März 1943. Als ihre Nachbarn von der SS zur Deportation abgeholt werden, entschließt sich die Jüdin Anna Degen, mit ihrem elfjährigen Sohn Michael in den Untergrund zu gehen. Mit dem Mut der Verzweiflung überleben sie die zweijährige Odyssee durch Berlin. Der Junge ist der Schauspieler Michael Degen. 1999 erschien „Nicht alle waren Mörder“, seine Erinnerungen jener Jahre. Das Buch wurde ein Bestseller. Für die Verfilmung war der Autor und Regisseur Jo Baier („Stauffenberg“) die beste Wahl. Der Film ist ein dichtes, höchst nachhaltiges Historiendrama, das durch seine besondere Perspektive auf die Nazizeit besticht.
Die Opfer stehen im Zentrum des Geschehens. Und es sind die „stillen Helfer“, die mit ihrer Zivilcourage den Degens das Leben retteten. „Nicht alle waren Mörder“ zielt auf die späte Würdigung dieser „Helden des Alltags“. Die Schuld der Täter solle damit aber nicht relativiert werden, ist Baier wichtig. Für Michael Degen war es eine Qual, seine Erinnerungen aufzuschreiben. Der Film konfrontierte ihn nun abermals mit seiner traurigen Kindheit. „Es war hart für mich, den Film zu sehen, denn er ist absolut realistisch“, so der 74-Jährige. Das abschließende Urteil Degens, war für Grimme-Preisträger Baier einer der schönsten Momente in seinem Leben. „Nach der Vorführung hat er mich vor den Kinosaal gebeten und minutenlang umarmt, mit Tränen in den Augen und kaum des Sprechens mächtig.“
„Nicht alle waren Mörder“ ist keiner jener Jahrestags- und Alibifilme und er verzichtet auf die Großspurigkeit der historischen Event-Mehrteiler. Der Film, für den die ARD vier Millionen Euro locker machte, hält gekonnt die Waage zwischen spannender Fluchtdramaturgie und Spiel in die Breite. Jede Station ist eine Geschichte für sich, in der jede Situation und Figur eine eigene Kraft erhält. Charakterköpfe wie Naja Uhl, Hannelore Elsner, Dagmar Manzel, Katharina Thalbach und Axel Prahl helfen mit bei diesem auf kluge Reduktion bauenden Drama, das darauf verzichtet, die Bombennächte und das Sterben in den Trümmern bildschirmfüllend zu zeigen. Gerade weil Baier den Menschen näher rückt, die Todesangst in den Gesichtern zeigt, geht einem der Film besonders nahe. In jedem Blick Uhls spürt man die bange Frage, die sich die Schauspielerin selber stellte: „Wie sollst du einem Kind das Grauen um dich herum erklären, wenn du es selbst nicht verstehst?!“ (Text-Stand: 1.11.2006)