„Du und Afrika, Mensch, du schwitzt ja schon bei Tauwetter“, wirft die aufgebrachte Britta (Anna Schudt) ihrem Bruder Max (Aurel Manthei ) an den Kopf, als der ihr beichtet, dass er einer Frau wegen nach Namibia umsiedeln will. Dann fliegen Worte wie „Arschbruder“ und „Egoschwester“, Britta rennt davon. Wenig später sieht man sie auf einem Waldweg, ein Auto naht und überfährt sie. Unter Tränen identifiziert ihr Bruder tags darauf die Leiche, gibt sich dann die Kante – als seine Schwester plötzlich neben ihm steht und ihm die Whiskeyflasche aus der Hand nimmt. „Wer ist das?“, fragt sie, als sie die tote Frau sieht. „Na du“, sagt Max. „Quatsch, ich bin hier, ich lebe“, entgegnet Britta. Die Tote und sie gleichen sich „wie ein Ei dem anderen“, so auch der Titel des neuen Films aus der Reihe „Mordshunger“.
Die Frau, die Lea Grote heißt und aus der Düsseldorfer High Society kommt, wurde ermordet. Ein Fall für Hobbydetektivin Britta, die natürlich wissen will, wer die Frau ist und warum sie ihr gleicht. Sie schlüpft in ihre Rolle und ermittelt undercover. Leas ahnungsloser Ehemann, Unternehmer Theo Grote (Torben Liebrecht), scheint nicht zu merken, dass sich Britta als seine Gattin ausgibt. Er freut sich über den scheinbaren Wandel seiner Ehefrau, die ein unglückliches, unstetes Leben führte, Psychopharmaka nahm und versuchte, aus der Rolle der Ehefrau eines erfolgreichen Geschäftsmannes auszubrechen. Nur Hausdame Clara (Sandra Borgmann) durchschaut Britta schnell. Parallel ermittelt Max in der Klinik, in der Britta geboren wurde. Verwaltungsdirektorin Ute Döhring (Charlotte Schwab) und der Chefarzt der In-vitro-Klinik, Professor Dr. Paul Michels (Rüdiger Kuhlbrodt), zeigen sich äußerst nervös und verweigern ihm die Einsicht in das Klinikarchiv. Max lässt sich nicht abwimmeln und stößt auf die damalige Hebamme Sibylle Witzel, die seit einem mysteriösen Unfall zum Pflegefall geworden ist und keine Auskunft mehr geben kann. Da entdecken die Geschwister, dass Lea Britta schon seit einiger Zeit ausspioniert hat und dass der Mordanschlag offenbar nicht Lea, sondern Britta gegolten haben muss. Denn bald schon taucht ein übler Auftragskiller auf, der von „Lea“ das restliche Geld für den erfüllten Auftrag fordert.
Eine bewegte Geschichte hat die ZDF-Krimireihe „Mordshunger“ schon hinter sich: 2013 begann sie mit vier Folgen á 60 Minuten. 2015 gab es den ersten 90-Minüter („Wilder Westen“). Dann folgte eine längere Pause und jetzt gibt es erneut einen Krimi im TV-Film-Format von eineinhalb Stunden. Auch bei den Sendeplätzen hat die Reihe noch keine Heimat gefunden. Geplant war ursprünglich mal der Freitag Abend, gestartet wurde dann am Samstag, schließlich ging es auf den Montag, jetzt ist man am Mittwoch gelandet. Da ist ja Platz, ohne Champions League versucht das ZDF hier einiges, hat dem Sendeplatz aber noch kein klares Profil gegeben. Der Fahndungsklassiker „Aktenzeichen XY … ungelöst“ ist gesetzt, ein bisschen Show gab es auch schon, nun nutzt man den Platz für Mehrteiler wie zuletzt den zweiten Teil von „Bier Royal“ und verstärkt für Krimis. Für dieses Genre hat das ZDF aber neben dem Samstag auch den Montag Abend. Da steckt wohl der Gedanke dahinter, den Mittwoch für die etwas leichtere Krimiunterhaltung zu nutzen, „Marie Brand“ läuft ja auch schon länger auf diesem Sendeplatz, hinzu kommen jetzt auch Landkrimis.
