Mit „Wilder Westen“ versucht sich das ZDF an einer spielfilmlangen Version der dreißig Minuten kürzeren vierteiligen Reihe „Mordshunger – Verbrechen und andere Delikatessen“ aus dem Bergischen Land; das Ergebnis ist auf der ganzen Linie enttäuschend. Schon der Fall ist nicht besonders aufregend: Die 17jährige Lara (Antonia Lingemann) ist verschwunden. Ihr Motorroller wird in einem Maisfeld gefunden, aber von dem Mädchen fehlt jede Spur. Als Zuschauer ist man der Polizei zwar einen kleinen Schritt voraus, weil man gesehen hat, wie der Roller von einem Auto von der Straße abgedrängt worden ist, aber ansonsten tappt man ebenso im Dunkeln wie Hauptkommissar Max Janssen (Aurel Manthei) und seine „große“ Schwester (Anna Schudt). Britta ist zwar keineswegs Ermittlerin, sondern bloß Besitzerin eines Wirtshauses, hat aber im Gegensatz zu Max einen gewissen kriminalistischen Instinkt.
Ein Krimi muss nicht mit einem Mord beginnen, und nicht mal ein ungeschriebenes Gesetz besagt, dass Spannung nur dann entsteht, wenn’s eine Leiche gibt. Aber dann sollte ein Drehbuch für Alternativen sorgen: reizvolle Figurenkonstellationen, psychische Abgründe, dramatische Verwicklungen, was auch immer; auf jeden Fall mehr, als dieser Film zu bieten hat. Dabei könnte theoretisch durchaus Krimispannung aufkommen, schließlich sieht man Lara, die mutterseelenallein in einem verlassenen Keller ihrem Schicksal harrt. Aber Marcus Weiler inszeniert diese breitgetretene „Mordshunger“-Episode derart gelassen, dass sich die 90 Minuten hinziehen: Der Film hat kein Tempo, keine Spannungsbögen. Mika Kallwass, die durch Jörg von Schlebrügge verstärkte Schöpferin der Reihe, schafft es nicht, größeres Interesse für die Figuren zu wecken. Auch die namhaften Darsteller werden wenig gefordert. Die einzig abgründige Figur ist Landwirt Bierbauer, der gern an Frauenfüßen nuckelt; Sebastian Bezzel umweht ihn immerhin mit einer gewissen Tragik, zumal er, als die Polizei seine ungewöhnliche sexuelle Neigung entdeckt, umgehend zum Hauptverdächtigen wird.
Foto: ZDF / Willi Weber
„Eher amüsant als blutig… Der Film zur Serie aber zieht sich: Die Suche nach einem Mädchen ist 30 Minuten zu lang.“ (HörZu)
„Ein Provinzkrimi für Zwischendurch, mit sympathischem Duo und etwas Verruchtheit… Kann man mal kosten – mehr Biss wäre nett“ (TV-Spielfilm)
Ansonsten aber ist der ZDF-Fernsehfilm „Wilder Westen“ für einen 90-Minüter viel zu handlungsarm. Einige Szenen spielen in einem Club, dem das Werk seinen Titel verdankt, und vermutlich sollen die weitgehend nackten Tänzerinnen der Geschichte zu ein bisschen Verruchtheit verhelfen, aber nicht mal das klappt; bloß weil ein Film in der Provinz spielt, muss er nicht provinziell wirken. Immerhin wird Ben, der Besitzer des Etablissements, von Stephan Luca verkörpert. Als sich herausstellt, dass auch die minderjährige Lara hier getanzt hat, setzt Max Janssen ihn prompt auf die Liste mit den Verdächtigen. Britta ahnt jedoch, dass Ben nichts mit Laras Verschwinden zu tun hat, und gibt sich ihm in ihrer Küche mit einer Leidenschaft hin, die gar nicht zu Weilers ansonsten sehr artigen Erzählweise passt. Dass Luca dabei seinen trainierten Oberkörper vorführen darf, während Schudts braves Blümchenkleid bloß ein bisschen verrutscht, ist ein klarer Hinweis auf die avisierte Zielgruppe.
Ein weiteres Manko ist die viel zu oberflächlich bleibende Hauptfigur, der Anna Schudt zudem keinerlei Tiefe gibt. Andere Rollen bekommen allerdings überhaupt keine Konturen oder sind viel zu klischeehaft. Michael Roll zum Beispiel wirkt als Max’ Vorgesetzter mit seinem an den Kopf geklatschten Haar und den langweiligen Anzügen wie das Abziehbild eines Kommissars aus längst vergangener Zeit, der sich bei Bierbauers Vernehmung mit großer Geste die Hemdsärmel aufrollt und bei seiner Befragung handgreiflich wird. Isabel Bongard muss als Laras beste Freundin Kiki wie so oft ein böses Mädchen spielen. Das ist immerhin mehr, als Valerie Niehaus über ihre Rolle sagen könnte: Sie hat nicht mehr zu tun, als ab und zu durchs Bild zu laufen. Immerhin ist die Lösung der Geschichte ein bisschen überraschend, aber da im Grunde nichts passiert ist, fällt das kaum ins Gewicht. Selbst das potenziell packende Finale, als Kiki droht, sich selbst zu verbrennen, ist so kraftlos inszeniert wie der gesamte Film.