Er hat die kleinen Leute in die etwas größeren Zusammenhänge gestellt und die Politik auf den Boden des Unterhaltungsfernsehens heruntergebrochen. Ob beim „Großen Bellheim“ oder beim Fünfteiler „Die Affäre Semmeling“: Dieter Wedel war stets Gesellschaftsdiagnostiker. Jetzt kommt er vergleichsweise „klein“ und ohne Stars. In „Papa und Mama“ erzählt er die Liebes- und Trennungsgeschichten ganz normaler Paare. Aber auch ein bescheidener Zweiteiler sieht beim Meister des beziehungsreich verflochtenen Erzählens anders aus.
Foto: ZDF / Reiner Bajo
Eine Frau verlässt ihren Mann. Er hat Karriere gemacht als Anwalt, sie ist Hausfrau und Mutter und intellektuell unterversorgt. „Ich schildere die Geschichte des Mannes, aber ich habe versucht, der Frau so viel Gerechtigkeit widerfahren zu lassen wie möglich“, betont Wedel. „Bei mir gibt es nicht den Schurken, sondern es gibt Menschen, die sich mal so und mal so verhalten. Es sind vernünftige, sympathische Menschen, die guten Willens sind.“ Dass es dennoch auch im Film gelegentlich rosenkriegerisch zugeht, das liegt vornehmlich an den sozialen Rahmenbedingungen. „Viele Anwälte sind an einer Schlammschlacht vor Gericht mehr interessiert als an einer versöhnlichen Lösung, weil sie daran drei Mal so viel verdienen können“, sagt er. Aber auch die Gesetze haben Tücken. „Ich finde es absurd, dass es eine Lebensstandardgarantie gibt. Eine Abfederung ja, wie in allen sozialen Systemen, aber doch keine Garantie.“ So wohnt auch im Film die Frau mit den Kindern und dem neuem Partner in der hochherrschaftlichen Villa, während der Mann sich eine kleine Wohnung nimmt.
Foto: ZDF / Reiner Bajo
„Ich glaube, wenn die Hälfte aller Ehen in der Großstadt geschieden werden, dann ist das ein gesellschaftliches Problem“, betont Wedel und deutet an, dass er mehr als einen Beziehungsfilm gemacht hat. Zwar wurde der Fokus in seinen Filmen noch nie so deutlich auf die Gefühlswelt der Familie gerichtet, doch die gegenseitige Spiegelung von Privatem und Gesellschaft war stets Thema und Motor seiner Geschichten. Man denke nur an „Die Semmelings“, die legendäre Fernsehfamilie, die sich vom Tourismus- und Häuslebauer-Boom der 70er Jahre hat anstecken lassen. Der Hang zum großen Wurf zeigt sich auch darin, dass der seine Drehbücher selbst schreibende und dafür monatelang recherchierende Regisseur hier nicht nur eine einzige Trennungsgeschichte erzählt. Geschickt variiert er das Thema, indem er das Personal um die Hauptakteure erweitert und die verschiedensten Tonarten anschlägt. Wenn die von ihrem Mann wegen einer 30 Jahre jüngeren verlassene Ehefrau um die 60 nichts außer Tränen hervorbringt, trägt das tragische Züge. Wenn der zu Beginn so selbstgefällige Scheidungsanwalt plötzlich auf dem harten Boden der materiellen Tatsachen aufschlägt, dort, wo sich sonst nur die geschiedenen Ehemänner seiner weiblichen Mandantinnen wieder-finden, dann schwenkt Wedel gelegentlich ins Tragikomische. An den Rändern seiner Geschichten lässt es sich auch immer wieder herrlich schmunzeln.
„Papa und Mama“, der Titel verweist auf die Pe-spektive, aus der der TV-Roman erzählt wird: die Kinder. „Sie sind es immer“, so Wedel, „die am meisten und ganz unschuldig unter dem Scheidungskrieg leiden.“ Silke Bodenbender hatte als die sich trennende Ehefrau den moralisch schwierigsten Part zu spielen. Ihre „Mama“ sorgt zwar für das Aus der Familie, doch die Wurzeln für die Entfremdung liegen in der Ehegeschichte, die der Zuschauer nur erahnen kann. Die Schauspielerin, von der man noch hören wird, weiß, dass es die Figur beim Zuschauer schwer haben wird. „Ich wollte ihr so viel Herz wie möglich mitgeben, wollte zeigen, dass sie hin und her gerissen ist, damit man sie versteht.“ Mangelnde Kommunikation in Beziehungen ist das zentrale Thema. „Nach sieben Jahren reden Paare nur noch neun Minuten täglich miteinander“, heißt es im Film. Die psychologische Fachliteratur liefert ähnliche Zahlen. Scheidungsgrund Sprachlosigkeit also. Dieter Wedel hat daraus gelernt: „Als ich abends vom Set kam, habe ich wenigstens mal erzählt, wie der Tag so gelaufen ist, anstatt die Füße hochzulegen und nur in die Glotze zu starren.“ (Text-Stand: 2.1.2006)