Bei den Filzhofers bricht die Kuba-Krise aus
Ein Energiebündel auch noch mit 70: Clemens Filzhofer (Walter Kreye) will einfach nicht kürzer treten – und denkt gar nicht daran, den Familienbetrieb in die Hände seines Sohnes Peter (Johann von Bülow) zu legen. Auf eine Reise nach Kuba könnte der Workaholic auch gut und gern verzichten: Was haben sich da seine beiden Kinder nur wieder dabei gedacht!? Umso perplexer sind Peter und Martina (Annika Kuhl) nach der Rückkehr ihres alten Herrn. Der Witwer hat die Lebenslust entdeckt – und sich verliebt: in Esperanza (Isabelle Redfern), eine temperamentvolle Kubanerin und über 30 Jahre jünger als er. Die beiden wollen heiraten. Regelrecht geschockt ob des Hormonrauschs ihrer heimlichen Liebe ist Agnes (Lisa Kreuzer), die beste Freundin von Clemens’ Frau und seit Jahren Teil der Familie. Auch Peter sieht nun alle seine Felle davon schwimmen, denn die Vitalität seines Vaters beschränkt sich nicht aufs Private. Als Esperanza vermeintlich das Konto ihres „Sugar Daddy“ plündert und als sich herausstellt, dass sie noch andere Geheimnisse hat, will Peter den Vater vor sich selber schützen. Nur seine Frau Andrea (Rebecca Immanuel) und Tochter Sabrina (Ella-Maria Gollmer), mit ihrem Vater in Dauerclinch, sehen die Sache etwas entspannter. Doch als dann noch Marihuana ins Spiel kommen, ist bei den Filzhofers aus Bayern die Kuba-Krise perfekt.
Jungwerden im Alter und Altwerden im „Mittelalter“
So ganz ungetrübt dürfte das Zusammenleben dieser Familie auch vor der vom Senior verursachten Kuba-Reise nicht gewesen sein. Der Vater war offenbar der klassische Macher-Typ: ein Mann, der einsamen Entscheidungen, in der Firma wie am Familientisch. „Papa und die Braut aus Kuba“ erzählt also nicht nur von unlockeren „Kindern“, die sich irritiert zeigen über ihren plötzlich lebenshungrigen Vater, der Film erzählt indirekt auch von enttäuschten „Kindern“, die nun, wo sie erwachsen sind, sich in der Rolle wiederfinden, in die sie der Vater gedrängt hat: Die Tochter ist vor lauter Papa-Ehrfurcht zur grauen Maus geworden, die keinen anderen Mann in ihr Leben lässt, und der Sohn ist ein Spießer, der vorrangig die Arbeit sieht und seiner Familie, der attraktiven Gattin und der erfrischend selbstbewussten Tochter, nur wenig Aufmerksamkeit schenkt. Dieses Jungwerden im Alter und dieses Altwerden im „Mittelalter“ mit der Pointe, dass der Vater immer den Ton angeben muss und er seine Kinder herausfordert, besitzt etwas Tragikomisches. Sie fühlen sich nun ein Stück weit betrogen: Da haben sie ein halbes Leben lang ihrem Vater nachgegeben und einen Lebensstil angenommen, den der Vater nun urplötzlich infrage stellt. Außerdem ist selbstredend Eifersucht im Spiel; seine Kinder hat der alte Filzhofer sicher nie so wertgeschätzt wie seine Esperanza. Der Film erzählt also keineswegs von undankbaren erwachsenen Kindern, die um ihr Erbe bangen, wie man auf den ersten Blick annehmen könnte. All das, was zwischenzeitlich ins Auge gefasst wird, Entmündigung inklusive, ist nur Ausdruck der allgemeinen Ratlosigkeit dieser Familie, in der bisher alles seine Ordnung hatte.
