Das Verhältnis zwischen Franziska und ihrer Schwiegertochter Silke war schon immer angespannt. Nach dem Unfalltod von Franziskas Sohn Martin aber eskaliert die Situation. Nun gibt es keinen mehr, der vermittelt. Stattdessen bekommt der achtjährige Tobias den Zwist der beiden Frauen überdeutlich zu spüren. Seine Mutter Silke befürchtet, dass Franziska ihr den Sohn entfremdet und verweigert ihr den Umgang mit Tobias, obwohl er die Jahre zuvor sehr häufig bei der Großmutter in Wien war. Die Mutter vereinnahmt den Jungen dagegen nach Auffassung Franziskas zu sehr für ihre Pläne eines Familienhotels. Außerdem ärgert es die pensionierte Lehrerin, dass Geld von ihr, das ausschließlich für die Ausbildung ihres Enkels gedacht war, in die Umbaumaßnahmen geflossen ist. Als Tobias nach Monaten Funkstille plötzlich bei ihr in Wien vor der Tür steht, weil er schulisch Hilfe braucht, verkennt Silke die Situation und will die Schwiegermutter für immer aus Tobias’ Leben verbannen. Nun sieht Franziska für sich keine andere Möglichkeit mehr, als den Umgang gerichtlich einzuklagen.
„Tobias, möchtest du weiterhin deine Großmutter besuchen?“ Diese alles entscheidende Frage vor Gericht wird in „Nicht ohne meinen Enkel“ dem Jungen gleich zu Beginn des Films gestellt. Auf die Antwort muss der Zuschauer 70 Minuten warten – denn der Film schiebt nun die Vorgeschichte ein. Geschickt stupst Autor Martin Douven den Zuschauer auf den Leidtragenden der Geschichte, auf die Figur, die es genauso verdient hätte, im Mittelpunkt dieses Films zu stehen. Aber einen Erwachsenenfilm aus Kinderperspektive zu erzählen, wäre für einen ARD-Freitagsfilm dann vielleicht doch des Guten zu viel. So sensibilisiert der Autor weitgehend unaufdringlich für die Positionen aller drei Seiten und macht diese deutsch-österreichische Produktion zu einem gefühlssicheren Lehrstück in Sachen Verantwortung und Kindeswohl. Ein glückliches Ende ist im Ersten am Freitag zwar Formsache; die Figuren aber bleiben sich treu in der Art und Weise, wie sie den Kompromiss suchen und finden.
Thekla Carola Wied zeichnet eine Figur, die vom sogenannten „gesunden Menschenverstand“ aus betrachtet sympathisch ist, vernünftig und völlig im Recht zu sein scheint, die aber auch voller Widersprüche steckt. Da die Zielgruppe zum größten Teil der Generation Wieds angehören dürfte und die Schwiegertochter mental und intellektuell weitaus schlechtere Karten hat, ist es ein guter Trick, der Frau Dr. phil., die immer alles besser weiß, von einem Gleichaltrigen, dem Nachbarn, der mehr als nur bester Freund sein will, ab und zu mal die Meinung sagen zu lassen. Christian Kohlund spielt ihn mit viel Stimme und Charisma. Und auch Muriel Baumeister überzeugt in ihrem realistischen Spiel – eben ohne viel Spiel – als verunsicherte Schwiegertochter. Zu einer vollends runden Sache wird dieses leichte Drama durch Florian Froschmayers kongeniale Inszenierung. Die Konzentration der Geschichte mit dem überschaubaren Personal spiegelt sich in der Klarheit der Optik. Die Figuren haben das Sagen – und doch schwingt viel Stimmung in den Bildern mit. Da hängen die Wolken schwer über der Steiermark oder sie ziehen dahin und begraben unter sich die Zeit.