Ein Franzose (Mehdi Nebbou) liebt „die Macht der Nacht“. Es gibt zu viele attraktive Menschen. Seine deutsche Freundin (Friederike Kempter) lässt sich drauf ein – allerdings mit einer solchen Ehrlichkeit und vor allem „Gründlichkeit“, dass es ihm am Ende gar nicht recht ist… Ein anderes Paar kommt zum Psychologen nur mal schnuppern. „Bei uns läuft alles super“, weiß ER (Dominique Horwitz) und gibt sich auffallend locker; derweil SIE (Melika Foroutan) in ihrem kleinen Schwarzen auf der Couch unruhig hin und her rutscht. Es fließen Tränen. Ist wirklich alles gut?… Auch der in die Jahre gekommene prollige Partyfeger (Katja Riemann) und ihr jugendlicher Zahnarzt (David Kross) haben offenbar sehr konträre Bedürfnisse: SIE wolle „auf Knopfdruck Sex“ und ER wolle bemuttert werden… „Lieben Sie Ihr Leben?“ Eine junge Frau (Nora Tschirner) kommt auf 3 von 50 Punkten – Grund genug mal beim Psychotherapeuten vorzusprechen und sich über die übersteigerten Ansprüche moderner Frauen auszulassen. Sie ist nicht auf den Mund gefallen, weiß auch über alles Bescheid, nur nicht, wo sie steht. Und ihr Partner (Erik Lautenschläger)? Der sitzt da und schweigt… Eine unzufriedene Geliebte (Sibel Kekilli) und ein glücklicher Bigamist (Christian Ulmen) sind sich uneinig über ihre Beziehung. SIE sieht sich als Nummer zwei, für IHN ist die Affäre mit ihr der Inbegriff von Freiheit. Sie sei der Sportwagen, seine Frau der Multi-Van. Dann lässt er sich doch scheiden. Und wieder scheint er zufriedener zu sein als sie…
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„Das kollektive Bedürfnis der Menschen, um jeden Preis zusammenzubleiben, erscheint mir so absurd. Wenn Filme oder Märchen mit der Hochzeit enden, denke ich: Da beginnt das Dilemma doch erst. Die Paartherapie ist für mich die Konzentration dieser Verrücktheit“ (Autor/Regisseur Johann Buchholz)
Monologe über die Liebe. Kurze Dispute über die vielfältigen Vorstellungen von Glück und Partnerschaft. Die Protagonisten sind Menschen, die einen Dritten brauchen, als Zuhörer, weniger als Ratgeber. Der Therapeut bleibt unsichtbar, sprachlos und er sitzt dort, wo die Kamera steht. Die Arte-Serie „Paare“ versetzt den Zuschauer in die Rolle des Therapeuten, auf Augenhöhe mit den Beziehungspartnern. Der Autor und Regisseur Johann Buchholz hat für zehn Kurzfilme 20 zum Teil namhafte deutsche Schauspieler auf die Couch geholt und ihnen alltägliche und weniger alltägliche Beziehungskisten angedichtet und zehn unterschiedliche Lösungsversuche in den Mund gelegt. Mal spiegeln diese Drei- bis Vier-Minüter typische Beziehungsmuster (ER hört IHR nicht zu; zwei leben auf fremden Planeten), mal kotzt sich ein Mann wie Samuel Finzis Unterhemd-Macho im Monolog aus; mal kreist eine Frau wie Nora Tschirners vom perfekten Frauen-Bild Getriebene im Konjunktiv um sich selbst. Ist der Partner bereit, sich oder die Situation, in der die Liebe gelebt wird, zu verändern wie beispielsweise in den Filmen mit Ulmen und Kempter, ist harmonietechnisch wenig gewonnen: denn einer von beiden bleibt unzufrieden. Gibt’s also so etwas wie eine Moral der zehn kleinen Geschichten? Etwa im Sinne von: „Den anderen verändern geht nach hinten los“? Wohl eher nicht. Aber es gibt eine Meta-Botschaft: Alle Paare kämpfen verzweifelt um ihre häufig aussichtslosen Beziehungen. Buchholz nennt Liebe eine „schwere Geisteskrankheit“.
„Paare“, das sind zehn flüchtige Begegnungen, die in ihrer Kürze mindestens so viel über die universalen Paradoxien des Menschlichen, die Logik des Widerspruchs, aussagen wie über den ganz normalen Beziehungswahnsinn, die Paar-Psychologie, im Zeitalter von Narzissmus und Selbstverwirklichung. Paul Watzlawick hätte seine Freude daran gehabt.