Neben der Spur – Die andere Frau

Ulrich Noethen, Szyszkowitz, Maurer, Rusnak. Keine Therapiesitzung für Joe Jessen

25.03.2025 20:15 3sat
Foto: ZDF / Marion von der Mehden
Foto Rainer Tittelbach

„Die andere Frau“ ist die achte und leider letzte Episode der ZDF-Krimireihe „Neben der Spur“ (Network Movie). Nach „Schließe deine Augen“ (2021) war abzusehen, dass danach nur noch der elfte und letzte Robotham-Roman verfilmt werden konnte. Ein Jahr ist es her, dass Jessens Frau und Tochter an der Ostsee in die Gewalt eines Psychopathen gerieten. Jetzt zieht es dem durch seine Parkinson-Erkrankung angeschlagenen Psychiater schon wieder den Boden unter den Füßen weg: Sein Vater liegt nach einem Treppensturz im Koma, an seinem Krankenbett eine dem Sohn fremde Person, die behauptet, seit zwanzig Jahren seine Frau zu sein. Joe Jessen sieht sich inmitten einer Intrige, aber er ist fest entschlossen, diese Frau als „Schwarze Witwe“ zu überführen. Rätsel und Reduktion sind die Prinzipien dieses finalen Krimidramas, das den Zuschauer am Thrillergenre schnuppern lässt, bis im Schlussdrittel die Handlungsschraube kräftig angezogen wird. Das Ganze funktioniert gewohnt gut, vor allem weil hier einem gebeutelten, sympathischen und über Jahre liebgewonnenen Antihelden, noch dazu verkörpert von einem unserer besten Schauspieler, so übel mitgespielt wird.

Joe Jessen (Ulrich Noethen) hat den gewaltsamen Tod von seiner Frau noch immer nicht verkraftet. Der Psychiater wird von Albträumen geplagt. An die Wiederaufnahme seiner Tätigkeit als Psychotherapeut ist nicht zu denken. Erst recht, als ihn bald ein weiteres Alptraum-Scenario zu überrollen droht: Sein Vater Conrad (Dietrich Hollinderbäumer) liegt nach einem Treppensturz im Koma. Der Schmerz hält sich in Grenzen. Etwas anderes bringt Jessen aus der Fassung: Am Krankenbett sitzt eine Frau, Olivia Schwartz (Aglaia Szyszkowitz), und sie behauptet, die Ehefrau seines Vaters zu sein. Das Bild, das Joe von diesem in der Öffentlichkeit als Medizinerkoryphäe gefeierten Mannes hat, ist das eines karrieregeilen, abwesenden und egozentrischen Vaters – aber ein Bigamist, nein, auf keinen Fall. Seine Mutter (Barbara Focke) sieht es wohl ähnlich; sie reagiert barsch, als er seinen Verdacht äußert. Kommissar Ruiz (Juergen Maurer) kommt indes zu einem anderen Ergebnis. Und auch der Anwalt der Familie (Rolf Becker) bestätigt die zwanzig Jahre Doppelleben. Und dann hat Jessen plötzlich auch noch einen Stiefbruder (Maximilian Mundt) und muss mitansehen, wie dieser sich an seine Tochter Lotte (Lilly Liefers) ranmacht. Da kann selbst seine Therapeutin (Nele Mueller-Stöfen) nicht helfen. Jessen muss das alles selbst in den Griff kriegen, und er ist gewillt, Olivia Schwartz als „Schwarze Witwe“ zu überführen.

Neben der Spur – Die andere FrauFoto: ZDF / Marion von der Mehden
Zwei Häuser, zwei Frauen, zwei Betten – alle Achtung! Kommissar Ruiz (Juergen Maurer) sieht nur die äußeren Fakten und mischt sich deshalb erst spät ein. Noethen

„Die andere Frau“ ist die achte und leider letzte Episode der ZDF-Krimireihe „Neben der Spur“. An dem Vorlagengeber, dem in England lebenden australischen Krimiautor Michael Robotham, liegt es nicht unbedingt; der hat es auf elf Romane um das Doppel aus Psychologie-Professor und Inspektor gebracht. Allerdings war es nach „Schließe deine Augen“, der Verfilmung des zehnten Romans „Der Schlafmacher“ 2021 abzusehen, dass darauf der elfte und letzte Robotham-Krimi folgen musste. Ein Jahr ist es her, dass Jessens Frau und Tochter an der Ostsee in die Gewalt eines Psychopathen gerieten. Jetzt zieht es dem durch seine Parkinson-Erkrankung angeschlagenen Psychiater schon wieder den Boden unter den Füßen weg. Diese Frau scheint einen perfiden Plan zu verfolgen. Schon einmal hat sie als Witwe ein Vermögen geerbt. Jetzt hat sie sogar ihre Hände ausgestreckt in Richtung der millionenschweren Jessen-Stiftung. Joe Jessen sieht sich als Opfer eines Komplotts, bei dem einmal mehr die eigene Tochter in Gefahr geraten könnte. Denn dieser junge Mann, der sich als sein Stiefbruder ausgibt, ist unberechenbar, bedroht Jessen sogar in seiner eigenen Wohnung. Und auch der Treppensturz des Seniors wird nicht der einzige bleiben…

