Julia (Bettina Lamprecht) und Robert (Matthias Koeberlin) haben sich auseinandergelebt. Aus ihrer Ehe ist sichtlich die Luft raus. Der Alltag hat ihre Liebe aufgefressen. Sie erkennt es, er will es nicht wahrhaben. Sie möchte die Trennung, und er würde, wenn er schon nicht sie, dann doch wenigstens das Haus behalten – vor allem als Familiennest für ihre Kinder, die zwölfjährige Marie (Lola Höller) und den siebenjährigen Max (Linus von Emhofen). Ausgerechnet Roberts Freund Enzo (Denis Moschitto), über 40, aber ohne jede eigene Liebes- und Lebenserfahrung, hat da was läuten gehört: Nesting heißt das Zauberwort. Dieses Modell für Trennungsfamilien sieht vor, dass die Kinder nicht aus ihrem „Nest“ gerissen werden, sondern dass hingegen jeweils ein Elternteil im Wochenrhythmus die Koffer packen muss. Robert ist Feuer und Flamme für das neue Wohnprinzip, weil er hofft, Julia wieder rumzukriegen; und auch sie willigt in das Experiment ein. In der kinderfreien Woche zieht sie zu ihrer besten Freundin Flo (Jasmin Schwiers) und Robert ins Wohnmobil. So bleiben die Kosten überschaubar. Doch auch dieses Lebensmodell kann nicht verhindern, dass die emotionalen Altlasten aus 16 Jahren Ehe nicht unter den Teppich gekehrt werden können.
Theoretisch klingt das Modell vernünftig. Warum sollen es immer die Kinder sein, die die Strapazen zweier Lebensmittelpunkte auf sich nehmen?! Und auch wenn die Eltern in „Nestwochen“ am Ende – was der Film zu Beginn bereits vorwegnimmt – drei Kreuze machen, so bleibt Nesting eine durchaus lebenstaugliche Alternative zur Radikaltrennung von Vater und Mutter oder zum Zwei-Residenz-Modell der Kinder. Da der Film von Tobias Baumann („Der Wixxer“, „Pastewka“) nach dem Drehbuch von Stefan Betz (vier Eberhofer-Krimis) jedoch eine Komödie ist, haben sie vor allem die psychologischen Aspekte im Blick, die das Projekt zum Scheitern bringen müssen. Da spielt Eifersucht erwartungsgemäß eine Rolle: So findet Julia ihren neuen Arztkollegen (Tom Beck) ausgesprochen attraktiv und sie schubst ihn bei einer von ihrer Kuppler-Freundin initiierten Hausparty auch nicht von der Bettkante, aber der Alkoholpegel tut sein Übriges. Das kann der Herr des Hauses nicht wissen – und so scheint wegen einer Unterhose am falschen Ort das innovative Lebensmodell zu scheitern. Die „Nestregeln“ sind jedenfalls gebrochen. Jetzt glaubt Robert, sich nicht mehr bremsen zu müssen. Die Polizistin Nina (Karen Dahmen), sein „Mitbringsel“ zur Musical-Aufführung der Kinder, ist zwar nur eine peinliche Retourkutsche; sein Verhalten in der Schule sprengt allerdings die Veranstaltung und veranlasst die Kinder, andere Seiten aufzuziehen. Das kennt man aus Filmen und Serien: Die Kids müssen ihre Eltern erziehen.
