Bevor es den Ort ihrer Kindheit nicht mehr gibt, weil er dem Braunkohletagebau zum Opfer fallen wird, besucht Anna (Anna Grisebach) noch ein Mal dieses einst so idyllische Fleckchen Erde in der Lausitz, vor allem, weil ihr wesentlich jüngerer Freund Stefan (Vladimir Bulakov) sehen wollte, wo und wie sie groß geworden ist. Gesellschaft an diesem Wochenende im Grünen leisten den beiden Annas Jugendfreund Bernd (Benno Fürmann) und dessen langjähriger Lebenspartner Marc (Kai Ivo Baulitz). Doch so unbeschwert, wie sich die vier das vorgestellt haben, werden die gemeinsamen Stunden nicht. Anna hatte Stefan nie davon erzählt, dass er mit Bernd vier Jahre zusammen war, bevor er Marc kennenlernte und seine Vorliebe für Männer entdeckte. Und es scheint wieder zu knistern zwischen den beiden. Aber auch Marc und Stefan scheinen Gefallen aneinander zu finden. Oder bildet sich das Anna alles nur ein? Jedenfalls nimmt sie dieser Ausflug in die Vergangenheit seelisch ziemlich mit. Offenbar ist sie nicht schuldlos an dem Selbstmord eines jungen Mannes, der sich an ihren Freund Bernd heranzumachen versuchte und wenig später Selbstmord beging. Es ist immer wieder Marc, der nicht nur in dieser Wunde bohrt. Und wenn Anna es auch nicht zugeben würde, so wird sie doch von Eifersucht, tiefen Verlustängsten und Traumata geplagt.
„Florian Gottschick kreiert einen originellen Mix aus mystischer Verklärung und moderner Psychoanalyse, unwirklich-magischer Sommernachtsstimmung und greifbarer sexueller Spannung. Er stellt subtile Andeutungen neben überdeutliche Erklärungen, wobei ihm das überzeugende Darstellerquartett mit viel Flexibilität folgt. „Nachthelle“ ist so etwas wie eine cineastische Therapiesitzung, in der verdrängte Schuld und Beziehungsängste in mal frivol-sommerlichem, mal mysteriösem Ambiente zur Sprache kommen.“ (Ulf Lepelmeier, Filmstarts)
Was als luftiges Beziehungsdrama beginnt, nimmt bald schon düstere Züge an und gibt zu erkennen, dass hier mehr als nur amouröse Bäumchen-wechsel-dich-Spielchen zu erwarten sind. „Nachthelle“, der top besetzte Diplomfilm von Florian Gottschick, dockt eindrucksvoll an beim Mystery- und Thriller-Genre, bedient sich dezent der Erotik seiner liebeshungrigen Charaktere und legt seine weibliche Hauptfigur auf die Couch. Der Freund ihrer Jugendliebe, ein anerkannter Psychoanalytiker, bringt das im Schlussdrittel des Films dramaturgisch eindrucksvoll genutzte Motiv der Aufspaltung einer Persönlichkeit in Ich und Doppel-Ich bereits früh zur Sprache. Und so hetzt die von Schuldgefühlen und Verlustangst geplagte Heimkehrerin durch die Vergangenheit, den deutschen Wald und ihr Unterbewusstsein.
Anfangs noch werden Träume gedeutet, später wird der Traum selbst filmische Wirklichkeit. Anna kehrt in Situationen der letzten Tage zurück, nimmt plötzlich andere Dinge wahr, blickt tiefer, ob in die Realität oder in ihre eigene Psyche, das beantwortet der Film selten eindeutig. Das entspricht ganz Gottschicks Intention: „Ich gebe keine Lösungen vor“, betont er, „jeder Zuschauer wird diesen Film mit seiner eigenen Lebenserfahrung verstehen.“ Die angestrebte „Offenheit“ entbindet ihn aber nicht davon, seiner Geschichte eine konsequente Erzählhaltung zu geben. Diese aber ist einfach zu ungenau, bleibt nebulös und lädt allenfalls zu Spekulationen ein. Fazit: Ein Freilicht-Kammerspiel vor morbider Kulisse. Ein spannender, sorgfältig inszenierter Beziehungspsychotrip, der zwar nicht in die menschliche Tiefe seiner Figuren eindringt, dafür aber umso wirkungsvoller filmisch dramatisierte Traumata visualisiert.