Die Geschichte unter den Scheffel der Dramaturgie gestellt
Dass man neben den Offensichtlichkeiten (Generationenkonflikt plus Umkehrung, das Spiegeln von Vorurteilen und – am Rande – Homosexualität als Liebesoption) die zahlreichen Zwischentöne der Geschichte leicht übersehen kann, liegt an der Erzählweise von „Papa und die Braut aus Kuba“, die sich beim Sehen des Films überdeutlich in den Vordergrund schiebt. Autor Hardi Sturm („Luises Versprechen“) kann sich nicht entscheiden, ob er von den Figuren oder dem Genre ausgehend erzählen möchte, ob er mit überzeichneten Komödien-Methoden oder eher Charakter-orientiert operieren möchte. Als Zuschauer vermisst man eine klare Erzählhaltung. Die Figuren, allen voran die vom Lustmolch zurückgesetzte „beste Freundin“, werden in den ersten 45 Minuten an den Klamauk verraten – um letztlich die Fallhöhe der Komödie für den Fortgang der Handlung zu nutzen. Nicht minder problematisch ist es, wenn Figuren dumm gehalten werden: dass der alte Filzhofer den Schmerz seiner guten Freundin nicht sieht, weil die Dramaturgie ein ernstes Gespräch erst später vorsieht, ist eine solche Situation. Da muss sich der Zuschauer ähnlich für dumm verkauft vorkommen wie auch bei der gedehnten Exposition: Der Filmtitel gibt bereits die nötigen Informationen. Und wenn man schon so umständlich das Vorher und Nachher der Reise gegeneinanderstellt, dann hätte das Intro den „alten Vater“ und die Beziehung zu seinen Kindern noch etwas deutlicher machen dürfen. Man hat bei diesem Film den Eindruck, dass er sein narratives Potenzial versteckt, dass sich die Geschichte unter den Scheffel der Dramaturgie stellt.
Zu viel Geplänkel am Rande, zu wenig Schlüsselszenen
Keine eindeutige Erzählperspektive zu haben, mag ein Statement in Richtung „Alle Figuren sind ähnlich wichtig“ sein – dann wäre es aber auch schön gewesen, wenn der Autor die von Annika Kuhl gespielte Tochter etwas stärker berücksichtigt hätte; sie kommt nicht nur innerhalb der Familie, sondern auch in der Filmhandlung deutlich zu kurz. Die Konzentration auf die Familie und das weitgehende Auslassen des Dorfes, das sich sicherlich das Maul verbrennt über den Lustgreis, war dagegen die richtige dramaturgische Entscheidung. Man hätte aber auch auf wenig zwingende Szenen wie Agnes Friseurbesuch oder das Bestellen der Hochzeits-Location verzichten können, um so mehr Zeit zu haben für die Szenen, in denen es ans Eingemachte innerhalb der der Familie geht. Und auch die Szenen, die auf Witz ausgerichtet sind, geraten häufig zu langatmig und sind sprachlich viel zu wenig pointiert. „Die spricht aber gut Deutsch“, meint die bayerische Verkäuferin im Brautmodengeschäft. Darauf Esperanza (das ist ein Witz mit Ansage): „Kann die auch Deutsch sprechen?“
„Pseudoliberale Multikultiposse vom Reißbrett: Kubanisches Klischeetemperament trifft auf deutsche Biederkeit – Dünkel, Vorurteile usw. inklusive.“ (TV-Spielfilm)
Rudert die ARD Degeto beim Freitagsfilm wieder zurück?
Wer sich an Komödien wie „Süßer September“, „Drunter & Brüder“ oder „Der Liebling des Himmels“ oder an Dramödien wie „Besuch für Emma“, „Für eine Nacht und immer?“ oder „Nur für Feiglinge“ gewöhnt hat, dem muss es schwer fallen, trotz gelungener Besetzung, einem stimmigen Feelgood-Schlussviertel und ein paar starken Szenen zwischen Vater und Sohn mit dem Film von Thorsten M. Schmidt warm zu werden. Auch wenn man am Ende dann doch irgendwie zum Kern der Geschichte vordringt und die Komödie dann doch als Dramödie erkennt: Es hapert einfach an der Feinabstimmung zwischen den Tonlagen. Wurde man gerade noch Zeuge eines ernsthaften Gesprächs, lautet in der nächsten Szene die deutliche Botschaft: „Achtung, Komödie, bitte schmunzeln!“ So kommt schließlich kein echter „Flow“ auf. Berücksichtigt man, dass die Produktionsfirma von „Papa und die Braut aus Kuba“ den besten Degeto-Film der Saison 2015/16, „Sturköpfe“, produziert hat und Produzentin Alicia Remirez mit dem 2014er Highlight „Mona kriegt ein Baby“, zeigte, wie ein guter Tonlagen-Mix aussehen kann, muss man annehmen, dass die Degeto mit verantwortlich ist für die wieder schwindende Qualität am Freitagabend, die auch in Produktionen wie „Die Hochzeitsplanerin“, „Unser Traum von Kanada“ oder „Endstation Glück“ deutlich wird.