Die Börners wohnen noch immer in Grünfeld. Sie haben sich offenbar mit den übergriffigen Nachbarn in der Neubausiedlung arrangiert. Anne (Julia Richter) ist als erfolgreiche Scheidungsanwältin ohnehin die meiste Zeit unterwegs; nur Jan (Stephan Luca), derzeit Hausmann, bekommt mal wieder die volle Breitseite Spießeralltag ab. Doch der Grafiker schlägt zurück. Seit längerem hat er die penetranten Nachbarn in einem Comic verewigt: jene Kerstin Matzerath (Susanne Böwe) und ihren Kotzbrocken Werner (Felix Vörtler), den sie mittlerweile vor die Tür gesetzt hat, die Jogging-wütigen Simone Ernst (Winnie Böwe) und Heike Ludwig (Floriane Daniel) sowie deren Göttergatte Karsten (Sascha Nathan), der vor allem sein Auto liebt, der Obergrillmeister Herr Basad (Adnan Maral) und die alleinstehende Franziska Durstewitz, der es vor allem nach einem Mann dürstet – sie alle werden deutlich erkennbar durch den Kakao gezogen. Und das dank Jans Ex-Nachbarin, Fast-Sex-Geschichte und Neu-Lektorin Maren (Felicitas Woll) nicht mehr länger unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Eigentlich ein Grund zum Feiern. Doch wer übernimmt jetzt die häuslichen Pflichten, wo Jan zum Weiterzeichnen verpflichtet ist? Die Familie steht unter Druck, worunter auch Tochter Lisa (Michelle Barthel) und Sohn Lukas (Colin Jones) zu leiden haben. Und dann auch noch diese Dauerversuchung Maren! Doch damit nicht genug: Die Nachbarn haben Wind bekommen von dem Comic, fühlen sich beleidigt und proben den Aufstand gegen die Börners. Da könnte allenfalls noch eine Fliegerbombe in Grünfeld die Situation retten.
Foto: ZDF / Christian Lüdeke
Nach der Überraschungskomödie „Ein Reihenhaus steht selten allein“ legt das ZDF mit „Neues aus dem Reihenhaus“ nach. Die meisten Darsteller sind wieder mit dabei. Ausgerechnet die weibliche Hauptdarstellerin Ulrike C. Tscharre hatte Verpflichtungen bei der Degeto und wurde durch Julia Richter ersetzt. „Du siehst irgendwie anders aus“, darf Börner seine „neue“ Anne begrüßen. Mehr Irritation gibt es durch die Umbesetzung auch für den Zuschauer nicht. Denn die absolute Hauptrolle liegt beim männlichen Part: Der deutsche Cary Grant, Stephan Luca, ist das Gesicht des Films und sein in vielen Lebenslagen verunsicherter Jan Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Opfer ist er auch dieses Mal wieder: Gleich in der ersten Szene überfallen ihn die Kinder des neuen Schwabennachbarn im Bett und klauen ihm Handy und Hausschuhe, später malträtiert ihn die neue Haushaltshilfe, ein echter Drachen, und beruflich steckt er tief in der Krise – bis Maren kommt. Doch – so viel sei verraten – ihrem Strahlen erliegt er nicht ein zweites Mal. Auch wenn die Ehefrau natürlich etwas wittert und deutlich besorgt ist. Die Ehe der Börners scheint emotional und sexuell gefestigter als im Auftaktfilm. Jetzt geht es innerfamiliär vor allem um das leidige Thema Haushaltsmanagement. Und das sieht so aus: ein Handy in der Kloschüssel, gerissene Einkaufstüten, ein Essen, das nicht schmeckt, vergessen Kinder, Frust des Mannes, der ständig beim Arbeiten gestört wird. Komödiantisch gibt die Familie wenig her. Also muss die Nachbarschaft wieder ins Spiel kommen. Die Comic-Idee von Autor David Ungureit ist dramaturgisch ausgezeichnet, weil so die Eigen- und Unarten der popligen Nachbarn aktualisiert werden, das Anderssein der Börners betont wird und zugleich das Thema „dazugehören wollen oder nicht“ noch einmal in verschärfter Form wiederaufgenommen wird. Die netten Nachbarn werden zwischenzeitlich richtig böse: „Wenn Sie uns alle lächerlich finden – dann sollten Sie hier wegziehen!“
„Neues aus dem Reihenhaus“ ist eine Gratwanderung. Der Film will keinen verletzen oder beleidigen, weil das ZDF schließlich seine Zuschauer nicht verlieren möchte. Also sollte Ungureit offenbar den Witz so anlegen, dass alle ihren Spaß haben können: die Spießer, die Individualisten, die Vereinsmeier, die Komödienliebhaber. Doch wie Jan Börner mit den Grünfeldern, so dürfte es auch einigen Zuschauern mit diesem Film gehen. Ein richtig herzhaftes Mitschmunzeln ist das nicht. Im Gegensatz zum erfrischenden und teilweise urkomischen ersten „Reihenhaus“-Film, der einen Käfig hyperaktiver Kleinbürger präsentierte, ihn als einen sich selbst kontrollierenden Mikrokosmos zeichnete und dem Lachen so eine stimmige, gesellschaftliche Grundierung gab, zerfasern in „Neues aus dem Reihenhaus“ die Themen und Motive. Wie bekommen Eltern Beruf und Privatleben gemeistert? Wie hält man die Nachbarn auf Abstand, ohne mit ihnen gleich kriegerisch zu verkehren? Um mehr geht es nicht. Trug „Ein Reihenhaus steht selten allein“ noch leicht satirische Züge, kommen die Nebenfiguren nicht über den Status von Karikaturen hinaus. So ist der Film oberflächlich betrachtet zwar durchaus eine Gaudi, doch zu höherer Erkenntnis lädt seine Komik nicht ein. Dafür müssen Tempo & Chaos-Prinzip der Dramaturgie über einige Schwachstellen hinweghelfen. Und es gibt keine Moral von der Geschicht’, die über das Sprichwort „Es kann der Beste nicht in Frieden leben, wenn es dem bösen Nachbarn nicht gefällt“ hinausgeht. „Die Nachbarschaft = ein Nullsummenspiel“ wäre für den im Schlussdrittel wieder ausbrechenden Konflikt eine zu prätentiöse Gleichung. Und so bemüht sich Autor Ungureit gegen Ende vor allem die Möglichkeiten des allgemeinen Wohlfühlens in einer Komödie auszuloten. Sah es lange Zeit nicht nach einer friedlichen Annäherung aus, kommen sich am Ende die Börners und der Spießer-Clan wieder näher. Weil auch dieser Film ein Ende haben muss? Weil die Widerstände der Individualisten zunehmend schwinden? Oder hat im für Projektionen jeder Art offenen Schlussbild dann doch wieder die Ironie das Sagen? Eines jedenfalls ist klar und clever: Jeder Zuschauer kann diesen Film nach eigenem Gusto zu Ende denken. Ob er richtig liegt, darüber könnte vielleicht ein dritter Teil Aufschluss geben? (Text-Stand: 30.4.2016)