Nord Nord Mord – Sievers und der tiefe Schlaf

Peter Heinrich Brix, Oliver Wnuk, Julia Brendler, Valerie Niehaus, Berno Kürten. Tote schlafen besser

Foto: ZDF / Georges Pauly
Foto Tilmann P. Gangloff

Der 26. „Nord Nord Mord“-Krimi erfreut wie stets durch kleine Heiterkeiten sowie ausnahmslos sehenswerte Leistungen des bewährten Trios Brix, Wnuk und Brendler. Die Parallelen zum Klassiker von Raymond Chandler beschränken sich allerdings auf den Titel: In „Sievers und der tiefe Schlaf“ (ZDF / Network Movie) verpasst der Sylter Hauptkommissar Sievers einen Mord, weil er sich nach einer Hypnose noch in einer Art Trance befindet. Das diesmal um Valerie Niehaus ergänzte Ensemble sowie diverse Schmankerl lassen verschmerzen, dass Berno Kürtens Inszenierung gänzlich frei von Überraschungen ist.

Wenn sich eine Krimireihe eines prominenten Titels bedient, weckt das natürlich Erwartungen. „Sievers und der tiefe Schlaf“ hat aber rein gar nichts mit dem nahezu gleichnamigen und später in „Der große Schlaf“ (1939) umbenannten Klassiker von Raymond Chandler zu tun. Der mit Humphrey Bogart („Tote schlafen fest“, 1946) verfilmte Krimi war der erste Auftritt von Philip Marlowe. Abgesehen vom Alter wäre Peter Heinrich Brix (Jahrgang 1955) dank seiner stoischen Mimik ebenfalls ein geeigneter Darsteller des Privatdetektivs, den in einer späteren Neuverfilmung auch Robert Mitchum verkörpert hat („Tote schlafen besser“, 1978). Genau genommen ist der Titel des „Nord Nord Mord“-Falls Nummer 26, „Sievers und der tiefe Schlaf“, ohnehin nicht ganz korrekt, denn der Hauptkommissar hat keineswegs geschlafen, als in seiner unmittelbaren Nähe eine Frau gestorben ist. Richtig wach war er jedoch auch nicht, und deshalb sind die Ermittlungen etwas kompliziert.

Nord Nord Mord – Sievers und der tiefe SchlafFoto: ZDF / Georges Pauly
Tabea Krawinkel (Victoria Trauttmansdorff) und der Stoiker unter den TV-Kommissaren: Carl Sievers (Peter Heinrich Brix).

Das Drehbuch von Regisseur Berno Kürten, der schon einige Male in beiden Funktionen für die Reihe tätig war (Koautor: Sven Nagel), kommt ohne lange Vorrede gleich zur Sache: Sievers ist von seiner Freundin zu einem Madeira-Urlaub überredet worden. Eine Hypnotiseurin soll ihm die Angst vorm Fliegen nehmen. Kaum hat die Frau den Kommissar in Trance gependelt, klingelt’s an der Tür. Kurz darauf ertönt ein Schrei, Sievers erwacht, geht in den Flur, sieht die Frau leblos am Fuß der Kellertreppe liegen und kriegt einen Stoß ins Kreuz. Dass er beim anschließenden Sturz abgesehen von einer vorübergehenden Ohnmacht und paar Prellungen mit dem Schrecken davonkommt, ist reine Glückssache.

Im Keller des Hauses findet sich eine Cannabis-Plantage, die offenkundig weit mehr als bloß einen Eigenbedarf deckt, und jetzt wird der Fall des Opfers womöglich auch ein Mordfall: Josefa Petersen wollte nach Kreta auswandern. Für den Neuanfang brauchte sie Startkapital. Ihr Eigenheim in bester Lage und mit unverbaubarem Blick aufs Watt hätte viel Geld gebracht, mit einem Makler war sie bereits im Gespräch, und weil die Marihuana-Pflanzen nicht ihr gehören, drängen sich prompt zwei Verdächtige auf. Tochter Selma (Tara Luise Fischer) und ihr Freund Sven (Anselm Bresgott) betreiben, wie es Hendricks, der Makler (Jophi Ries), reichlich abschätzig formuliert, eine „Bastelbude und eine Fahrradklitsche“: Sie restauriert Möbel, er repariert Fahrräder. Das teure Leben auf Sylt lässt sich so kaum finanzieren; daher die Plantage. Die Pflanzen hätten natürlich verschwinden müssen, bevor Hendricks Interessenten durchs Haus führt, und vom Erlös des Verkaufs hätte Selma rein gar nichts.

