Falls diese 14. Episode aus der ZDF-Krimireihe „Nord Nord Mord“ überhaupt in Erinnerung bleiben wird, dann vermutlich wegen Hannelore Hoger: Marion Pless, lebenslustige Tante von Kommissarin Ina Behrendsen (Julia Brendler), ist dank diverser Scheidungen einigermaßen vermögend und hat endlich den richtigen Mann für den Lebensabend gefunden. Robert Hofstetter (Christian Kohlund), Gentleman und Charmeur alter Schule, ist ebenfalls wohlhabend; wenn die beiden ihrem dritten Frühling frönen, wirkt der Film wie eine heitere „Herzkino“-Romanze. Marion und Robert sind nach Sylt gekommen, um sich hier das Ja-Wort zu geben, aber selbstredend kann das beste Paar nicht in Frieden lieben, wenn’s eine böse Neiderin gibt: Esther Lindgren (Nina Petri) bezichtigt Robert der Heiratsschwindelei; angeblich hat er sie um eine halbe Million Euro erleichtert und sich dann auf Nimmer-Wiedersehen aus dem Staub gemacht. Weil die verkniffene Chemielehrerin den sympathischen Assoziationen, die ihr Nachname weckt, nicht im Entferntesten gerecht wird, hat Robert leichtes Spiel, den Vorwurf zurückzuweisen; auch wenn ein Hauch des Zweifels bleibt.
Mit dem vermeintlichen „Love Scamming“, wie diese Form des Liebesbetrugs auf neudeutsch heißt, ließe sich ohne Weiteres eine komplette Filmhandlung bestreiten, doch der Reihentitel erfordert einen Todesfall. Stefan Borg hat gemeinsam mit seiner Ex-Frau (Laura Lippmann) und einem Partner (Nikolai Kinski) eine Hochzeitsagentur betrieben. Es gab aber noch eine weitere Einnahmequelle: So gut wie jeder Mensch hat in seinem Leben mal eine Dummheit begangen, die er für sich behalten möchte. Borg hat einige dieser Geheimnisse herausgefunden und seine Kunden erpresst; und nun hat offenbar irgendjemand diesem Treiben mit einer Dosis Parathion, besser bekannt als das verbotene Pflanzenschutzmittel E 605, ein Ende gesetzt.
Thomas Oliver Walendys fünftes Drehbuch für „Nord Nord Mord“ hat zwar was, aber nicht genug, um aus dem Durchschnitt der Reihe herauszuragen. Das liegt auch an der ereignisarmen Inszenierung. Maria von Heland hat sich nach sehenswerten Märchenfilmen und Freitagskomödien für die ARD dem Krimi zugewandt und Episoden für „Solo für Weiss“ (ZDF) und „Julia Durant ermittelt“ (Sat 1) gedreht, die mal richtig gut, mal jedoch auch nur annehmbar waren. „Der schönste Tag“, ihr Sylt-Debüt, gehört in die zweite Kategorie. Selbst Oliver Wnuk, sonst ein Garant für großes Vergnügen, wirkt diesmal eher unterfordert, auch wenn viele der gemeinsamen Szenen mit Julia Brendler aus einer romantischen Komödie stammen könnten: Nach zehn Jahren der Zusammenarbeit und des Zusammenlebens wirken Behrendsen und Feldmann wie ein Paar, aber zu seinem großem Bedauern will die Kollegin, wenn überhaupt, keine Freundschaft plus, sondern eher minus, also ohne „Benefits“. Ansonsten ist die Umsetzung sehr schematisch: Die beiden besprechen sich mit ihrem Chef Sievers (Peter Heinrich Brix) im Revier, dann steigen alle ins Auto, um eine der beteiligten Personen aufzusuchen; es wird ohnehin auffällig viel Auto gefahren in diesem Film. Auch die touristischen Aufnahmen häufen sich derart, dass der Eindruck entsteht, die Regisseurin habe die Füllbilder verwenden müssen, um die Handlung auf neunzig Minuten zu strecken.
Umso mehr Spaß machen die Episodengäste, zumal Hoger und Kohlund offenkundig viel Freude an ihren Rollen hatten. Ein Vergnügen sind vor allem die Dreierszenen mit Hoger, Wnuk und Brendler: Die Kommissarin mag Tante Marion nicht, weil sie immer nur nach Sylt gekommen ist, wenn sie Geld brauchte. Feldmann hingegen ist sehr angetan, und Marion findet ihn auch ganz entzückend, weshalb sie die beiden umgehend als Trauzeugen engagiert. Interessant ist auch, was Sievers’ Therapeutin (Victoria Trauttmansdorff) über Heiratsschwindler zu berichten weiß: Diese oft narzisstisch veranlagten Männer sind so überzeugt von ihren erfundenen Biografien, dass sie subjektiv gesehen tatsächlich nicht lügen. Robert hat allerdings nicht nur eine plausible Erklärung für die offenkundigen Rachegelüste von Esther Lindgren, sondern auch für den falschen Namen, den er damals gewählt hat. Die Lehrerin kennt ihn als „Anton Wohlbrück“, eine kleine Verbeugung vor dem antifaschistischen österreichischen Schauspieler Adolf Wohlbrück (1896 bis 1967), der 1936 nach England emigrierte und sich dort den Künstlernamen Anton Walbrook gab. (Text-Stand: 22.2.2021)