„Alarmstufe Rot“. Ein Killer geht um, ein Psychopath, der Todesurteile an Drogendealern vollstreckt. Eine Blutspur zieht sich durch die nasskalte Nacht. Auch im sechsten Einsatz der ZDF-Reihe „Nachtschicht“ folgt man dem Team des Hamburger Kriminaldauerdienstes bei ihrer 12-Stunden-Schicht. Am Anfang und am Ende von „Blutige Stadt“ steht die Trauer um Teddy, den sensiblen Jungspund des einstigen Quartetts, der in der letzten Episode im Dienst erschossen wurde. Ken Duken wollte raus aus der Reihe. An der Qualität kann es nicht gelegen haben. Auch dieses Mal ist Lars Becker mit einer handvoll Ausnahmeschauspielern wie Armin Rohde und Barbara Auer als feste Größen und Uwe Kockisch, Maja Maranow und Fritz Karl als „Gästen“ ein knalliger, temporeicher Polizeifilm der Extraklasse gelungen.
Zunächst liegt ein scheinbar unbescholtener Reisebürobesitzer im eigenen Blut. „Es ist das Blut seiner Opfer“, erklärt der Mörder am Telefon. Der KDD-Psychologin Lisa Brenner zeigt der selbst ernannte Richter, der zum Henker wird, sein wahres Gesicht. Der Mann will Rache, er ist verzweifelt. Der Polizei traut er schon lange nicht mehr: von Beamten, die weggucken und die Hand aufhalten, weiß er zu berichten. Als nächstes liegt ein toter Polizist auf dem nassen Asphalt. Unter Korruptionsverdacht steht nun auch der undurchsichtige Chef des ermordeten Polizisten. Der macht sich doppelt verdächtig – weil er auch einen Unfall mit Fahrerflucht, den seine Frau begangen hat, unter den Teppich zu kehren versucht.
Es wird munter gemordet in diesem Kriminalfilm, der sich deutlich anlehnt an französische „Neo-Noir-Thriller“ wie „Diva“ oder „Am Rande der Nacht“. Da wird nicht lange gefackelt, erst recht nicht psychologisiert. In „Nachtschicht“ haben coole Typen das Sagen. Lakonische Sprüche dominieren, Sprache wird zum Stimmungsbarometer statt zum Botschafter der political correctness. „Als ich selbst noch Zuschauerin der Reihe war, habe ich mich dabei ertappt, dass ich den Figuren gerne zugeguckt und Sympathie entgegengebracht habe, obwohl das, was sie getan haben, manchmal alles andere als moralisch war“, erinnert sich Barbara Auer, die erst in der vierten Folge zu Beckers TV-Reihe stieß. Ihre Polizeipsychologin und die gelegentlich für Action zuständige Mimi Hu, gespielt von der ehemaligen VIVA-Moderatorin Minh-Khai Phan-Thi, sind emotional und sozial deutlich engagierter als ihr männlicher Kompagnon Erich Bo Hinrichsen, der auch schon einige Male der Korruption verdächtigt wurde. Aber auch sie können cool sein: sie machen mit Blicken, was Männer mit Worten tun.
Soundtrack:
Fleetwood Mac („Go your own way“), Roxy Music („More than this“), Zucchero feat. Cheb Mami („Cosi celeste“), Udit Narayan („Jaadu Teri Nazar“), The Roots („Baby“), Wyclef Jean („Diallo“), Calexico („Writer’s Minor Holiday“)
„Blutige Stadt“ entfernt sich weit vom herkömmlichen Realismus-Konzept des Fernsehfilms. Regisseur und Autor Lars Becker bekennt sich zum Genre. Krimis, die alles erklären, motivieren und den Zuschauer auf den oftmals verlogenen Pfad der Tugend und des gesunden Menschenverstands führen, sind seine Sache nicht. Man spürt, dass Becker vom Kino kommt. „Er weiß genau, was er will, und er arbeitet sehr technisch, weiß ganz genau, wann und wo er bei den Dialogen schneidet“, betont Phan-Thi. Das sei für den Schauspieler oftmals nicht einfach. Becker ist aber kein Bilder-Egomane, für den die Darsteller nur Mittel zum Zweck sind. „Das Genre ist ein guter Vorwand, um in Grenzbereiche gesellschaftlichen Miteinanders einzudringen und um eigenartigen Gestalten zuzugucken“, sagt Armin Rohde in Bezug auf Beckers Arbeitsmethode. Der 55-jährige Wahlhamburger liebt also nicht nur Genre und Stil, sondern auch die Charaktere, die er durch die Storys peitscht – und vor allem liebt er die Schauspieler. Und so schwärmt denn auch Barbara Auer: „Er gibt einem das Gefühl, unabhängig von allen äußeren Zwängen agieren zu können.“ (Text-Stand: 26.1.2009)