Opa wird Papa

Ernst Stötzner, Christina Große, Silke Steiner, Herling. Hintergründig komisch

Foto: Degeto / Oliver Feist
Foto Tilmann P. Gangloff

Der Titel bringt es auf den Punkt: „Opa wird Papa“ (Degeto / Neue Schönhauser Filmproduktion) erzählt in einer schönen Mischung aus Heiterkeit und Tiefgang von Anton, einem Mann, der mit 62 Jahren in zweiter Ehe noch mal Vater wird. Weil er sich nicht dazu durchringen kann, seine Firma dem erwachsenen Sohn zu überlassen, versucht er zunächst, sich als Teilzeitpapa durchzulavieren, aber dann wird der kleine Otto zu einem Projekt, auf das er sein ganzes Dasein ausrichtet. Dank der Besetzung mit Ernst Stötzner wirken selbst die Missgeschicke, die Anton unterlaufen, nicht klamottig; die Komödie hat im Gegenteil auch immer wieder nachdenkliche Momente. Der kleine Otto ist ein Wonneproppen und macht große Lust auf Nachwuchs, ganz gleich, ob aus Eltern- oder Großelternperspektive.

Mit den Titeln ihrer Freitagskomödien hat die ARD-Tochter Degeto schon einige Male kräftig daneben gelegen, aber „Opa wird Papa“ ist in seiner prägnanten Schlichtheit ein Volltreffer: Der 62jährige Anton (Ernst Stötzner), Inhaber eines Ingenieurbüros, wird zum ersten Mal Großvater; und zum dritten Mal Vater. Die Szene, in denen er im Kreis seiner Lieben die freudige Nachricht verkündet, erinnert an die bösen Familienfilme von Stefan Krohmer: Die anderen reagieren erst mal mit betretenem Schweigen. Sohn David (Andreas Guenther) stellt nicht ohne Verbitterung fest, dass sich wieder mal alles nur um den Alten drehe. Schon vorher hatte jemand die Ankunft Antons mit den Worten „Der König kommt“ angekündigt. Und natürlich will der König nicht abdanken, bloß weil er im Opa-Alter noch mal Vater wird, selbst wenn er seiner zwanzig Jahre jüngeren zweiten Frau Johanna (Christina Große) eine Elternzeit versprochen hat, damit sie möglichst rasch wieder in ihren Beruf als Anwältin zurückkehren kann. Davids Hoffnung, in der Firma nun endlich mehr Verantwortung übernehmen zu können, wird enttäuscht: Anton kann nicht loslassen und will vom „Home Office“ aus weiterhin die Geschicke des Betriebs lenken, wofür ihn das Drehbuch von Silke Steiner (sehenswert: „Familie für Fortgeschrittene“, 2011), prompt bestraft. Eltern kennen das zur Genüge, wie in der Hektik alles schief geht, wenn man es richtig eilig hat: Anton muss zur Besprechung mit einem wichtigen potenziellen Auftraggeber, hat aber verschlafen. Eins kommt zum anderen, und als er mit dem Baby auf dem Arm die Wohnung verlassen will, spuckt es ihm aufs Jackett. Also geht er ohne Sakko aus dem Haus; beim Auto fällt ihm dann ein, dass Wagen- und Wohnungsschlüssel noch in der Jackentasche sind.

Opa wird PapaFoto: Degeto / Oliver Feist
Sommer in Berlin. Markus Herlings luftige Inszenierung ist neben dem lebensklugen Drehbuch und den ausgezeichneten Schauspielern ein weiterer dicker Pluspunkt dieses unterhaltsamen Familienfilms, der aus dem Alltag seine Wahrheit schöpft. Und gleich zu Beginn kommt durch Henry Mancini Easy-Listening-Sixties-Flair auf.

Ernst Stötzner, der nicht nur als Vater von Titelheldin Helen Dorn in den Samstagskrimis des ZDF oft eher verschlossene Zeitgenossen verkörpert, spielt diese Momente mit stiller Verzweiflung, sodass sie nie klamottig werden. Dass der Schauspieler (Jahrgang 1952) einige Jahre älter ist als seine Figur, lässt Momente wie jene, als Anton ein Hexenschuss ereilt, noch authentischer wirken. Dazu passt ein Albtraum, in dem er zu „Hallelujah“-Klängen eine Kombination aus Kinderwagen und Rollator ersteht. Diese Szene ist typisch für den Ansatz des Films: Regisseur Markus Herling lässt zwar nie einen Zweifel daran aufkommen, dass „Opa wird Papa“ eine Komödie ist, aber er hat viele Ereignisse so umgesetzt, dass sie eher hintergründig komisch wirken. Das gilt vor allem für den zweiten Akt: Als Anton während eines geschäftlichen Telefonats in einem Laden nach dem falschen Babytragesitz greift und als Kidnapper da steht, sieht er ein, dass sich Ottos Bedürfnisse nicht nebenbei verwalten lassen. Aber nun schlägt sein Verhalten ins Gegenteil um: Das Baby wird zu einem Projekt, auf das er sein ganzes Dasein ausrichtet; er lässt dem Kleinen alle nur denkbaren frühkindlichen Förderungen zuteil werden. Seine Umgebung ist beeindruckt von dem Sinneswandel, stellt dann aber ernüchtert fest, dass er bloß einen neuen Weg gefunden hat, sein Ego auszuleben; kein Wunder, dass sich Johanna vernachlässigt fühlt. Außerdem ist sie sauer, weil der Gatte ihr vorwirft, Ottos erste sieben Lebensmonate verschwendet zu haben.