Die sympathische Tochter und ihr Freund kommen jedoch kaum für den Mord infrage. Ein weiterer Verdächtiger verschwindet ebenfalls recht rasch von der Liste: Der sogenannte Inselheiler (Kailas Mahadevan) könnte sich zwar einer unliebsamen Konkurrentin entledigt haben, hat aber dank seiner Kundschaft ein Alibi. Kommissar Hinnerk Feldmann (Oliver Wnuk) mutmaßt ohnehin, dass Josefa Petersen einfach bloß unglücklich gestürzt ist. Die Wahrnehmungsfähigkeit seines Chefs könnte beeinträchtigt gewesen sein, weil die Bewusstseinsveränderung nicht rückgängig gemacht wurde. Dabei ist Feldmann selbst deutlich mehr von der Rolle: Die gemeinsame Wohnung mit Ina Behrendsen (Julia Brendler) ist wegen Eigenbedarfs gekündigt worden, was er der Kollegin dummerweise nicht mitgeteilt hat. Nun ist sie sauer, aber nur kurz, denn Hendricks’ Frau Mette (Valerie Niehaus) ist eine gute Freundin, die sich über Ina als Mieterin sehr freuen würde.

Nord Nord Mord – Sievers und der tiefe SchlafFoto: ZDF / Georges Pauly
Ein schöner Tag am Strand. Und ein schöner Ensemble-Zuwachs in Episode 26: Mette (Valerie Niehaus), mit Ina (Julia Brendler).

Eine echte kriminalistische Herausforderung ist der Fall allerdings nicht gerade, doch darauf kommt es bei „Nord Nord Mord“ erst in zweiter Linie an; die Reihe lebt vor allem vom Mit- und Gegeneinander der drei Hauptfiguren. Wie Sievers seinem forschen Mitarbeiter regelmäßig das Segel aus dem Wind nimmt, ist ebenso sehenswert wie die kleinen Eskapaden zwischen dem hoffnungslos verliebten Feldmann und seiner Mitbewohnerin, die partout keine „Freundschaft plus“-Beziehung eingehen will. Schauspielerisch sind die Filme ohnehin stets ein Vergnügen. Das gilt auch für die Sorgfalt im Detail: Josefa hat einst eine Weile in Kalifornien gelebt, Selinas Vater ist angeblich ein Musiker. Feldmann erwähnt umgehend die Folk-Rock-Band-„The Mamas and the Papas“, deren bekanntester Song, „California Dreamin’“, prompt erklingt und später auch von der Filmmusik aufgegriffen wird. Schmankerl wie dieses lassen verschmerzen, dass Kürtens Inszenierung gänzlich frei von Überraschungen ist.

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Reihe

ZDF

Mit Peter Heinrich Brix, Oliver Wnuk, Julia Brendler, Valerie Niehaus, Victoria Trauttmansdorff, Stephan A. Tölle, Anne Weber, Tara Luise Fischer, Anselm Bresgott, Jophi Ries, Kailas Mahadevan

Kamera: Georgij Pestov

Szenenbild: Thorsten Lau

Kostüm: Carola Neutze

Schnitt: Verena Herzog

Musik: Johannes Brandt

Redaktion: Peter Jännert

Produktionsfirma: Network Movie

Produktion: Jutta Lieck-Klenke, Dietrich Kluge

Drehbuch: Berno Kürten, Sven Nagel

Regie: Berno Kürten

Quote: 8,96 Mio. Zuschauer (36,9% MA)

EA: 03.05.2025 10:00 Uhr | ZDF-Stream

weitere EA: 12.05.2025 20:15 Uhr | ZDF

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