Ein feucht-fröhlicher Männerabend mit Dienstpistole im Einsatz bringt Kommissar Erichsen eine Nacht in der Ausnüchterungszelle und eine Abmahnung ein. Doch seine zwei Kumpels, mit denen er auf der Reeperbahn mächtig Gas gegeben hat, sitzen noch tiefer in der Tinte. Beide haben extreme Geldprobleme und mit den schweren Jungs von der Inkasso GmbH ist nicht zu spaßen. Bei Rechtsanwalt Quante sind es allerdings nicht die Schulden, die ihm noch in derselben Nacht im Rotlichtmilieu das Leben kosten. Ein aus dem Gefängnis entlassener Ex-Klient schießt ihm eiskalt in den Kopf. Der Dritte im Männerbunde, der Filialleiter einer Sparkasse, der heftig über seine Verhältnisse gelebt hat, weiß sich keinen anderen Rat, als tief in die Kasse der eigenen Bank zu greifen. Er hat auch schon zwei Dumme gefunden, die sich für ihn die Hände schmutzig machen. Doch es kommt anders. Es gibt einen zweiten Toten und Banker Petry spürt schneller als gedacht den tödlichen Atem der Verfolger im Nacken.
Foto: ZDF / Hannes Hubach
In der elften „Nachtschicht“ muss Armin Rohdes ausgebrannter Bulle eine Doppelschicht einlegen. Am Anfang säuft er mit dem Banker-Freund, am Ende muss er ihn verhaften. Bei dieser Doppelschicht ist wenig Nacht zu sehen. Dass die Reihe aus Kostengründen ihre spezielle Alles-in-einer-Nacht-Dramaturgie seit einigen Folgen mehr und mehr aufgibt, mag man bemängeln, ist aber nicht der einzige Grund, weshalb „Geld regiert die Welt“ hinter die bisherigen Filme der Reihe zurückfällt. „Nachtschicht“ brachte vor zehn Jahren einen neuen Ton in die Krimilandschaft. Lars Becker spielte mit dem Genre, insbesondere mit dem Faktor Zeit und etablierte so eine bis dahin unbekannte Dramaturgie im deutschen Krimi. Dabei versöhnte er den TV-Realismus mit dem Gestus des Kinos, deutsches Beamtentum mit amerikanischer Coolness und schaffte es, dass sechs Millionen Fernsehzuschauer davon abließen, seine wilden Krimi-Konstruktionen an Wahrscheinlichkeit und Wirklichkeitsnähe zu messen. Becker setzte auf einen spielerisch-seriellen Mehrwert. Dass es ihm dabei – auf amerikanische Art – dennoch gelang, reichlich deutsche Realität in seinen Hamburger Nächten einzufangen, machte den ganz besonderen Reiz vieler „Nachtschicht“-Episoden aus.
Sicher, die Konkurrenz hat aufgeholt: der „Polizeiruf 110“ aus Rostock, Matthias Brandt in München, Kunzendorf und Król im Frankfurter „Tatort“, Milbergs Borowski und Tukurs Murot – immer mehr deutsche Krimis brechen aus der Routine aus. Zwar imitiert keiner von ihnen das „Nachtschicht“-Konzept, dennoch haben die Krimi-Innovationen der ARD die Messlatte höher gehängt. Und da sieht man dann auf einmal (insbesondere, wenn das spezifische dramaturgische Konzept aufgegeben wird und sich die Reihe dramaturgisch anderen Reihen angleicht), dass Lars Beckers Krimi-Süppchen auch nur mit Wasser gekocht ist. Besonders deutlich wird der Konkurrenz-Aspekt, wenn mal ein Film – wie „Geld regiert die Welt“ – etwas schwächer gerät. Wenn man auf einmal sieht, wie sehr doch Lars Becker allein mit Tempo über alle Ungereimtheiten hinweg inszeniert oder wie wenig er aus den internen Beziehungskonflikten (der zwei Bankräuber, des Bankers & seiner Frau, innerhalb des KDD-Teams) herausholt. Mimi Hu darf einmal „hu“ machen und Rohdes Erich anmotzen, weil er den Neuen, Yannick Kruse, Einser-Kandidat, frisch von der Schulbank, gespielt von Christoph Letkowski, alleine einen nicht ungefährlichen Observationsjob machen lässt. Die Psychologie wird an die Kurzatmigkeit der Dramaturgie angepasst – sprich: psychologisch stimmt so gut wie nichts, trotz einer Psychologin im Team. Die persönliche Involviertheit von Rohdes „Problembulle“ ist halbherzig und wird nach einigen Szenen aufgegeben. Und das, obwohl man seinem Kumpel in den Kopf geschossen hat und er am Ende den zweiten „Freund“ verhaften muss. Auch sein Burnout-Syndrom wird zu Beginn kurz benannt, bleibt dann aber auf der Strecke. Zu vieles wirkt in „Geld regiert die Welt“ nur behauptet.
Foto: ZDF / Hannes Hubach
Soundtrack: Kool & the Gang („Celebration“), Peter Maffay („Du“), Sade („Paradise“), Foreigner („I want to know what love is“), David Bowie („China Girl“), Amy MacDonald („This is the Life“), Pink („Please don’t leave me“), Manja Edwards („Stereo Love“), Bruce Springsteen („I’m on Fire“), Desmond Dekker („The Israelites“), Jon Secada („Just another Day“), Al Bano & Romina Power („Nel Mondo“), Mike Patton („Scalinatella“), The Spinners („I’ll be around“)
Als (distanziertes) Genre-Spiel funktioniert allerdings auch diese „Nachtschicht“-Episode noch immer. Und die Sympathie, die der Fan der Reihe auch der elften Episode entgegenbringt, reicht zumindest noch immer aus, um sich 90 Minuten lang bestens zu unterhalten. Es gibt Etliches, in erster Linie verspielte Wendungen und überdrehte Figuren (Rois’ Banker-Gattin oder Stadelmanns Kiez-Prolet), die einem kindliche Freude ins Gesicht treiben können. Auch Tempo und Timing sind gewohnt gut; der Soundtrack ist wie immer vorzüglich in die Handlung eingeschweißt. Im direkten Vergleich mit dem letzten Film der Reihe, „Reise in die Nacht“, einem Krimi-Drama um Menschenhandel mit einem vorzüglichen Götz George, gewinnt man bei dieser „Nachtschicht“ den Eindruck, sie laufe doppelt leer: dramaturgisch und thematisch. Die Reihe in verschiedenen Genre-Mixturen zu erzählen, bleibt ein gutes Konzept. Mit der Verwässerung des „Nachtschicht“-Prinzips indes, der Kennung, die diese Reihe von anderen unterscheidet, tun sich Lars Becker & Co keinen Gefallen. Auch wenn Geld die Welt regiert, sollte die Nacht in der „Nachtschicht“ wieder deutlicher zutage treten!