Für die junge Polizistin Toni (Sarah Bauerett) ist der undurchsichtige Cuma Ozan (Mehmet Kurtulus) der Hauptverdächtige in ihrem ersten Mordfall. In Mordach, da wo der Hirsch röhrt und sich die Füchse gute Nacht sagen, fällt höchstens mal ein Tourist in eine Schlucht. Jetzt ist Laura Brunner (Lea Louisa Wolfram), die Tochter des einflussreichsten Unternehmers im Ort (Dominique Horwitz), noch dazu eine gute Bekannte von Toni, erschossen worden. Brutal aus nächster Nähe, also offensichtlich keine Tat im Affekt. Ozan, der angeblich zum Wandern in den Bergen war, hat das Opfer gekannt, flüchtig und doch hatten die beiden mehrfach Sex miteinander. Ausgerechnet der Hauptverdächtige übernimmt nun gemeinsam mit der Dorfpolizistin diesen Mordfall. Das BKA macht’s möglich. Denn Ozan sei der beste Mann von Helene Brecht (Gesine Cukrowski), die in Frankfurt das organisierte Verbrechen bekämpft. Um ihn aus der Schusslinie zu nehmen, wagt sie diesen Vorstoß, der auch ihr den Kopf retten soll. Denn irgendwas ist schiefgelaufen bei Ozans letztem, hochbrisantem Undercover-Einsatz, bei dem er in einen libanesischen Clan eingeschleust wurde. Es gab einen Toten. Und warum hat der Verdeckte Ermittler bei seinem eigenmächtigen Trip in die Berge, bei dem dieser den Kopf freibekommen wollte, seine Dienstwaffe dabei?
Foto: Degeto / Roland Suso Richter
Ein hartgesottener Profi und eine unerfahrene Dorfpolizistin sind die Protagonisten in dem ARD-Zweiteiler „Mordach – Tod in den Bergen“. Ein Gegensatz-Doppel, wie es Drehbuchautoren hierzulande mögen. Thomas Berger hat in den erfolgreichen ZDF-Nordholm-Zweiteilern mit Heino Ferch und Barbara Auer (in „Die Frau im Meer“ stieg sie aus) als Regisseur und einige Male auch als Autor dieses dramaturgische Muster erfolgreich erprobt. Für die Degeto-Produktion mit Mehmet Kurtulus und Sarah Bauerett schrieb er nur das Drehbuch. Verfilmt wurde es von Roland Suso Richter, dem einstigen Regisseur für Prestigeprojekte wie „Der Tunnel“, „Dresden“, „Mogadishu“ oder „Die Spiegel-Affäre“, der zuletzt vor allem aus dem „Zürich-Krimi“ eine auch filmisch sehr ansehnliche Krimi-Reihe mitentwickelt hat. Dieses Gespür für Bilder und starke Typen, kombiniert mit dem physisch markanten Spiel charismatischer Schauspieler, ist denn auch die besondere Stärke von „Mordach“ und unterscheidet diese UFA-Produktion von anderen handelsüblichen Hochglanz-Zweiteilern, die oft mit zu vielen Figuren die drei Stunden zu füllen versuchen und damit allenfalls künstlich Unruhe stiften. Anders als zuletzt in „Die Frau am Meer“ setzt Berger hier auf ein überschaubares und doch nicht zu überschaubares Personal. Der B-Plot um die dramatische Vorgeschichte des Helden, die in kurzen Rückblenden immer mal wieder wirkungsvoll aufpoppt, zwischendurch von der BKA-Dienstaufsicht befeuert und auf der Zielgeraden im Dialog geklärt wird, ist vor allem dazu da, den A-Plot, die Mordermittlungen, zu verdichten und die Narration komplexer und für den Zuschauer abwechslungsreicher zu gestalten. Das ist der bessere Weg, die drei Stunden zu füllen, als die üblichen stereotypen Nebenplots aufzufahren, sprich: banale Dorf- und Familiengeheimnisse aufzudecken.
