Ein Zeh ragt aus der Erde. Rauhaardackel Seppl hat mal wieder den richtigen Riecher – und die resolute Polizeihauptkommissarin Gisela Wehmeyer mit ihren drei arbeitsscheuen Hilfssheriffs eine Leiche an den Hacken. Da lässt Florian Lederer, der diensthöhere Beamte aus Straubing, nicht lange auf sich warten. Der Fundort ist nicht der Tatort. Die Tote, eine 22jährige Pflegerin ist aus großer Höhe gefallen, gestürzt – vielleicht von einem Kirchturm? Eine erste Spur führt zu einem Hausarzt aus Niedernussdorf. Von ihm lassen sich die Mannsbilder des Ortes gern und oft „Fango“-Rezepte verschreiben. Der Herr Doktor ist sehr nervös – und bald ziemlich tot. Eingelöst wurden dessen Rezepte allesamt im Wellness-Center von Bad Reibach: dem „Paradies 505“. Die Polizisten Schorsch und Erwin müssen in den Nahkampf, um herauszufinden, ob in diesem Massageparadies Männer „ganz speziell“ verwöhnt werden. Sie versemmeln den Einsatz, doch dann macht es bei ihrer Chefin klick…
Krimi im Sinne eines Ermittler-Krimis wird auch im neuen „Niederbayernkrimi“ von Max Färberböck eher klein geschrieben. Durchaus entspinnen sich klassische Handlungsfäden in Richtung Whodunit, doch sehr viel markanter ist die Tonart, in der diese musikalisch strukturierte Provinzposse mit Leiche(n) komponiert ist. „Paradies 505“ beginnt wie ein Asphalt-Western – als ob sich David Lynch oder die Coen-Brüder nach Niederbayern verlaufen hätten. Satte Farben, klarer Himmel, Landschaft, Straßen, ein Schießeisen – erst als Johanna Bittenbinder & Co den Mund aufmachen, wird klar: Amerika ist weit weg. Mia san mia. Und so krachledert es in der nächsten grandiosen Szene dieses TV-Schmankerls, das nur fürs BR-Dritte produziert wurde, dass es eine helle Freude ist. O’zapft ist, es wird gekartelt, gegrölt, gelacht und gesoffen. Und auch hier, im weißblauen Bayernland ist der Kampf der Geschlechter voll im Gange. Die Öffnung Osteuropas hat den „Markt“ verändert. „In mein’ Aug’n bist du koa Mo“ – wer so was sagt, muss mit einer handfesten Wirtshauskeilerei rechnen. Diese vorzüglich inszenierte Sequenz (Szenenbild, Licht, Montage!) ist eine köstliche Miniatur einer bayerischen Lebensart, der man als Zuschauer einfach nur fasziniert gegenübersteht – egal, ob sie realistisch ist oder nur genial eine weißblaue Wirtshausmentalität erfindet, die von einer Unzahl kantig-knorriger urbayerischer Typen pfundig verkörpert wird.
Färberbock und Limmer halten geschickt die Waage zwischen urkomischer ethnologischer Nabelschau und den coolen Optionen des Genreschreckens, der sich – siehe USA – durchaus in der Provinz breit machen kann. Ein Bauernhaus, idyllisch von der Sonne beschienen, wird zum schaurigen Ort, an dem die bayerische Wurschtigkeit ins Monströse und in blanken Horror umschlägt. Verhärtet die Herzen und die Seele eine finstere Grube. Der Zuschauer bekommt derweil grüne Wiesen, goldgelbe Sonnenblumen, einen klarblauen Himmel und eine Landschaft zu sehen, in dessen weich geschwungenen Hügeln Färberböck in jungen Jahren den Körper einer liegenden Frau erkannte, was ja irgendwie auch zur Geschichte passt. Was an Grausamen parallel passiert sieht der Zuschauer erst später. Die Fliegen sind schon da. Der Film, der anfangs getrieben wird vom Möchtegern-Supercop Lederer („Schnelligkeit ist der entscheidende Faktor“), ist zur Ruhe gekommen. Die Niedernussdorfer Mentalität, der entschleunigte Lauf der Dinge, der schiefe Witz, obsiegt über die oberkluge Umtriebigkeit.
Die Lacher purzeln einem nicht so heraus bei „Paradies 505“. Urkomisch ist die Sprache: die Mundart-Begriffe, die verquere Syntax, die erdigen Metaphern, die Eigenheiten dieses Dialekts, in denen sich gleichsam der Eigensinn der Charaktere wiederfindet, aber auch die ungewohnten Klangbilder (wie der Niederbayer das O in Tod oder tot spricht oder „vegeln“ statt vögeln) – all das gibt diesem Film den Humus, auf dem eine gut und dicht gewachsene Komödienpflanze gedeiht. Auch für den Nicht-Bayer ist dieser „Niederbayernkrimi“ trotz schauerlichem Zwischenspiel doch insgesamt eine prächtige Gaudi. Hinhören muss man schon, aber verstehen muss man längst nicht alles. Am Ende werden die Leichen des Films zu Grabe getragen – und ein bisschen nachgetreten wird auch, nicht in Richtung der Toten, nein, das Treten übernehmen schön slapstickhaft in derber Bauernschwank-Manier zwei der drei Dorfpolizisten. Der dritte spielt ganz am Ende das „Liadl“, das den Zuschauer den Film hindurch begleitet. So etwas kennt man sonst nur von Godard. (Text-Stand: 15.9.2013)