – Der Feind in dir“ gedreht hat, wäre ein ganz heißer Anwärter für einen SWR-„Tatort“. Wie wäre es, Lena Odenthal auf der Jagd nach jugendlichen Verdächtigen durch marode Industrieanlagen (vergeblich) hechten zu lassen – mit genau so viel Action-Stunts und filmästhetischem Schmackes wie in diesem furiosen Debüt, das 2009 mit dem Eastman-Förderpreis und dem MFG-Star ausgezeichnet wurde.