Dass die Krimis aus Istanbul keinen Bezug zur derzeitigen politischen Lage haben, ist zwar bedauerlich, aber nachvollziehbar: Die ARD will die Filme ja noch einige Jahre lang wiederholen, da würden Hinweise auf aktuelle Ereignisse nur irritieren. Eine gewisse Relevanz täte der Reihe trotzdem gut; auch die Donna-Leon-Verfilmungen leisten sich ja gern den einen oder anderen kritischen Unterton. Was man aber auf jeden Fall erwarten darf, ist eine echte Istanbul-Geschichte. Mit Ausnahme einer kleinen Reiseführereinlage durch Oscar Ortega Sánchez und einer Verfolgungsjagd am Fuß einer Moschee könnte „Club Royal“ jedoch auch in Berlin spielen; bei Regisseur Thomas Jauch (2003-15: 18mal „Tatort“) sieht die Metropole am Bosporus diesmal weitgehend wie eine x-beliebige Weltstadt aus. Das gilt auch für die Handlung: Nach der Ermordung eines Dealers fragen sich Kommissar Özakin (Sander) und sein getreuer Mustafa (Sánchez), ob es sich um einen Milieumord oder um eine Beziehungstat handelt, denn der Mann hat kurz zuvor angeblich seine Ex-Freundin vergewaltigt.
Soundtrack: Ed Sheeran („Don’t“), Amanda Blank („Something Bigger, Something Better“)
Foto: Degeto / Gülnur Kilic
Die junge Dilek, sehr intensiv verkörpert von Lili Zahavi, Tochter des erfolgreichen Regisseurs Dror Zahavi, ist die mit Abstand interessanteste Figur des Films: Die Studentin, deren Arme mit Wunden übersät sind, ist dabei gefilmt worden, wie sie ihren Ex mit intensivem öffentlichem Körpereinsatz zur Wiederaufnahme der bilateralen Beziehung bewegen wollte. Dieses Video ist in verschiedenen sozialen Netzwerken gelandet. Prompt steht tagsdrauf ihr jähzorniger Bruder auf der Matte, gibt ihr erst mal eine Ohrfeige, weil sie als „Hure“ Schande über die Familie gebracht habe, und will sie zwingen, das Studium abzubrechen und nach Hause zu kommen. Das ist natürlich das pure Klischee, aber tatsächlich auch die einzige Ebene des Films mit Bezug zur Kultur des Landes. Dilek lebt in einem Wohnheim, in dem sich die Studentinnen beim Verlassen des Hauses mit einer Chipkarte abmelden müssen; wenn das nach 20 Uhr passiert, werden die Eltern per SMS informiert. Das würden sich junge Frauen hierzulande wohl auch eher nicht gefallen lassen.
Der Rest des Films ist allerdings Fernsehkrimi von der Stange. Dabei stammt das Drehbuch von Clemens Murath, der im letzten Jahr mit „Das Ende des Alp Atakan“ die Vorlage zu einem der besten Fälle für Özakin gesorgt hat. Diesmal sind zu viele Figuren zu leicht zu durchschauen. Das gilt vor allem für den Besitzer des Clubs, dem die Episode ihren Titel verdankt. Michael Brandner verkörpert den Mann, der dem Toten viel Geld für einen Drogendeal geliehen hat, zwar mit Genuss als Ganoven, der seine Brutalität und Kaltblütigkeit hinter einer bürgerlichen Fassade verbirgt, hat solche Rollen aber schon viel zu oft gespielt, um wirklich gefordert zu wirken. Dass er kaum als Täter infrage kommt, obwohl die Polizei die Tatwaffe, ein Küchenmesser, in seinem Restaurant findet, liegt ohnehin auf der Hand.
Erol Sander wiederum muss meist sorgenvoll dreinblicken, weil ihn das Schicksal der jungen Dilek bekümmert. Wie zuletzt in der Istanbul-Episode „Ausgespielt“ (ebenfalls inszeniert von Jauch) gibt es wieder eine Verfolgungsjagd im Vollsprint, doch ansonsten macht der Mime diesmal einen besonders Eindruck, ganz im Gegensatz zu den weiteren weiblichen Mitwirkenden; die jungen Damen sind zwar auffallend attraktiv, doch ihre darstellerischen Bemühungen erinnern eher an Vorabend-Soaps. Hervorzuheben ist hingegen wie auch in „Ausgespielt“ die Musik von Karim Sebastian Elias, die dem Film zu mehr Spannung und Dynamik verhilft, als die allerdings oftmals edlen Bilder hergeben. (Text-Stand: 24.10.2015)