Überhaupt, Plot und Dramaturgie von „Die andere Frau“ setzen auf Dopplungen und Dualismen: zwei Frauen, zwei Brüder, zwei Häuser, zwei Motorräder, zwei Unfälle, ein junger Mann mit zwei Gesichtern und eben die zwei Treppenstürze. Vielleicht gibt es ja auch zwei Lesarten der Intrige und zwei Lesarten des Lebenswegs von Jessen Senior. Zunächst jedenfalls scheint sich das Bild, das der Sohn von seinem selbstsüchtigen Vater hat, zu bestätigen. Immer wieder überkommen den Psychiater Bilder aus seiner Kindheit. Bei ihm ist es nicht die Mutter, bei ihm ist es der Vater, der ihn gequält und traumatisiert hat. Und schon damals hat er seine Frau betrogen. Diese kurzen Rückblenden in die Vergangenheit sind der subjektiv erinnerte Teil der Recherchen von Joe Jessen gegen Olivia Schwartz. Der objektivere Teil sind seine Besuche in dem zweiten Haus seines Vaters. Dort sucht er nach Spuren des Zusammenlebens oder nach Spuren eines Verbrechens. Aber sowohl er als auch die Spusi können nichts Brauchbares finden. Die Dame des Hauses hat sorgsam geputzt. Ein anderes Mal verfolgt er die Frau, die ihm immer einen Schritt voraus ist, mit dem Auto. Dazu erklingt ein Score in der Tradition von Bernard Herrmans Hitchcock-Arbeiten à la „Der unsichtbare Dritte“. Das passt zum Thema. Ein Mann, der in eine Intrige geraten ist, ein Mann in der Falle. Das für einen Fernsehfilm Schöne dabei: Die Recherche erfolgt größtenteils mit Hilfe der Beobachtung und nicht wie in den meisten Durchschnittskrimis allein durch Befragungen. Entsprechend sparsam setzt denn auch Regisseur Josef Rusnak, der zugleich das Drehbuch geschrieben hat, in seinem dritten Beitrag für diese ZDF-Montagskrimi-Reihe die Dialoge ein.

Neben der Spur – Die andere FrauFoto: ZDF / Marion von der Mehden
Wie konnte Maria Jessen (Barbara Focke) das Doppelleben ihres Mannes 20 Jahre ertragen? Und weshalb weicht sie ihrem Sohn (Ulrich Noethen) immer wieder aus?

Rätsel und Reduktion sind die Prinzipien dieser finalen „Neben-der-Spur“-Episode. Das gilt für die erste Stunde des Films. Im Schlussdrittel wird dann allerdings kräftig an den Handlungsschrauben gedreht. „Du hast keine Ahnung, was dein Vater sonst noch so getrieben hat“, betont der Sohn des Anwalts der Jessens (Samuel Weiss), der nun auf einmal Olivia Schwartz juristisch vertritt. Das ist der Startschuss für so manche überraschende Wendung. Jetzt schaltet sich auch Kommissar Ruiz ein, um seinem „Freund“ beizustehen. Außerdem wird ein weiterer Nebenplot aus der Vergangenheit bemüht; der wirkt im wahrsten Sinne des Wortes weit hergeholt, ist am Ende aber doch mehr als eine dramaturgische Blendgranate. „Die andere Frau“ ist ein Rätsel-Krimi, der den Zuschauer am Thriller-Genre schnuppern lässt. Das Ganze funktioniert gewohnt gut, vor allem weil hier einem gebeutelten, sympathischen und über Jahre liebgewonnenen Antihelden, noch dazu verkörpert von einem unserer besten Schauspieler, übel mitgespielt wird. Dass der Plot das Prinzip der Reduktion nicht durchhalten kann, ist verzeihlich, ja, bei der komplizierten Backstory wohl sogar notwendig. Schade dagegen ist, dass diese letzte Geschichte der Reihe in den Mustern eines typischen Krimidramas steckenbleibt und so ihre psychologischen Möglichkeiten nicht ausschöpft. Dass der Psychiater keine Patienten mehr behandel ist verständlich. Aber er hätte diesen Fall um seinen verhassten Vater – zumal es der Schlussakt ist – deutlicher und psychologisch spannender zu seiner eigenen Therapiestunde machen können.

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Reihe

ZDF

Mit Ulrich Noethen, Aglaia Szyszkowitz, Juergen Maurer, Maximilian Mundt, Lilly Liefers, Nele Mueller-Stöfen, Rolf Becker, Barbara Focke, Kailas Mahadevan, Dietrich Hollinderbäumer, Samuel Weiss

Kamera: Peter Joachim Krause

Szenenbild: Marcus A. Berndt

Kostüm: Nana Kolbinger

Schnitt: Dirk Grau

Musik: Christoph Zirngibl

Soundtrack: Röyksopp („What Else There“), Madeleine Peyroux („Smile“)

Redaktion: Daniel Blum

Produktionsfirma: Network Movie

Produktion: Jutta Lieck-Klenke

Drehbuch: Josef Rusnak

Regie: Josef Rusnak

Quote: 7.09 Mio. Zuschauer (23,3% MA)

EA: 31.01.2022 20:15 Uhr | ZDF

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