Gabo (Carlo Krammling) fühlt sich zu Sam (Sammy Schrein) hingezogen, dem kleinen Bruder seines besten Schulfreundes Sebbo (Sean Douglas). Sam geht allerdings erst in die zweite Grundschulklasse, und auch wenn der 15 Jahre Gabo jede unangemessene Annäherung vermeidet, verunsichern ihn die eigenen Gefühle und verbotenen Phantasien enorm. Mit seiner Mutter Susanne (Katharina Marie Schubert) kann er darüber nicht sprechen und die ältere Schwester Emi (Bineta Hansen) ist ohnehin nur selten zuhause. Stattdessen sucht Gabo in einem Online-Forum Kontakt zu einem erfahrenen Mann. Er trifft sich mit Dave (beängstigend überzeugend: Robin Sondermann) in einem Café und gewinnt Vertrauen zu dem verständnisvollen Erwachsenen, der selbst auf Kinder steht. Dave rät Gabo davon ab, sich an eine Beratungsstelle zu wenden. Dennoch ruft der Jugendliche an, bricht dann aber das kurze Telefongespräch hilflos ab – ein Schlüsselmoment. Schließlich hat Dave den Jungen soweit, er trifft sich mit Gabo in einem Hotzelzimmer, schmeichelt ihm und setzt ihn zugleich unter Druck, so dass sich Gabo auf sexuelle Handlungen einlässt. Die Kamera schwenkt in dieser Szene nach unten: Gabos Füße stecken noch in Kindersocken – ein Bild, das genügt, um die Situation als Missbrauch zu kennzeichnen. Der potenzielle Täter wird selbst zum Opfer. Notwendiger Weise wird teilweise unverblümt geredet, und manche Dialog-Passagen oder Chat-Zitate sind abschreckend, aber in der visuellen Darstellung bleibt Regisseur Steve Bache zurückhaltend. Allein ein Urlaubsfoto am Strand dient als Beispiel für den schmalen Grat zwischen einem unverfänglichen privaten Schnappschuss und Kinderpornographie.
„Es ist klar, dass Menschen mit einer pädophilen Neigung auf Grund der Stigmatisierung Gefahr laufen, sich zu isolieren und innerlich zu vereinsamen, was zu einem großen psychologischen Druck und schließlich auch zu Straftaten führen kann. Unser Ziel ist dabei, einen Beitrag zum gesellschaftlichen Diskurs zu leisten und zu zeigen, was passiert, wenn man diese Menschen der Isolation preisgibt. Unsere Erzählung legt dabei aber nicht den Fokus darauf, wie man zum Täter wird, sondern es geht vielmehr darum, wie man es nicht wird. Denn wenn es eine Botschaft in unserem Film gibt, dann ist es das ganz klare Plädoyer zu mehr Prävention.“ (Steve Bache, Regie)
Beklemmend genau erzählt das Drehbuch von Stephan Kämpf, das gleichzeitig seine Abschlussarbeit an der Filmakademie in Ludwigsburg war, wie Gabos Not immer größer wird. Als Dave von einem anderen Jugendlichen angezeigt wird, gerät auch Gabo in den Fokus der Polizei und der hartnäckigen Kommissarin Juhasz (Sithembile Menck). Nun muss er erst recht fürchten, dass seine Familie und Freunde von seinen Neigungen erfahren. Der Versuch, sein intimes Geheimnis zu verbergen, wird immer aussichtsloser. Obwohl ein pädophiler Jugendlicher als Hauptfigur leicht auf Abwehrreflexe im Publikum stoßen könnte, gelingt es dem Film, Empathie für diesen verunsicherten Jungen zu wecken – dank der ruhigen, fokussierten Regie von Steve Bach und dem überzeugenden Spiel des Nachwuchsdarstellers Carlo Krammling. Interessant auch die Idee, die Möglichkeiten eines 3D-Duckers in die Inszenierung miteinzubeziehen. Das Langfilm-Debüt von Steve Bach bewahrt die Integrität seiner jugendlichen Hauptfigur, ohne dass Pädophilie verharmlost würde, und entwickelt gleichzeitig eine enorme Spannung. Wieder einmal ein bemerkenswertes Werk, das in Zusammenarbeit mit dem Kleinen Fernsehspiel des ZDF entstanden ist.