Vier junge Leute, zwischen 24 und 32 Jahren, versuchen in Berlin ihr Glück – doch es will mal wieder so gar nichts klappen! Da ist Wiebke (Josefine Preuß), Autorin mit hohen Ansprüchen & frecher Schnauze, die sich ihren Stolz bewahrt hat – bis ihr die Bank den Geldhahn zudreht. Jonas (Sebastian Fräßdorf), ihr Schreibkollege, ihr Ex und bester Kumpel, ist in seinen Ansprüchen nicht ganz so radikal: Er würde notfalls statt eines Drehbuchs auch pfiffige Aufschriften für Berliner Mülleimer texten; schließlich verlangt ihm auch sein schwuler Freund und Mitbewohner Basti (Tim Kalkhof), ein Leichtfuß, der sich lustvoll durch die Millionenstadt jobbt und vögelt, in Sachen Toleranz einiges ab. Die Jüngste im Bunde ist die reichlich naive YouTuberin Jenny (Marie Rathscheck), die sich bei der ständigen Suche nach der perfekten Startup-Idee gern mal von anderen ausnutzen lässt. Die vier Wahlberliner wohnen in einem noch nicht gentrifizierten Haus in Kreuzberg. Ihr Wohnzimmer: das gammlige Café im Erdgeschoss. Betreiber ist Lennart (Dirk Martens), ein desillusionierter und der Laune und der Laune nach typischer Berliner um die 50, der schon bessere Zeiten gesehen hat. Ein Beziehungsratgeber von ihm war ein Bestseller. Das ist nun aber schon 15 Jahre her. Nach dem Buch kam seine Scheidung. Sein letztes Date hatte er vor fünf Jahren. Dennoch gibt er den Jungen – auch ungefragt – gern Tipps: „Wer ficken will, muss Kohle haben.“
„Big in Berlin“, so soll die Serie heißen, die Wiebke und Jonas deutschen Sendern und TV-Produzenten anbieten. Sie thematisiert die Suche nach dem großen Ding, der coolen Idee, dem heißen Scheiß. Die ZDFneo-Serie „Nix Festes“ erzählt also in etwa das, was die Autoren im Film in den vier Mal 30 Minuten nicht realisiert kriegen. Der windige Werner Bunsen findet zu Beginn von Folge 1, „Offiziell am Arsch“, die Idee super, aber warum müssen es Leute um die 30 sein? Wie wäre es mit Senioren oder Behinderten, besser farbigen Behinderten, oder lieber gleich eine Puppen-WG. In Folge 4, „Lügen, Lügen und ein paar Wahrheiten“, scheint sich der Wind zu drehen – und der dynamisch ergraute Werner will „die Serie“ jetzt unbedingt machen. Allerdings nicht „Big in Berlin“, sondern „Voll verwirrt“, ein vor Jahren entwickelter Entwurf, mit dem das Ex-Paar damals offenbar ihre vergeigte Beziehung aufarbeiten wollte. Ein unpassender, völlig überholter Stoff (Jonas: „So ein Rotz“), zumal das Exposé offenbar gar nicht mehr existiert. Aber dann beschließen die beiden im Namen der (zwölfteiligen!) Serie, mit ihrer Beziehung aufzuräumen. Ist das vielleicht der Anfang vom Ende ihrer zwanghaften Suchbewegungen? Der Beginn einer neuen Phase? Bis dahin drehten sich die Figuren die meiste Zeit im Kreis. Ehrlichkeit und Selbstreflexion sind ihre Stärken nicht, sind aber auch nicht so wichtig für kreative oder lebenslustfixierte Großstädter in dieser ruhelosen Lebensphase. Am Ende von „Nix Festes“ aber könnte sich eine neue Perspektive auftun (zum Sex mit dem Ex ist es ja bereits gekommen): Für die „Generation beziehungsunfähig“ könnte nun doch die Paarungszeit beginnen. Vielleicht, vielleicht aber auch nicht.
Um die 30: an welche Serien man sich bei „Nix Festes“ erinnert fühlen könnte
Vor 23 Jahren gab es die ZDF-Serie „Um die 30“ mit Dominic Raacke, Natalia Wörner, Susanne Schäfer und Jürgen Tarrach, eine späte Reaktion auf die US-Serie „Die besten Jahre“ (OT: „Thirtysomething“) und zugleich ein öffentlich-rechtlicher Versuch, die noch nicht zu den Privatsendern übergelaufenen jungen Zuschauer bei der Stange zu halten. Danach kam die Kultserie „Friends“, woraufhin Sat 1 versuchte, mit „Freunde wie wir“ (1997) dem deutschen Markt etwas Ähnliches zu schenken. Die beiden deutschen Ableger, die im Zuge von breiten Kampagnen der Konkurrenz, „Wilde Herzen“ (ARD) und „Die jungen Wilden“ (RTL 2), entstanden sind, wurden mit viel Sorgfalt und viel Geld produziert, doch das Interesse der Zuschauer war gering: Die Jungen waren entweder schon weg oder ihnen waren die Filme nicht jung genug. Das ZDF-Hauptprogramm buhlt schon lange nicht mehr um diese Zielgruppe. 2018 hat man nun für solche Stoffe ZDFneo – und selbstverständlich nur noch einen Bruchteil des Budgets. Deshalb verbieten sich auch Vergleiche zwischen der (filmischen) Sitcom „Nix Festes“ und einer Hochglanz-Serie wie „Um die 30“, die man heute wohl als Dramedy bezeichnen würde. Und selbst wenn man im Genre bleibt: Thematisch und formattechnisch kommen „Friends“ (1994-2004, 236 Folgen) und in gewisser Weise auch die 96 Folgen von „Sex and the City“ (1998-2004) der ZDFneo-Serie zwar nahe, aber wer wird schon den wegweisenden Comedy-Hit und die HBO-Kultserie mit ihren 96 Folgen mit einer Zweistunden-Serie vergleichen wollen?! Dann schon lieber mit „Berlin, Berlin“ (2002-2005). Aber auch gegen diesen Preis-Abräumer mit seinen 86 Folgen kann der sympathische Sitcom-Nachzügler aus den deutschen ITV-Studios schwer gut aussehen. Auch deshalb, weil alle genannten Serien nicht nur klug & clever gemacht waren, sondern sie vor allem zum Mythos wurden, weil sie den Zeitgeist küssten und dieser sie freudig erregt zurückküsste.
