So schnell kann aus einer Seminararbeit ein Kino-Debüt werden. Rosa von Praunheim machte es möglich. Der Regisseur und Filmdozent riet dem Studenten Robert Thalheim: „drehen, drehen, drehen.“ Und so machte der statt eines clippigen Übungsfilms, wie ihn andere seiner Kommilitonen ablieferten, um möglichst bald für eine Vorabendserie engagiert zu werden, einen Langfilm, der von Praunheims Vorgabe „zwei Wochen, zwei Personen, ein Ort“ glücklicherweise nicht wörtlich nahm und der zu den bemerkenswertesten Nachwuchsfilmen der letzten Jahre gezählt werden muss. „Netto“ bekam etliche Preise, wurde auf der Berlinale als „stimmige, präzise und einfühlsame kleine Filmperle“ gefeiert und kam sogar ins Kino.
Dem billigst auf Mini-DV und in 17 Tagen mit viel Lust an der Improvisation gedrehten Film gelang etwas, was selten ist hierzulande. Thalheim blendet sich ein in das Leben eines Arbeitslosen, macht so den Alltag der Harz-IV-Gesellschaft transparent, ohne falsches Mitleid, aber auch ohne seinen Helden zu diskreditieren. Das ist bemerkenswert vor allem auch deshalb, weil er seine Loser-Story als Komödie erzählt, deren Geschehen zwar mitunter ins Tragische abdriftet, die aber nie ihre Leichtigkeit aufgibt. Dieser Wendeverlierer scheint hoffnungslos im Gestern versunken. Nachdem er als Selbstständiger einen Elektro-Laden in den Sand gesetzt hat, will es der Country-Fan nun als „Mann für die Sicherheit“ versuchen. Doch der Wilde Westen ist hart – und wie schreibt man doch gleich eine Bewerbung? Sein 15jähriger Sohnemann, der nach Jahren mal wieder bei ihm vorbeischaut, weiß das weitaus besser als der Vater. Der, ein Meister im Verdrängen, bläst lieber in Imbissbuden Trübsal.
„So eine Figur geisterte mir schon länger durch den Kopf, einer dieser mittelalten Wendeverlierer, die bei uns im Prenzlauer Kiez in jedem Imbiss zu finden sind“, so Jungregisseur Thalheim. Der 32-jährige Berliner hat hier so einiges mitbekommen. „Sehr traurige Geschichten“, sagt er. „Unsere Imbissbesitzer sind eigentlich die Psychotherapeuten der Wende.“ Und so legt sich denn auch sein Held in diesen Stuben der alkoholisierten Geschwätzigkeit förmlich auf die Couch, erzählt allen die gleichen Geschichten, ob sie es hören wollen oder nicht. Doch dann nimmt sich der Strebersohn seiner an und versucht, ihn in Sachen Bewerbungsprozeduren zu coachen. Doch es ist schwierig mit einem, der in „Taxi Driver“-Manier mit einer Waffe herumfuchtelt und sich von der Gesellschaft verraten fühlt … Milan Peschel lässt alle Nuancen dieser kaputten Persönlichkeit anklingen und zeigt auch die charmanten Seiten dieses vermeintlich hoffnungslosen Falls. (Text-Stand: 25.7.2006)