Opa wird PapaFoto: Degeto / Oliver Feist
Ein Papa nach Maß: Anton (Ernst Stötzner) setzt auf Frühförderung und besucht mit Otto eine FenKid-Gruppe.

All’ das wäre ohne Frage auch ein guter Satirestoff, aber das ist nicht der Ansatz des Films. Es gibt zwar einige komische Einfälle auf Antons Kosten, wenn er beispielsweise mit Krawatte und Jackett einer Videokonferenz beiwohnt und sich beim Aufstehen offenbart, dass er unten rum bloß einen Boxershort trägt, aber ansonsten nimmt Herling seine Hauptfigur ernst; mitunter auch bitter ernst, wie sich in den Szenen mit seinen Kindern zeigt. Als David sein Konzept zur dringend nötigen Umstrukturierung der konservativ ausgerichteten Firma ungelesen im Kinderwagen entdeckt, hat er endgültig die Nase voll. Andreas Guenther, in vielen Krimis mindestens Verdächtiger, wenn nicht Schurke, wird sich gefreut haben, mal eine normale Figur zu spielen; dass David seine Schwester ständig „Schwesterchen“ nennen muss, ist nicht seine Schuld. Deren Darstellerin macht ihre Sache ähnlich gut: Leonie Parusel hat zwar schon in Filmen und Serienfolgen mitgewirkt, ist aber unbedingt noch zu entdecken.

Herling hat die Schauspieler ohnehin ausnahmslos gut geführt. Der Regisseur hat für die Degeto schon mal einen „Opa“-Film gedreht, allerdings mit weitaus jüngerer Hauptfigur („Opa, ledig, jung“, 2015); weitere Freitagsfilme und ebenfalls sehenswert waren „Seitensprung mit Freunden“ sowie „Maria, Argentinien und die Sache mit den Weißwürsten“. Für Sat 1 hat er zudem das anspruchsvolle erotische Beziehungsdrama „Verführt – In den Armen eines Anderen“ inszeniert (alle drei 2016 ausgestrahlt). „Opa wird Papa“ zeichnet sich vor allem durch eine sympathische Luftigkeit aus. Schon die ersten Bilder, als Anton seiner Frau ein zum Verkauf stehendes Seegrundstück zeigt, sind schönstes Sommerfernsehen. Das rote Cabrio, Johannas rotes Kleid, ihre Reaktion („Ich habe auch eine Überraschung“): Die Einführung setzt ein vorwiegend heiteres Vorzeichen; daran können auch die gelegentlichen bissigen Krohmer-Elemente nichts ändern, zumal der Film seine positive Stimmung dank der warmen Farben beibehält. Sehr schön ist auch die entspannte und mitunter regelrecht zärtliche Musik von Birger Clausen, die die unterschiedlichen Stimmungen der Handlung nicht hervorruft, sondern aufgreift; allerdings sorgt sie auch dafür, dass eine eigentlich ganz normale Szene, als Anton mit Otto durch eine Kindertagesstätte streift, sehr berührend wirkt. Pure Lebenslust verströmt dagegen eine Schnittfolge mit Momenten, die Vater und Sohn in den Kindergruppen erleben, unterlegt vom Disco-Klassiker „Daddy Cool“. Der Film macht sowieso große Lust auf Nachwuchs, ganz gleich, ob aus Eltern- oder Großelternsicht. Deshalb ist es auch völlig korrekt, dass Baby-„Darsteller“ Marlo Keysers an dritter Stelle genannt wird: Der knopfäugige kleine Bursche ist ein echter Wonneproppen.

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Fernsehfilm

ARD Degeto

Mit Ernst Stötzner, Christina Große, Marlo Keysers, Andreas Guenther, Leonie Parusel, Guntbert Warns, Sabine Vitua, Ben Braun

Kamera: Stefan Unterberger

Szenenbild: Bärbel Menzel

Kostüm: Majie Pötschke

Schnitt: Nils Landmark

Musik: Birger Clausen

Soundtrack: The Rolling Stones („Can’t You Hear Me Knocking”), Boney M. („Daddy Cool”), Mazzy Star („Into Dust”), Henry Mancini („Breakfast At Tiffany’s“)

Redaktion: Sascha Mürl, Sascha Schwingel

Produktionsfirma: Neue Schönhauser Filmproduktion

Produktion: Boris Schönfelder

Drehbuch: Silke Steiner

Regie: Markus Herling

Quote: 3,97 Mio. Zuschauer (13,1% MA)

EA: 06.04.2018 20:15 Uhr | ARD

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