Immer cool, mürrisch und schlagfertig, Sonnenbrille, die Zigarette lässig im Mundwinkel: Henry (Michael Pink) gibt sich so, als hätte er zu viele Filme mit Jean-Paul Belmondo oder Humphrey Bogart gesehen. Der schwarze Anzug passt immerhin gut zu seinem Job als Sterbehelfer, den Henry routiniert und ungerührt zu verrichten scheint. Er arbeitet in einem Verein, der sein großzügiges Gebäude direkt auf der Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz errichten ließ. Eine Markierung verläuft mitten durch den Raum, so dass man das Bett mit der alten Dame aus Deutschland nur ein wenig verschieben muss, um ihr den Wunsch nach Sterbehilfe legal zu erfüllen. Eine hübsche, leicht surreale Idee, die im Film natürlich trotzdem funktioniert, auch wenn das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichts mittlerweile das Verbot einer „geschäftsmäßigen Sterbehilfe“ in Deutschland aufgehoben hat. Karlsruhe betonte in seinem Urteil das Recht auf selbstbestimmtes Sterben – eine Auffassung, die bestens zum Inhalt der Tragikomödie „Now or Never“ passt.
Foto: SWR / Un attimo Photographie
Die Exposition braucht ein bisschen, bis es zum eigentlichen Vergnügen des Films kommt, dem Roadmovie. Aber der Beginn setzt mit schwarzem Humor bereits treffend den Tonfall: Henry verschafft einer alten Dame mit Knochenkrebs den gewünschten „sanften Tod in wenigen Augenblicken“. Die Kamera zeichnet auf, wie er sie ein letztes Mal befragt („Möchten Sie aus freiem Willen sterben?“) und dann das Glas mit dem todbringenden Medikament in die Hand gibt, damit sie es selbst einnimmt. Zuvor hatte er zupackend die zeternde Verwandtschaft aus dem Raum befördert, nachdem ihm die alte Dame zuflüsterte: „Am liebsten würde ich ohne die abtreten.“ Damit hat dieser Sterbehelfer, der vielleicht als etwas zu betont unkonventionell angelegt ist, die Sympathien des Publikums gewonnen. Die reizvolle Idee des Drehbuchs: Die eigentliche Leidensfigur des Films ist der gesunde Henry, dessen Frau vor mehr als sieben Jahren starb und der nun von der todkranken Rebecca (Tinka Fürst) an den Wert des Lebens und die vielen Facetten des Glücks erinnert wird. Das bleibt zwar erst einmal nur angedeutet, ist aber auch nicht sehr schwer vorherzusehen.
Henry erhält von seiner Chefin nach der Brüskierung der zeternden Verwandtschaft als „letzte Chance“ den Auftrag, die an einem Hirntumor erkrankte Rebecca beim Sterben zu begleiten – vorher aber noch herauszufinden, ob sie wirklich dazu entschlossen ist. Die hübsche junge Frau gibt sich bei der ersten Begegnung fröhlich-entschlossen: „Heute Nacht werden noch mal richtig die Ferkel gefüttert und morgen wird gestorben.“ Die flapsigen Sprüche sind nicht immer super-originell („So’n Krebsgeschwür ist kein Zuckerschlecken“), aber die unbefangene Leichtigkeit, mit der hier das Tabuthema Tod angegangen wird, ist sympathisch. Zumal es mit Tempo vorangeht und die Geschichte mit skurrilen Episoden gespickt ist.
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Rebeccas vermeintlich letzte, wilde Nacht in einem Club endet mit einem Zusammenbruch samt Schüttelkrampf. Am nächsten Tag weigert sie sich dann doch „auszuchecken“, wie Henry sich auszudrücken beliebt. Im Radio habe sie von einem Wunderheiler in den Schweizer Bergen gehört, sagt Rebecca, dort solle sie Henry hinbringen. Den Brief „Von Antje an Henry“, den seine verstorbene Frau geschrieben und den der Sterbehelfer in Rebeccas Hotelzimmer verloren hatte, benutzt sie als Druckmittel. Ist jetzt vielleicht auch nicht ganz logisch, aber Logik ist in diesem Genre nicht unbedingt das wichtigste Kriterium. Kurz nachdem sich beide auf den Weg machten, taucht Daniel (Sebastian Jehkul) auf. Rebeccas Ehemann hält Sterbehilfe für Mord und will nicht wahrhaben, dass seine Frau freiwillig aus dem Leben scheiden will. Gemeinsam mit Henrys Kollege und früherem Freund Benno (Johannes Allmayer) nimmt der aufbrausende Zeitsoldat die Verfolgung auf. Der eher gutmütige Benno wiederum ist angeblich „der Mann, der meine Frau getötet hat“, wie Henry später erläutern wird. Zwei ungleiche Paare sind nun also unterwegs durch die schöne Alpen-Landschaft, was auch deshalb ein Vergnügen ist, weil sich die parallel geschnittenen Dialoge in beiden Autos geschickt ergänzen und gegenseitig anzutreiben scheinen.
Spielerisch leicht geht es dabei um den Wert des Lebens, die Angst vor dem Tod und auch um die Frage, ob man geliebte Menschen vom selbstbestimmten Tod abbringen sollte. Immer höher geht es hinauf, was man wohl metaphorisch verstehen darf: dem Himmel entgegen. Immer mit dabei: Elvis, der unsterbliche (!) „King of Rock’n’Roll“, denn wegen eines bevorstehenden „Elvis Tribute“ sind zahlreiche Doubles unterwegs. Benno und Daniel steigen schließlich in einen prächtigen Ami-Schlitten um, wobei dieser Elvis (Till Butterbach) einen eher lebensmüden Fahrstil pflegt („Wer später bremst, ist länger schnell“). So fügt sich der ein oder andere Elvis-Song ganz selbstverständlich ein in dieses flotte Roadmovie. Natürlich auch das titelgebende „It’s now or never“, das Rebecca auf einer alten Kassette im Handschuhfach von Henrys Auto findet. Sehr komisch auch die urigen Schweizer Typen wie das alte Krämer-Ehepaar (Regula Steiner-Tomic, Walter Hess) und der vermeintliche Wunderheiler Schocher (Christian Kaiser), die den Weg weisen zum Schauplatz des sentimentalen und, ja, ein bisschen herzzerreißenden Finale. (Text-Stand: 2.6.2020)
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