Auf Sylt gehen die Uhren anders. Da bleibt genügend Zeit für Kommissar Clüvers morgendliche Nassrasur. Nach dem Frühstück gibt es aber doch eine Leiche. Die ist schon ein paar Jährchen alt, 20 Jahre genau genommen. Damals verschwand die 18-jährige Maria spurlos. Ein Gewaltverbrechen ist nicht nachweisbar. Der Kommissar und seine Kollegin Ina Behrendsen haben also wieder genügend Zeit für die wichtigeren Dinge: Clüver für die indische Heimsuchung seiner Frau und Behrendsen für die Suche nach ihrem dementen Vater. Bis Feldmann eintrifft, der bis in die Haarspitzen motivierte neue Kollege von der Ostsee – Spezialgebiet: Profiling. Clüver hält es dagegen mehr mit Klönen, notfalls auch mit dem Mörder. Denn einen Mörder suchen die drei jetzt doch, nachdem der wohlhabende Privatier und notorische Puffgänger Hannes Jensen erschossen und auf einem riesigen Steuerrad aufgebahrt wurde. Eine Hinrichtung. Am Samstag sollten er und seine Kumpels beim „Tag der Miesmuschel“ mit ihrer Band „Die Küstensoldaten“ auftreten. Das kann er nun vergessen.
Foto: ZDF / Christine Schroeder
Kann man einen Kommissar ernst nehmen, der morgens mit seinem Hund redet und ihm von irgendwelchen Erlebnissen mit Mick Jagger vorschwärmt? Natürlich nicht. Muss man auch nicht. Denn „Nord Nord Mord“ ist kein Film, dem man mit Realismusansprüchen begegnen sollte, und kein Krimi, dem sich mit Logik beikommen lässt. Robert Atzorn beweist einmal mehr, dass er nicht der „große“ Schauspieler ist, sondern dass seine Qualitäten im Leichten liegen, als Sympathieträger, und dass er dann gut ist, wenn er nah bei sich selbst ist und er entspannt einen netten Menschen verkörpern kann. Im „Tatort“ und als ZDF-„Kapitän“ war er auf dem falschen Dampfer. Ihm glaubt man diese Kämpfe auf Leben und Tod einfach nicht. Ob das mit Lehrer Specht oder seinem Ländle-Pfarrer zu tun hat? Egal, Theo Clüver jedenfalls steht ihm besser zu Gesicht. Und auch seine Verstärkung kann sich sehen lassen. Da ist die zart burschikose Julia Brendler und Oliver Wnuk, dessen „Profiler“ irgendwo zwischen seinen beiden seriellen Rollen in „Stromberg“ und „K3 Kripo Hamburg“ verortet ist.
„Weniger Profiling und lieber mehr Krabbenpulen“, so das Motto von Clüver & Co. „Bei uns läuft so schnell kein Mörder weg“, weiß der Kommissar. Da bleibt Autor Lars Albaum genug Zeit für kleine Randepisoden: die Anbandelungsversuche von Feldmann bei seiner Kollegin, die Indien-Marotte mit Mango-Lassi und Tantra-Gymnastik und die guten alten Rock-&-Roll-Zeiten. „Nord Nord Mord“ ist ein launiger Krimi, der einiges von der norddeutschen Insel-Stimmung vermittelt, ohne das Folkloristische zu übertreiben. Das ist nicht überoriginell, kein Comedy-Krimi wie Albaums „Dr. Psycho“, aber sehr solide, sehr ZDF-spezifisch – und hinter den 90 Minuten steht natürlich der Sender- und Produzentenwunsch nach einer losen Reihe.