„Mordshunger – Verbrechen und andere Delikatessen“ hat jetzt den Mittwochs-Termin gewonnen. Die Reihe bleibt seinem eher umständlichen Titel treu. Da sollte man mal über eine Kürzung nachdenken, zumal ja noch der Filmtitel hinzukommt, in diesem Fall „Wie ein Ei dem anderen“. War der letzte Film mit 5,6 Millionen Zuschauern zwar quantitativ erfolgreich, ließ die Qualität deutlich zu wünschen übrig (es gab nur zweieinhalb Sterne). Die hat man jetzt deutlich verbessert, wohl in erster Linie, weil man sich mit Christian Jeltsch einen versierten Autor geholt hat, der mehr als ein Dutzend „Tatort“-Krimis, „Polizeiruf 110“-, „Kommissarin Lucas“-, „Ein starkes Team“- & „Bella Block“-Folgen verfasst hat, und mit „Kreuzer kommt“ auch eindrucksvoll bewiesen hat, dass er auch sehr pointiert schreiben kann. Darauf setzt er auch in diesem Krimi, der eine interessante und spannende Story bietet, der aber auch leicht und phasenweise locker-humorvoll ist. Sogenannte Provinzkrimis gibt es ja viele, so muss man schon ein Alleinstellungsmerkmal haben, um sich abzuheben. Die Figurenkonstellation bietet das: das Geschwisterpaar Britta und Max, sie Köchin und Hobbydetektivin, er Ermittler in der Provinz in Klein-Beken, die Eltern tot, Bruder und Schwester eng verbunden und (im Falle Max allerdings noch) ungebunden. Sie sind fast symbiotisch, suchen aber jeder nach seinem eigenen Leben, was in der atmosphärisch gelungenen Eröffnungsszene sehr intensiv und emotional gezeigt wird. In „Wie ein Ei dem anderen“ erfährt man mehr über die beiden, müssen sie doch nicht nur einen Mordfall lösen, sondern sind in Sachen eigener Familie unterwegs. Das verleiht dem Krimi einen besonderen Reiz.
Anna Schudt, International-Emmy-Preisträgerin für „Ein Schnupfen hätte auch gereicht“, kann hier – anders als in ihrer eher düster-problembeladen angelegten Rolle als Dortmunder „Tatort“-Kommissarin – als Köchin mit kriminalistischen Ambitionen mit Witz, Charme, Neugier und Cleverness ermitteln. Die Rolle der Hobbydetektivin – die ja Tradition in Film und Fernsehen hat, von Miss Marple (wohl die Mutter aller Hobbydetektive) bis Jessica Fletcher („Mord ist ihr Hobby“) – meistert sie prima, lässt es menscheln, schafft so einen klaren emotionalen Zugang zu der Figur für den Zuschauer. Im Duo mit Aurel Manthei als Max gelingt das bestens. Josh Broecker lockert die Geschichte über unerfüllte Sehnsucht nach Glück und die Suche nach der eigenen Identität mit einigen schönen Szenen auf: Britta darf als falsche Lea einige Doppelgänger-Hürden bewältigen, bei einer Party auf Drängen eines Geschäftspartners ihres Mannes eine Gesangseinlage geben, mit der Lea schon einmal begeistert hat, und als Köchin beweisen, dass sie den fehlenden Nachtisch für eine Party schnell und locker selbst zaubern kann… „Mordshunger – Verbrechen und andere Delikatessen: Wie ein Ei dem anderen“ ist ein Krimi, der nicht auf Tiefgang setzt, nicht so intensiv in die Figuren eintaucht, das aber auch nicht will. Doch er ist mehr als nur oberflächliche Unterhaltung. Die Suche nach dem Familien-Geheimnis gibt mehr von den Geschwistern preis, das tut dem Film gut. Gelungen ist auch, dass Autor Jeltsch nicht auf eine der üblichen Zwillingsgeschichten setzt. Nicht beide agieren, sondern nur eine, und die schlüpft zeitweise in die Rolle der anderen. Das bietet schöne Spielmöglichkeiten mit zwei konträren Figuren, die aber aus einem Charakter entstehen. (Text-Stand: 28.1.2019)