„Nix Festes“ ist dagegen was ganz Kleines, in der TV-Krimiflut und der zunehmend gestreamten Serienblase, im Ergebnis irgendwo zwischen Rarität und Petitesse. Zu Beginn fehlt die Verabredung mit dem Zuschauer. Zwischen einem Verhalten zum Fremdschämen & dauerironischem Gewitzel weiß man nicht so recht, ob’s eine Dramedy, eine Comedy oder eine auf witzig gebürstete und mit Pointe strukturierte Sitcom werden wird. Das liegt ein Stück weit im Wesen einer ersten Folge, aber ist eben auch begründet im Noch-nicht-Wissen des Betrachters und in der Ungeduld, die man (da will ich mich als Kritiker nicht ausschließen) – im Gegensatz zu einem Spannungsfilm – einem solchen Genre und Format entgegenbringt. Auch merkt man ja erst nach und nach, dass die Dialoge der allesamt nicht auf den Mund gefallenen Hauptfiguren keine gleichermaßen gewitzte Angelegenheit ist, sondern jeder ein spezielles Komik-Niveau besitzt: Die Figur von Josefine Preuß, die zehn Jahre nach „Türkisch für Anfänger“ (2006-2008) dieses komisch indirekte und ironische Sprechen noch immer bestens drauf hat, macht auf trockenhumorig bis zynisch. Sebastian Fräßdorf, der sich zum emotionalen Mittelpunkt der Serie entwickelt, darf Jonas schon freudvoller, aber nicht weniger verkopft geben. Tim Kalhofs schwuler Basti weiß sich nicht nur körperlich, sondern auch verbal sehr lustbetont auszudrücken – und das meist auch zur Belustigung des Zuschauers. Dagegen geht der nicht immer gelungene Sprachwitz von Marie Rathschecks Naivling Jenny nicht selten auf Kosten der Figur. Je mehr einem die vier nahe kommen und je mehr die nicht unvorhersehbaren kleinen Geschichten das Interesse wecken, umso weniger ist man auf die bloße Komik fixiert. In Folge 2, „Es ist kompliziert“, mit den hübschen Überlegungen zum Thema „friends with benefits“ wird der Plot persönlicher, rührt stärker an den verdrängten Befindlichkeiten der Clique. Das steigert sich noch in Folge 3, „Die Sache mit Rick“, in der sich Jonas und Basti gegenseitig sexuell die Tour vermasseln. Und Folge 4 bietet – wie beschrieben – eine Anleitung zur Beziehungsarbeit. Die am wenigsten sprunghafte Figur ist Cafe-Besitzer Lennart, der den anderen quasi ein ständiges Beispiel für das gibt, was aus ihnen werden könnte, wenn sie nicht die Kurve kriegen. Dirk Martens spielt den abgeklärten, dauerhaft übel gelaunten Mann so ein bisschen unter dem Motto „in der Ruhe liegt die destruktive Kraft“. Als Backgrounder fortgeschrittenen Alters spielt er seine Figur angenehm abgeklärt und in einer durchgängigen Tonlage. Selbst noch in der Schlussfolge, in der er sich nach Jahren sexueller Enthaltsamkeit mal wieder verliebt. Spätestens jetzt erklärt sich auch, weshalb er für den Mülleimer-Wettbewerb Jonas mit solch übersexualisierten Vorschlägen (von „Steck ihn rein“ bis „Gib’s mir schmutzig“) kommt.
Nach vier Folgen lässt sich folgendes Fazit ziehen:
„Nix Festes“ ist eine ebenso kurzatmige wie kurzweilige Serie für zwischendurch, die immer dann am besten ist, wenn sie nicht zwanghaft komisch sein will, sondern wenn sie aus einer gewissen Beiläufigkeit heraus dem Zuschauer ein Schmunzeln ins Gesicht zaubert. Da sind häufig Sätze, die an das Beiseitesprechen im Theater erinnern („Den nächsten Bankbesuch mach’ ich dann mit ’ner Strumpfmaske über dem Kopf“), am komischsten, weil man mit ihnen nicht rechnet. Da diese Mini-Serie ohnehin bewusst auf dramaturgisch scharf gesetzte Pointen verzichtet, entsteht die Komik vorzugsweise durch die Situation und den Flow. Liest man einen Satz wie „Man sollte das ganze Internet einstampfen und wieder auf Daumenkino und Brieftauben umsteigen“, ist das erst mal nicht unbedingt witzig, im Kontext aber kommt der Satz gut. Apropos Flow: Für den ist der im Lauf der Serie immer besser werdende Independent-Soundtrack (während der deutsche Plastik-Pop anfangs nervt) nicht unmaßgeblich mitverantwortlich.