In „Mordach“ sind es offene Geheimnisse, die relativ unaufgeregt und rasch ermittelt werden. Dem Vater der Toten gehört ein Sägewerk, damit ist er der große Zampano im Ort: Er gibt den Leuten Arbeit und erwartet dafür hundertprozentige Loyalität. Er hat Informanten bei der Polizei und mindestens ein uneheliches Kind. Ein Erbschaftsstreit könnte demnach ein Motiv sein. Irgendwann gibt es auch einen ersten Verdächtigen. Dann einen zweiten, einen dritten – und doch schwebt für die Polizistin bis in den zweiten Teil hinein eine Wolke des Verdachts über ihrem Kollegen aus Frankfurt. Dass sie ihn dennoch bei sich wohnen lässt, weil keine Pension im Ort ihm Logis gewährt (allerdings schließt sie ihn nachts ein), das bringt die Dorfgemeinschaft gegen sie auf und sorgt für heftige Spannungen mit ihrem Verlobten (David Zimmerschied). Wie sollen beide nach diesem Fall in Mordach weiterleben? Es ist aber auch ein arges Bilderbuchdorf der Vorurteile und der Fremdenfeindlichkeit! Es sind vor allem die Dialoge, die keine Gefangenen machen. „Ist er das Schwein? Hat er meine Tochter umgebracht“, wird Cuma Ozan im Ort begrüßt. Später heißt es dann: „Ich hab‘ schon gehört, dass du mit dem Asylanten rumziehst.“ Und am Ende vom ersten Teil appelliert der Vater der Toten an seinen Ex-Schwiegersohn in spe: „Lass uns zusammen dieses Schwein drankriegen.“ Erfreulich, dass die Taten nicht immer den drastischen Worten folgen. Und ebenso erfreulich, dass Dominique Horwitz sein rassistisches Ekelpaket im Spiel nur selten so überzieht wie bei seinem ersten Auftritt und dass Philip Birnstiel als der Verlobte des Opfers äußerst zurückhaltend agiert. Auch Cuma Ozan ist kein Heißsporn; er lässt sich nicht provozieren. Mehmet Kurtulus spielt ihn durchgängig ohne erkennbare Gefühlsregungen. Das passt zum B-Plot, der VE-Vorgeschichte. Und irgendwann ahnt man, weshalb Ozan seine Dienstwaffe dabeihat.
Foto: Degeto / Roland Suso Richter
Die fehlende Kooperationsbereitschaft des BKA-Mannes zu Beginn erklärt sich auch erst im Nachhinein. Von dessen persönlicher Krise weiß der Zuschauer zunächst nichts. Und so sticht einem erst einmal die äußere Erscheinung dieser Figur ins Auge: Dabei gilt die Devise Hauptsache cool. Für einen Schauspieler wie Kurtulus in Kombination mit dieser rätselhaften Figur eine durchaus angemessene Präsentation. Ob beim Verhör oder beim Date – die Sonnenbrille darf nicht fehlen. Damit setzt dieser Charakter eine klare Genre-Marke. Sarah Bauerett („Deadlines“, „Der Kroatien-Krimi“) als Polizistin darf zwar mehr Emotionen zeigen und Empörung an den Tag legen; das pendelt sich allerdings bald ein auf ein beiläufiges Beiseitesprechen, in dem sich Tonis Unzufriedenheit widerspiegelt, und ein kühles, leicht genervtes Ermitteln mit dem arroganten Kollegen, das zunehmend souveräner wirkt. Die beiden Akteure nähern sich also in der Tonlage an – und Bauerett, ein unkonventioneller Typ von Schauspielerin, kann jederzeit mit dem ungleich bekannteren Kollegen mithalten.
Dass der Krimiplot das Genre nicht neu erfindet, erwartet keiner. Im telegenen Showdown gerät man als Zuschauer allerdings schon ein bisschen ins Grübeln. So bedarf es zweier Zufälle (der Feind guter Dramaturgie), Jugendliche, die etwas Wichtiges gefunden haben, und ein leutseliger Polizist, um das Finale mit seiner zu diesem Zweiteiler passenden szenischen „Lösung“ einzufädeln. Die narrative „Auflösung“ (des ersten Mordes und noch eines zweiten) darf man allerdings ebenso wenig hinterfragen wie die etwas holzschnittartig eingefügte Selbstjustiz-Drohung, die durch den gesamten Film geistert. „Mordach“ ist also ein Krimi, bei dem alles ein bisschen drüber ist: eine Räuberpistole ohne Räuber, dafür mit BKA-Präsenz, und was andere mit Ironie & Witz garnieren, erreicht dieser Film mit Reduktion & Coolness.
1 Antwort
Leider streckenweise wegen überdrehter Hintergrundmusik und Genuschel nicht zu verstehen. Nervt! Die Handlung ist utopisch. Ein Kripobeamter, der unter Tatverdacht steht, würde niemals selbst ermitteln dürfen. Insgesamt zäh.