„Nestwochen“ bietet reichlich Anschlussmöglichkeiten für beziehungsgeplagte und/oder trennungserprobte Zuschauer. Und da diese ZDF-Komödie vor allem klassisch – sprich: ohne jede geistige Anstrengung oder vor allem ohne soziale Provokation (wie in „Mutter kündigt“, dem Auftaktfilm der diesjährigen Komödienreihe im ZDF) – unterhalten will, holen Betz und Baumann ihr Publikum auf einem eher überschaubaren intellektuellen Niveau ab. Und so bekommt man einen Noch-Ehemann präsentiert, der so ziemlich alles falsch macht, unpassend einschätzt und für reichlich Fremdschämmomente sorgt: Dieser Robert ist mehr Komödien-Stoffel als ein ernstzunehmender Charakter. Der Chaosqueen Julia ist dagegen schon ein bisschen mehr Beziehungskompetenz ins Drehbuch geschrieben worden. Und so bewegt sich der Plot ganz und gar im Rahmen der üblichen Genremuster. Eine Botschaft gibt es am Ende natürlich auch: Frühzeitig miteinander reden – vor allem auch dann, wenn die Ehe nicht mehr zu retten ist. Dann allerdings wäre einem diese kurzweilige Komödie vorenthalten geblieben.
Soundtrack:
Yo La Tengo („Friday I’m in Love“), Edward Sharpe & the Magnetic Zeros („Home“), Edith Piaf (Non, je ne regrette rien“), Deee-Lite („Groove is in the Heart“), Foreigner („Urgent“), Foo Fighters („Home“), Damien Rice („Older Chests“)
Auch wenn „Nestwochen“ dramaturgisch konventionell bleibt, so schafft der Film mit seiner lockeren, episodischen Erzählstruktur es doch ziemlich weit nach oben auf der Gute-Laune-Skala. Der Film kommt schnell zur Sache, besitzt ein gutes Timing und schneidet die allzu bekannten Banalitäten des Beziehungsalltags einfach raus. Immer wieder gibt es clippig-flotte Sequenzen ohne Dialog, dafür mit Popmusik unterlegt, die die Nesting-Situation wiedergeben: Blicke, Mimik, Gestik und das Situative sagen mehr als Worte sagen würden – und der Zuschauer kann sich wahrhaft ein Bild machen vom Stand der Ehe-Dinge. Selbst die Uralt-Komödientechnik der kontrastierenden Stakkato-Parallelmontage wird von Baumann desöfteren temposteigernd eingesetzt. „Heute ist er nur noch spießig“, sagt sie – Schnitt – „Inzwischen ist die ja nur noch kompliziert“, sagt er. Trotz des etwas stoffeligen Männerbildes überzeugt Matthias Koeberlin einmal mehr als der Mann für alle (Genre-)Fälle. Menschen wie Du und Ich verkörpert er wie kaum ein anderer deutscher Fernsehschauspieler. Auf dem Weg dorthin ist auch Bettina Lamprecht („Pastewka“), die sich nach „Südstadt“ und „Unterleuten“, beide von Matti Geschonneck, in die erste Reihe der Schauspielerinnen ihrer Generation spielen dürfte – und die man gern öfter sehen würde. Beide sind das absolute Zentrum des Films, was in der Musical-Sequenz in der Schule wunderbar zum Ausdruck kommt. „Diese Szene verdichtet alle Probleme der Familie wie unter einem Brennglas und zeigt, wohin mangelnde Kommunikation führt“, so Koeberlin über seinen Lieblingsmoment des Films.
Mit den Randfiguren, die bis in die kleinsten Nebenrollen gut und durchaus passend besetzt sind, hat es sich Stefan Betz etwas einfacher gemacht: Sein Griff ins Füllhorn der Figurenklischees ist noch zu verkraften, ja bei dieser Plot-Struktur sogar naheliegend; mit diversen Sätzen allerdings, die er den Freunden oder den Eltern in den Mund legt, hat sich der auf Komödien spezialisierte Drehbuchautor mehrfach vergaloppiert. Stereotype Schlagworte und Spruchband-Statements wie „Petting stoppt Pershing“ oder eine Anspielung auf den G20-Gipfel in Hamburg wirken auf den Kritiker wie hochnotpeinliche Fremdschäm-Attacken. Dagegen überrascht das Finale der Geschichte positiv. Die Zeiten vom realitätsfernen Happy End, in denen die Dramaturgie über die Charaktere obsiegen muss, gehören selbst im ZDF (mit Ausnahme des „Herzkino“) offenbar der Vergangenheit an. (Text-Stand: 25.7.2021)